VW T4 Caravelle 2.5 (1990)
Der Bus im alten Test von 1990
Als vor 30 Jahren der VW T4 neu auf den Markt kam, musste er natürlich zum Test von auto motor und sport. Wie fuhr die Caravelle mit Fünfzylinder-Benziner und 110 PS? Der alte Test mit originaler Rechtschreibung.
15.03.2020Wir sind ein Volk und, mehr noch, wir sind ein Volkswagen, können sie nun jubilieren, die Polo, Golf, Passat und die Transporter gar. Denn seit auch der letzte von der Käferplage Heckmotor kuriert ist, sind alle VW eine Familie der Gleichen: alle frontgetrieben, alle quermotorisiert und alle mit Motoren fast aus einer Reihe.
Die neue, endgültige Ordnung im Programm gereicht kleiner Kosten wegen jedem Kaufmann bei VW zur Freude. Der Mann, der so ein Auto kauft, muss seine Freude daran stillen, dass die ganz großen Volkswagen wenigstens nicht teurer wurden. Ein Caravelle, als Familienauto manierlich ausgestattet, ist nach wie vor ein finanziell durchaus stattliches Objekt um die 40.000 Mark.
Der Gegenwert für dieses Geld zeigt sich rein äußerlich reichlich uneitel mit dem Charme einer Schachtel, die im Windkanal die Eleganz eines Luftwiderstandsbeiwertes von cW 0,36 verpasst bekam. So ist der Neue von allen VW-Transportern vor ihm klarer zu unterscheiden als von seinen Zeitgenossen. Und als VW und mithin als ein deutsches Auto gibt er sich klar durch das Markenzeichen zu erkennen.
Mehr Platz denn je
Seit 40 Jahren überzeugen die Transporter von VW durch reichlich Raum. Das macht der Neue noch etwas überzeugender. Sein Fußboden liegt von vorn bis hinten tief, weil hier kein Motor mehr im Wege steht. Entsprechend niedrig ist die Ladehöhe in den Kofferraum, der seinerseits ein Wunder an lichter Höhe ist, hoch genug für den aufrechten Transport von Weihnachtsbäumen.
Der Zugang zu den hinteren Sitzplätzen ist, wie gehabt, bequem, und wer nach vorne will, der hat es heute etwas leichter, weil er nicht mehr über Rad und Radkasten klettern muss.Nur was die Sitzplätze betrifft, ist ein Caravelle der neuen Sorte kein Fortschritt auf der ganzen Linie, denn drei Plätze in jeder, auch in der vordersten Reihe, sind nicht mehr im Angebot. Die Möglichkeit des Mittelsitzes ist durch Schalthebel und Handbremse verstellt. Ein lautes Ärgernis wurde beim Erneuern dieses Autos neuerlich übersehen, die Schiebetür knallt nun schon 25 Jahre viel zu laut ins Schloss, und keiner tut etwas dagegen.
Es sind gute und bequeme Sitze mit verstellbaren Armlehnen in einem neuen Caravelle, fein konturiert und weit entfernt von den Bänken früherer Jahrzehnte. Und alle Passagiere sitzen dort umgeben von einer Vielfalt der Ablagen sowie einer wohltemperierten Warm- oder auch Frischluftverteilung und entsprechender Stereophonie aus den Lautsprechern.
Doch die Umgebung solcher Annehmlichkeiten erstaunt den Passagier als ein totaler Plast-Palast. Der neue Großraum-Reisewagen von VW versteckt jedes Stückchen Blech seines Interieurs schamhaft unter Thermoplasten. Damit ist er nicht nur auf dem Weg zur Wohnlichkeit der Touristenklasse einer Airline, er kann darunter auch eine Menge jener groben Schweißpunkte verstecken, wie sie auf dem Dach des Autos das Tageslicht so ganz und gar nicht scheuen.
Der Fahrer findet alles besser denn je zu Hand und Fuß. Nach 40 Jahren ist die Verwandlung eines Lasters zum Automobil fast abgeschlossen. Alles, was es hier zu bedienen gibt, sieht ähnlich aus oder ist ähnlich angeordnet wie in einem Golf, und all das Praktische festigt das Vertrauen zu dem großen Auto.
Neue Töne: Frontmotoren
Die Herkunft einer neuen Generation von Reihenmotoren für den Transporter liegt ebenfalls ganz dicht bei Golf und auch Passat. Der Vierzylinder erreicht hier mit zwei Litern eine neue Dimension, und auch der Fünfzylinder, den es nur im verflossenen Passat gab, hat auf zweieinhalb Liter zugelegt. Ermutigt von der Absicht, Drehmoment-Maschinen für den Bus zu schaffen, wagten die Techniker bei einer Bohrung von 81 Millimetern fast unendlich lange 95,5 Millimeter Hub. Allzu viel Drehzahl wurde mit einer zahmen Nockenwelle ein Riegel vorgeschoben. Brave, arbeitsame Drosselmotoren vom Stamme Otto sind das gewiss dauerhafte Ergebnis. Der Vierzylinder schafft 84 PS (62 kW) bei 4.300/min, der Fünfzylinder des Testwagens schmückt sich mit 110 PS (81 kW) bei 4.500/min.
Im Anfahrbereich des feinen und dezenten Fahrens knapp oberhalb der Leerlaufdrehzahl kommt die natürliche Durchzugskraft des Fünfzylinders noch nicht so richtig ins Spiel. Da kann dem Motor beim Anfahren durchaus mal die Puste ausgehen, und es gelingt gelegentlich auch der Servolenkung, den Motor abzuwürgen.
Sobald die Drehzahl aber einigermaßen aus dem Keller ist, zieht der Fünfzylinder wirklich wie der Ochs vorm Pflug, um den doch stattlichen Transporter mit schwungvoller Elastizität zu bewegen. Wird flott geschaltet mit der besten Schaltung aller Volkswagen und im Rahmen der Möglichkeiten die Drehzahlspanne bis 5.200/min genutzt, kommt ein leidlich leerer Caravelle auf eine durchaus ehrenwerte 0–100-km/h-Zeit von 16,5 Sekunden. Und schnell ist das Flaggschiff aller Caravellen wie nie ein solcher Volkswagen zuvor: 165 km/h.
Nur ist das Geräusch nicht mehr ganz so wie früher. Empfand der Fahrer einst den Wasserboxer als ganz weit weg und alles Reisen mit dem Bus wie das sanfte Rauschen in einem Jumbojet, so ist er jetzt viel näher an den fünf Quellen seiner Kraftentfaltung.
Immer noch hoher Verbrauch
Und wer denen beim Beschleunigen mit Vollgas Futter gibt, der bekommt nicht nur den Schub zu spüren, sondern auch einen kernigen Sportwagen-Sound zu hören, der einen Corrado eher zieren würde. Der neue Caravelle ist vorn laut und wird nach hinten etwas leiser. Beim Vorgänger mit Heckmotor war das natürlich umgekehrt und für den Fahrer angenehmer. Etwas geschmälert wird die Fahrkultur durch eine allzu weiche Motoraufhängung, die bei entsprechender Behandlung sehr energische Lastwechselschläge austeilt.
Beim Verbrauch gibt’s in der Praxis keine guten Neuigkeiten. Der langhubige Reihenmotor, der den kurzhubigen Boxer ablöst, zeigt überraschenderweise keine prinzipiellen Vorteile bei der Wirtschaftlichkeit. Mit weniger als zwölf Litern kommt man selten 100 Kilometer weit, und in aller Eile können es auch 18 Liter werden.
Das Fahrwerk der neuen VW-Transporterklasse unterscheidet sich von dem des Vorgängers am deutlichsten durch den Vormarsch des Antriebs an die Vorderachse. Eine Einzelradaufhängung mit doppelten Querlenkern gab es im Prinzip bisher schon, nur eben mit Schrauben- statt mit Drehstabfedern. Vom Grundsatz her geblieben sind auch die Schräglenker hinten. Die Möglichkeit eines Antriebs bleibt hier konstruktiv angedeutet. Ein Syncro-Bus der neuen Art wird kommen. Beim Fahren spürt man mit Genuss, wie wenig sich eigentlich geändert hat. Der Federungskomfort macht den neuen wie den alten Caravelle zum fliegenden Teppich unter Seinesgleichen. Und selbst im Kreise sehr komfortabler Personen-Automobile würde dieses junge Nutzfahrzeug eine gute Partie spielen. Sogar der Nachteil einer nicht mehr so ausgewogenen Achslastverteilung wie bisher wird von dieser Federung kompensiert, auch bei leerem Fahrzeug spricht sie an der Hinterachse trotz geringer Grundlast willig an.
Rundum unkompliziert
Wer den alten VW Bus mit dem Argument, er sei der Porsche unter den Transportern gewesen, heiligspricht, der hat auf seine Weise recht. Der Heckmotor machte das Raumfahrzeug zum Meister der Traktion sowie zum Fahrerauto, an dem sich die Routine üben konnte. Der neue VW Bus ist mit gleicher Konsequenz der Golf unter den Vans oder die großräumige Materialisierung des unkomplizierten Fahrens und der einfachen Beladbarkeit auch durch die Heckklappe.
Trotz seiner etwas indirekten Servolenkung ist der Bus Nummer vier überdies ein schönes neues Beispiel handlicher Größe. Die Herausforderung des Fahrers beschränkt sich auf den vertrauensvollen Umgang mit einem kalkulierbaren Untersteuern in der Kurve. Der brave Geradeauslauf des guten Fronttrieblers festigt wieder eine Karriere als Reisewagen. Der 40 Jahre lang gefürchtete Seitenwind ist heute mehr ein Randthema.
Von Clauspeter Becker.