Facel Vega HK 500 und Jensen Interceptor
Zwei Euro-GT mit dickem US-V8
Große US-V8 in europäischen Luxusautos waren einst eine bewährte Kombination - und machen immer noch an. Zwei markante Vertreter dieser Spezies sind Facel Vega HK 500 und Jensen Interceptor.
17.01.2016 Franz-Peter HudekEigentlich war es eine äußerst gewagte Idee, in Frankreich Mitte der 50er-Jahre einen neuen Luxuswagen vorzustellen. Jean Daninos hat es trotzdem getan, obwohl die großen französischen Marken wie Delage, Delahaye und Bugatti schon längst keine Serienautos mehr bauten. Außerdem war die neue Luxuswagenmarke Facel Vega bis zu ihrem Erscheinen im Jahr 1954 fast unbekannt.
Nur wenige Insider aus der Automobilbranche wussten, dass Facel eine Abkürzung für Forges et Ateliers de Constructions d'Eure-et-Loir war, eine Fabrik, die Stanzteile aus Metall für Küchen, Autos und Flugzeuge herstellte. Im Auftrag von Ford, Panhard und Simca montierte Facel auch komplette Autos. Am bekanntesten war der Ford (später Simca) Comète. Das Design des im modernen Ponton-Stil gezeichneten Coupés stammte von Jean Daninos, die komplette Technik vom Ford Vedette.
Luxus-Coupés für die Schönen und Reichen
Das in Eigenregie entstandene, deutlich größere Coupé Facel Vega FV bis FV4 und dessen Nachfolger HK 500 schafften es dennoch, bei den Schönen und Reichen als bequemes und schnelles Luxus-Coupé geschätzt zu werden. Stolze Facel-Vega-Besitzer waren unter anderem Tony Curtis, Ava Gardner, Stirling Moss und Ringo Starr. Einige Facel Vega treten auch in Filmen auf, zum Beispiel ein HK 500 in "Lieben Sie Brahms?" mit Ingrid Bergman und Ives Montand.
Ein Großteil des Erfolgs des Facel Vega HK 500 liegt an der großzügigen Motorisierung, die man in den USA bei Chrysler einkaufte: Der 6,3-Liter-V8 leistet 390 SAE-PS. Mit einem Viergang-Schaltgetriebe erreichte das rund 1,7 t schwere Coupé eine Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h.
Das machte den 1958 präsentierten HK 500 zum schnellsten 2+2-Coupé der Welt - und wohl auch zum bequemsten und luxuriösesten. Allein der durchzugsstarke, leise und vibrationsarm laufende Ami-V8, der auch mit einer frauenfreundlichen Dreigangautomatik lieferbar war, bot einen exquisiten Antriebskomfort. Zur Serienausstattung gehörten ein Radio, elektrische Fensterheber, Nebelscheinwerfer und mehr.
Jensen - schnell und exzentrisch
Jensen hatte es dagegen mit seinem angloamerikanischen Hybrid-Coupé Interceptor von 1966 deutlich einfacher als der Newcomer Facel Vega. Die bereits 1936 gegründete Marke besaß zumindest in England ein Stammpublikum, das sich für die ebenso schnellen wie exzentrischen Automobile begeistern konnte. Bereits der Vorgänger C-V8, dessen Kunststoffkarosserie mit den schräg gestellten Doppelscheinwerfern etwas schrullig wirkte, erhielt seine Spurtstärke durch einen Chrysler-V8.
Goldfischglas von Touring
Die Stahlblechkarosserie des Interceptor gestaltete Touring in Italien, was man der betont schlicht gestalteten Frontpartie kaum ansieht. Der immerhin 4,70 Meter lange Brite trägt sein Erkennungszeichen vielmehr hinten, wo eine riesige Panorama-Heckscheibe auf dem rundlichen Wagenheck thront. In England nennt man diese Glaskuppel "Goldfish-Bowl". Darunter befindet sich ein geräumiger Kofferraum. Allerdings verhindert eine verschraubte Hutablage das Beladen bis unter das Dach. Dies ist eine vernünftige Sicherheitsmaßnahme, damit bei einer 233-km/h-Vollbremsung kein Gepäck nach vorne rutscht und vielleicht die Sicht behindert.
Wie beim Facel Vega arbeitet ein Chrysler-V8 unter der langen Motorhaube, der in diesem Fall sogar aus 7,2 Litern Hubraum 284 knallharte DIN-PS produziert, die über eine Dreigangautomatik wohldosiert an die starre Hinterachse geliefert werden. Beim Testbetrieb von auto motor und sport katapultierte sich der Interceptor in 8,6 s von 0 auf 100 km/h und damit auf eine Stufe mit Ferrari 365 GT 2+2 und Maserati Indy. Die genau gleiche Zeit benötigte laut Werksangaben auch der HK 500. Doch damit enden schon die Gemeinsamkeiten der beiden Chrysler-Hybride.
Der Facel Vega empfängt seinen Fahrer im europäischen Luxusstil der späten 50er-Jahre mit noblem Holz und chromumrandeten Zusatzinstrumenten. Das Armaturenbrett ist weit nach vorn unter die Panoramascheibe gerückt. Über Drucktasten lassen sich die Gänge der Automatik anwählen. Schon im Standgas rollt der Facel Vega HK 500 ungeduldig los. Spontanes Gasgeben quittiert der Franzose mit einem Anheben der Nase und dezentem Reifenpfeifen, das zur Vorsicht gemahnt.
Vor engen Kurven sollte man das Tempo vermindern, damit der relativ weich gefederte Untersteurer auf der Straße bleibt. Und geradeaus geht es nur mit leichten Korrekturen am Lenkrad, die bei mehr als 200 km/h auf einer Landstraße einst volle Konzentration erforderten.
Facel Vega HK 500 verlangt nach voller Konzentration
Ganz anders im moderneren und deutlich jüngeren Jensen, dessen Interieur im schwarzen Sicherheitsstil der Siebziger gestaltet ist. Fünf Zusatzinstrumente blicken schräg zum Fahrer herüber und beobachten, ob wir alles richtig machen. Doch wie im Facel Vega stellen wir die Automatik auf D, geben Gas – und schon gehört uns die Welt. Dank breiterer Reifen und einer Zahnstangenlenkung lässt sich der Jensen relativ präzise und ansatzweise sportlich fahren.
Auch hier lieferte Walter Percy Chrysler mit seinem Markenimperium das wohl Beste, was Amerikas Automobiltechnik zu bieten hatte (und noch hat): einen ebenso kultivierten wie potenten OHV-V8.
So viel kosten Facel Vega HK 500 und Jensen Interceptor
Der in nur 490 Einheiten produzierte deutlich seltenere Face Vega HK 500 kostet laut Classic Analytics im guten Zustand rund 166.000 Euro und im Zustand 4 etwa 56.000 Euro. Von dem Jensen Interceptor wurden zwischen 1966 und 1976 rund 7.200 Exemplare gebaut. Für ein gutes Coupé im Zustand 2 muss man rund 49.000 Euro einplanen, der Interceptor SP kostet etwa 40.000 Euro.