1303-Käfer von Memminger
Dieser neue Käfer ist seine 83.500 € wert
Der VW Käfer ist Deutschlands beliebtester Oldtimer. Aber richtig gut sind Originale nie. Exemplare von Georg Memminger schon. Aber die sind nicht richtig original. Ein H-Kennzeichen kriegen manche von ihnen trotzdem. Beeindruckende Probefahrt mit einem neu gebauten und getunten Oldtimer.
11.07.2015 Kai KlauderKrass: Da hängt man auf der Autobahn hinter einem Audi 3.0 TDI fest und will endlich überholen. Endlich blinkt der rechts - also Pedal aufs Bodenblech und vorbei geht's. Und das in einem VW Käfer - und bei 180 km/h.
Ich sitze hier logischerweise nicht in einem originalen Käfer - obwohl man dem 1303 von außen kaum etwas ansieht. Schwarzer, tiefglänzender Lack, die klassische ATS-Fünfspeichen-Alus aus dem Zubehör kennt jeder, sie gehören schon seit Jahrzehnten zum guten sportlichen Ton, wenn es um den Käfer geht. Doch in diesem Finish sind sie selten.
"Wir lassen das neu fertigen"
Die Erklärung für den perfekten Zustand der Felgen ist einfach: "Wir lassen die neu fertigen", sagt Georg Memminger nebenbei. Diesen Satz höre ich noch oft, denn bei seiner Firma "Memminger Feine Cabrios" in Reichertshofen entstehen Neuwagen. Wirklich neu: Fast alle Komponenten lässt Memminger neu produzieren. Lediglich eine Handvoll Teile bleiben von dem Originalfahrzeug erhalten und werden aufgearbeitet.
Für Originalitäts-Fetischisten ist dieser Käfer nichts - er ist besser, hochwertiger, schneller und stärker als es der Millionenseller aus Wolfsburg selbst werksneu jemals war. Denn Georg Memminger ist heimlicher Chefentwickler des Typ 1.
Die Fertigungstiefe ist beeindruckend: Vom Türscharnier über Getriebezahnräder, Hauptbremszylinder, Achsschenkel und viele Blechteile. Dazu kommen die Interieurkomponenten "Und immer besser als das Original - deswegen steht da auch nirgendwo VW drauf - sondern Memminger", erzählt er stolz. Ein Qualitätsmerkmal in der Käferszene, denn zahlreiche Verbesserungen fließen in die Fertigung der Teile ein.
Memminger Käfer auf Kundenwunsch
Erfahrbar wird die Evolution bei seinem auf Hochglanz polierten VW 1303, der fast alles an Bord hat, was bei Memminger lieferbar ist. Los geht's im Innenraum: Stoff- oder Ledersitze nach Wunschfarbe und Qualität. Sogar einige Originalmuster lässt er in einer kleiner Weberei herstellen. "Alles in Deutschland übrigens", wirft er ein.
Die Türpappen tragen einen Lederbezug mit einer Prägung, die eine echte Herausforderung ist. "Ich habe mir zwar extra ein Presswerkzeug anfertigen lassen, doch bei der hohen Temperatur reagiert das Leder empfindlich - von 5 Versuchen geht meist nur einer gut", erklärt der Experte.
Nimmt man auf den mit feinem Leder bezogenen Recaros Platz, fällt der Blick auf den zentralen Tacho. Hier endet die Skala nicht bei 120, 140 oder 160 wie beim Original, sondern erst bei satten 200 km/h. Und das ist nicht übertrieben, wie ich später merke. Unterhalb des Tachos sind 3 Zusatzinstrumente für Öltemperatur und -Druck sowie ein kleiner Drehzahlmesser angeordnet, ansonsten ist alles wie beim klassischen Vorbild.
Überzeugender Sound innen und außen
So langsam werde ich heiß auf den innen und außen schwarzen Käfer - und das liegt nicht nur an den Temperaturen um 28° C. Also nichts wie rein. Obenherum ist es im Käfer gewohnt luftig, der Fußraum mit den stehenden Pedalen dagegen ist im Memminger noch knapper geschnitten. Denn links und rechts außen sind GFK-Gehäuse angebracht, die 16er-Lautsprecherchassis sowie Hochtöner aufnehmen.
Die Gehäuse wurden von einem ehemaligen Alpine-Techniker berechnet und gestaltet - und sind mit dem selben Teppich bezogen, der auch den Unterboden bedeckt. Unter der Rücksitzbank sitzt noch ein großvolumiger Subwoofer, der die intramusikalische Seite des Memminger-Käfers mit Tiefbass untermalt - ich bleibe dagegen lieber beim puren Klang der mechanischen Urgewalten.
Le-Mans-Technik im Käfer
Das Anlassprozedere ist beim Memminger-Käfer etwas anders: Zündschlüssel drehen und in Startposition halten, bis es laut "Klack" macht - jetzt hat das Ölabsperrventil der Trockensumpfschmierung geöffnet, die erstmal Druck aufbauen muss, damit beim ersten Durchdrehen auch Schmiermittel an den richtigen Stellen angekommen ist. Die Technik stammt von Le Mans-Rennwagen - und ist gut versteckt. Das 9-Liter-Ölreservoir aus poliertem Aluminium ist unter einer Abdeckung auf der Hutablade befestigt.
Nach dem gut hörbaren Öffnen des Ventils vergehen wenige Sekunden und der Starter dreht den Boxer durch. Der Vierzylinder springt spontan an und verfällt in einen runden Motorlauf. Das typische Käfer-Boxer-Geräusch ist auch hier zu hören, doch es klingt dumpfer, grollender - vielversprechend.
Die Kupplung ist mit "sportlich" nur unzureichend charakterisiert. Sie verlangt nach einem selbstbewussten Tritt - und nach ordentlich Drehzahl beim Einkuppeln. Dafür kann die 215er-Sportkupplung - eigens für Memminger angefertigt - bis zu 380 Nm aushalten.
Mehr Drehmoment als ein BMW M3
380 Nm? So viel Kraft hat nicht mal ein E46-BMW M3 GTR - bei dem ist bei 365 Nm Schluss. "Unser 2,7-Liter drückt gesunde 280 Nm auf die Welle", sagt Schorsch Memminger, der Sohn des Firmengründers, "wir haben also noch etwas Spiel nach oben - jetzt ist ja auch die zahme Nockenwelle drin."
Das muss man sich mal vergegenwärtigen: Der Ur-M3 von BMW kommt gerade mal auf ein maximales Drehmoment von 240 Nm. Das kann ja heiter werden.
Längere Übersetzung und Verbrauch unter 8 Liter
Mit der normalen Achsübersetzung würde der 170 PS-Boxer hilflos in den roten Bereich drehen. Zwar ideal für Bergrennen, doch der besseren Fahrbarkeit im Alltag wegen wurde die Übersetzung von 8,31 auf 9,31 geändert. "Im Grunde ist das ein Fünfgang-Getriebe ohne ersten Gang", lacht Memminger.
Im Prinzip braucht man die Kupplung eher selten. Bei 1.500/min liegen schon 220 Nm an. Bei 100 km/h dreht der Motor unter 3.000/min. "Das senkt den Verbrauch auf rund 7,5 Liter, sag ich immer, damit es keinen Ärger gibt", erklärt Memminger, "denn wenn ich den tatsächlichen Verbrauch angebe - und der liegt nochmals deutlich darunter - kommt noch einer und sagt, dass seiner 0,1 Liter mehr verbraucht."
Also könnte das Motto heißen: 4. Gang rein und für alle Situationen gewappnet sein. Doch dann würde man viel verpassen.
Memminger Käfer mit Druck ohne Ende
Auch der 1303 von Memminger bleibt immer noch als Käfer erkennbar. Aber was die Bayern aus dem alten Fahrwerk herausgeholt haben, das 1967 (Schräglenker-Hinterachse) und 1970 (verlängerter Vorderwagen und MacPherson-Federbeine) mit reichlich Verspätung auf Nachkriegsniveau gehievt wurde, ist beeindruckend.
Damals musste der Käfer mit 50 PS und 106 Nm klar kommen - der Memminger-2,7-Liter-Boxer liefert allerdings mehr als dreimal so viel Leistung und über zweieinhalb mal mehr Drehmoment.
Die Eckdaten können aber nicht ansatzweise verdeutlichen, wie man von dem Triebwerk nach vorne geschoben wird. Der Boxer - übrigens aufgebaut auf ein originales Typ-4-Motorgehäuse - liefert einen phänomenalen Druck und untermalt die Orgie mit seinem leicht nuscheligen Grollen, das durch einen Sportauspuff nach draußen brüllt - dabei aber immer in einer sympathischen Tonlage bleibt. Der Edelstahlauspuff wird von Sebring für Memminger gefertigt.
Moderne Bremse und klassische Klimaanlage
Jetzt aber mal Gas geben und die Kurven des Oberbayrischen Hinterlandes ausprobieren. Der Boxer spricht sofort auf Pedalveränderungen an und sorgt für Tränen in den Augen. Denn ohne Klimaanlage müssen die kleinen Dreiecksfenster für Belüftung des heißen Innenraums sorgen - was sie am besten machen, wenn man die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf den einsamen Straßen etwas großzügiger auslegt.
Von der Geschwindigkeit merkt man übrigens kaum etwas, der Käfer liegt immer wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße. Erst auf der Autobahn erinnern die Windgeräusche daran, dass man hier in einer Vorkriegs-Karosseriekonstruktion sitzt.
Das Fahrwerk lässt die hoch bauende Karosserie des Käfers kaum wanken. Die servolose Lenkung verlangt beim Rangieren kräftiges Zupacken, doch ist der Käfer erstmal in Bewegung, kann man ihn dank des leichten Vorderwagens problemlos und mit wenig Kraft steuern. Dazu tragen auch die relativ schmalen Vorderreifen bei. Vorn trägt der 1303 auf seinen 5,5 Zoll breiten Felgen 185/65 R 15, hinten auf 7-Zoll-Pendants 205/60 R 15. Die Direktheit der Lenkung wird zudem durch eine massive vordere Domstrebe verstärkt. Wer weniger Bedienkräfte möchte, kann eine Servolenkung ordern.
Mini One-Bremse mit ABS
Für das sichere Gefühl danach sorgen zupackende Bremsen, die so überhaupt nichts mehr mit den Simplex-Dosen der Ur-Käfer zu tun haben. Stattdessen kommt vorne - an verstärkten Achsschenkeln - die Bremse des modernen Mini One mit innenbelüfteten Scheiben zum Einsatz, hinten moderne Bremssättel von Conti/Teves. Und, Überraschung: Dieser Käfer hat sogar ein Antiblockiersystem an Bord, das ebenfalls von Teves stammt.
Nach etwa 30 Kilometern ist das Licht für die Standaufnahmen ideal. Also habe ich etwas Zeit für einen Rundgang um das schwarze Krabbeltier. Es hockt etwas näher auf dem Asphalt, das Fahrwerk ist mit einem einstellbaren KW-Gewindefahrwerk auf den jeweiligen Geschmack anpassbar. Beim vorderen, verstärkten Stabi lässt sich sogar der Nachlauf justieren. Dazu gibt es noch Bilstein-Dämpfer mit spezieller Memminger-Kennlinie.
Kopfsteinpflaster-Teststrecke
Auf der Weiterfahrt kommen wir durch ein kleines Dorf, als Georg Memminger erklärt: "Das Kopfsteinpflaster hier ist unsere Teststrecke - da fahren wir mit jedem Auto vor der Auslieferung solange drüber, bis nichts mehr klappert - wenn's sein muss, sitzt der Mechaniker auch mal im Kofferraum."
Wir machen noch einen kurzen Abstecher auf die Autobahn: Der Beschleunigungsstreifen könnte auch nur 50 Meter lang sein - genug für den Kraftzwerg, wenn man ihm Leistung abfordert. Erster, zweiter dritter Gang - klack-klack-klack - der Zug lässt nicht nach. Bei 160 km/h im 3. Gang steht die Nadel des Drehzahlmessers bei 6.000/min. Zu meiner Verteidigung, Georg Memminger hat gesagt: "Dreh' ihn ruhig aus, das mag er!". Kurz vor der Nenndrehzahl ziehe ich den Schalthebel zurück in den vierten - und laufe auf den eingangs erwähnten Audi A6 3.0 TDI auf.
Über 200 km/h im Memminger Käfer
Als ich an ihm vorbeipfeile, schaue ich kurz rüber - so ein verblüfftes Gesicht habe ich schon lange nicht mehr gesehen.
Das Spiel wiederholt sich noch mehrmals mit einer S-Klasse, einem 7er-BMW und weiteren modernen Limousinen. Als ich kurz auf den Tacho schaue, möchte ich mir zunächst die Augen reiben - die Nadel hat den offiziellen Bereich längst verlassen. Sie steht nun rund einen Zentimeter links neben der 200-er-Marke. "Wir haben den schon mal GPS-gemessen - realistisch sind rund 214 km/h", brüllt Georg Memminger vom Beifahrersitz herüber. Die Öltemperatur steigt bei der Autobahnhatz auf maximal 95° C - zwei große Ölkühler sorgen für ein gesundes Motorklima.
Steifere Karosserie, direkteres Fahren
Nach der Ausfahrt erklärt der Senior-Chef: "Bei uns ist alles überdimensioniert und verträgt noch deutlich mehr Leistung." Die stabileren Achsschenkel werden zum Beispiel bei Buderus gegossen, stärkere Querlenker verbaut, der Seitenaufprallschutz verbessert. Dazu kommt die Versteifung der Karosserie - etwa durch die Verwendung der Heizungsholme aus den späteren Mexiko-Käfern, die deutlich stabiler sind. Er baut alle Fahrzeuge übrigens "abwärtskompatibel" auf - "so, als ob der stärkste Motor drin ist", sagt er.
Die Blechstärke ist auch bei den von Memminger nachgefertigten Seitenteilen und Kotflügeln größer, wie er anschaulich an einem Original-Ersatzteil-Kotflügel und seinem eigenen demonstriert. Der originale lässt sich leicht verwinden, der Memminger-Kotflügel auch mit deutlich mehr Kraft kaum.
Die konsequente Versteifung der Karosseriestruktur sorgt dafür, dass die Memminger-Käfer besser liegen, kompakter zu fahren sind und direkter auf Lenkradbefehle gehorchen.
Perfektionismus im Detail
An Kleinigkeiten wie der in die Windschutzscheibe integrierten Antenne lässt sich der Perfektionismus des Georg Memminger erkennen. "Ich mag es einfach nicht, in ein lackiertes Blech ein Loch zu bohren - da habe ich die Antenne einfach in die Scheibe integriert - und der Empfang ist so auch noch besser.
Das sagt viel über den perfektionistischen Anspruch der Memmingers. Und eines ist klar nach der Fahrt in dem 1303: Der beste Käfer kommt nicht von VW, sondern von Memminger.
Ab rund 83.000 Euro geht's für Komplettfahrzeuge los
Dass der ganze Aufwand natürlich auch etwas kostet, ist spätestens beim Anblick des riesigen Teilelagers klar, in dem unter anderem rund 100 Türen, ebenso viele Seitenteile sowie hunderte Türverkleidungen und Motoren auf ihren Einsatz warten - und dann gibt es ja noch die etwa 200 VW Käfer, aus denen die Kunden sich das passende Baujahr und die gewünschte Karosserieform auswählen können. Wenn dann der Startschuss gefallen ist, dauert es rund 6 Monate, bis das 10-köpfige Werkstattteam den Traum-Käfer fertig aufgebaut hat. wie das von statten geht, lesen Sie in einem großen Porträt der Firma Memminger in einer der nächsten Ausgaben von Motor Klassik.
Der enorme Aufwand relativiert den Preis von etwa 83.000 Euro für ein nach Wunsch aufgebautes Exemplar mit dem 2,7-Liter-Triebwerk. Für das Geld könnte man auch einen gut ausgestatten Porsche Cayman GTS kaufen - doch der Spaß wäre nicht im Ansatz so groß, wenn man mal wieder einen Porsche-Fahrer am Berg überholt hat.