VW Käfer 1302 LS Cabriolet im Test
Offener Klassiker von 1972
Der Klassiker von 1972 läuft und läuft und läuft. In all den Jahren hat kein Auto so viel und so viele bewegt wie der Käfer. Das VW 1302 Cabrio muss nun den knallharten Test von heute durchlaufen.
08.12.2016 Sebastian RenzDer Morgen graut tief im Osten, als der Wagen an die Tankstelle rollt. Es ist eine im alten Stil mit Tankwart. Der steht an der Zapfsäule (seit 1976 schon, wie er erzählt) und wartet. Denn: Der Tank, wie war das mit dem Tank? Wenn es nicht klappt mit dir und der Gestensteuerung im BMW Siebener – egal. Aber als Autotester mit diesem Auto nicht zurechtzukommen ist, als wüsste ein Hitparadenmoderator nicht, wer „Yesterday“ singt. Denk nach: Fronthaubenentriegelung im Handschuhfach, für den Tank ... die Schlaufe!
Das hier ist der Käfer, einer von 1972, dem Jahr, als er den Produktionsrekord des Ford T-Modell übertraf. Der VW, den Millionen fahren können – vor allem jene, denen Zuverlässigkeit und leichte Bedienung wichtiger sind als modernste Technik. Derer war der Käfer stets unverdächtig. Immerhin war er nie weniger unmodern als 1970. Da kommt der 1302 mit McPherson-Vorderachse, die zusammen mit zwei Zentimetern mehr Radstand den Kofferraum vergrößert. Statt an der gautschigen Pendelachse zu baumeln, werden die Hinterräder von einer Schräglenkerkonstruktion geführt. Nun, früh am Morgen, sind wir im 1302 unterwegs zur Teststrecke.
Ein paar Tage zuvor öffnet sich bei uns in der Straße ein Kofferlastwagen wie eine Geschenkpackung, und das Cabrio krabbelt raus. Als es in der Tiefgarage steht, so klein und rosieht eher nach orange aust und mit schwarzem Verdeck, drücken wir uns erst die Nase an den Seitenscheiben platt, fitzeln dann den Schlüssel ins Türschloss, sperren auf. Eine kleine Wolke Altautoduft steigt in die Nase. Vorsichtig hinter das spirrelige Lenkrad setzen. Mal den Motor starten? Ein kurzer, kleiner Dreh, schon singsangt der Klang des Boxermotors durch die Tiefgarage. Alles so vertraut. Und doch neu. Kein Auto mag häufiger bei auto motor und sport gewesen sein als der Volkswagen Typ 1. Er wird schon gebaut, als dieses Magazin 1946 entsteht, am 12. August 1984 landet in Emden das Schiff mit den letzten offiziell importierten Käfern aus Mexiko an, die Produktion in Puebla endet erst 2003. Aber von den Kollegen, die ihn als Neuwagen testeten, ist heute keiner mehr hier.
VW Käfer würde heute 15.075 Euro kosten
Sie waren streng mit dem Käfer. Und mit VW, wenn die meinten: „Seit Jahren stehen unsere Wissenschaftler und Ingenieure in vorderster Reihe bei der Entwicklung verkehrssicherer Automobile.“ Wissenschaftler? Ja nee, ist klar. Dabei hat die Kritik, VW verkläre Stillstand zu Tradition und Sturheit zu Standhaftigkeit, kaum Auswirkung auf den Erfolg. Nie verkauft der Konzern mehr Käfer als Anfang der 1970er. Als Cabrio ist er Traumwagen ganzer Generationen.
Ein erreichbarer: Im Modelljahr 1972 kostet der 1302 LS Cabrio 8.190 Mark, was nach heutiger Kaufkraft 15.075 Euro entspricht. Teils höher als heute sind die Unterhaltskosten: 237 Mark Steuer, so viel wie heute 371 Euro, 567 Mark Haftpflicht (heute 887 Euro). Dazu die Kraftstoffkosten: 1972 kostet ein Liter Benzin 0,59 Mark, das wären heute 95 Cent, 1974 steigt der Preis wegen der Ölkrise auf 83 Pfennig, was mit 1,27 Euro heutigem Niveau entspricht. Überhaupt, der Verbrauch, gar nicht so hoch wie oft behauptet: 8,7 l/100 km heute im Test, weil es der starke Motor ist.
Das 1302 Cabrio gibt es nur als 1.600er. Dessen Boxer trimmen die Techniker mit höherem Kühlluftdurchsatz, Doppelkanal-Zylinderköpfen und erweiterten Ansaugrohren für bessere Füllung auf Effizienz. Der ewig fiebrige dritte Zylinder steht nicht mehr im Windschatten des Ölkühlers. Das ergibt im Vergleich zum 1.300er mit 299 cm³ mehr Hubraum sechs Extra-PS. Das sind damals Welten – aber eher so psychologisch. Der 1,6-Liter bringt es auf 31,6 PS/Liter, boxert aus tiefen Drehzahlen wuchtig los, drückt das Cabrio tapfer bergan, dreht beherzt, da Vollgas- und Drehzahlfestigkeit immer zu seinen vornehmsten Stärken zählt.
Oben, tief im Wald, wo die Gegend Zuflucht heißt und nicht so aussieht, als sei 1970 und das Debüt des 1302 schon 46 Jahre her, funzeln die H4-Halogen-Scheinwerfer in die Gischt. Der Regen drischt auf die plane Frontscheibe, die Scheibenwischer schlieren darüber hinweg, als ahnten sie, dass es da für sie nicht viel zu gewinnen gibt. Gleich wird sich die Straße in engen Schlingen den Wald hinunterstürzen und der Käfer sie hinabsteigen, vor Kurven mild verzögern, sie besonnen umrunden, mit diskreter Rückmeldung und dezenter Präzision in der schwergängigen Lenkung. Die meiste Zeit hängst du halb im Fußraum, um mit dem kurzen Schalthebel die vier Gänge reinzustochern, während dir das Gurtschloss in den Bauch drückt.
Endlich ist der Käfer unten, die Straße wird breit, der Himmel hell. Anhalten, Dach zurückwuchten, Persenning auftakeln. So geht es weiter über Land, mit Tempo 80. Sacht ditscht der Wind gegen die Frontscheibe, wälzt sich durch das Stübchen, trägt endlich das Bollern des Motors davon. Derweil verebben die Ausläufer von Bodenwellen, die es durch das straffe Fahrwerk geschafft haben, in den knautschigen Sitzpolstern. Es ist behaglich, so schmal, so innig, zu schnell sind wir da. Volltanken, dann zur Teststrecke.
Das Schwere der Leichtigkeit
Zuerst wiegen wir den 1302. Mit 910 Kilo drückt er auf die Waage, was wenig erscheint angesichts der Massivität der Verarbeitung und der Trägheit seines Handlings. Gleich geht es raus zur Geräuschmessung, wozu wir das Verdeck schließen – wenngleich die Skala des Schalldruckmessgerätes dadurch kaum weniger gefordert ist. Anschließend steht die Bremsprüfung aus Tempo 100 an. Aber belassen wir es bei diesem Thema damit festzustellen, dass die drei Kilometer der Messgeraden ausreichen.
Sie genügt auch für eine Beschleunigung bis 130 km/h. Wenngleich der Käfer auch mit dem stärksten Serienmotor eher in Richtung 100 km/h aufbricht, als zu spurten, können wir doch feststellen, dass 18,7 Sekunden dafür einen Rekord darstellen. Im Sommer 1971 brauchte ein 1302 Cabrio bei uns im Test eine Sekunde länger. Aber über mehr als vier Jahrzehnte mag sich der Blickwinkel auf eine Sekunde ändern. Auf anderes auch: So mühsam, wie sich der Käfer durch die Pylonengassen von Slalom und Spurwechsel arbeitet, hätten wir ihn bei auto motor und sport früher heftig kritisieren müssen. Heute dürfen wir ihn einfach mögen.
Vor- und Nachteile
- solide, robuste Verarbeitung
- dick gefüttertes Verdeck
- knappes Raumangebot gerade im Fond schafft romantische Möglichkeiten
- geringes Kofferraumvolumen
- verhindert Gepäckeskapaden auf Urlaubreisen
- Einsteigen in Fond hält jung
- gute Lüftung (geöffnet)
- mäßige Rundumsicht
- schwergängiges Verdeck
- knautschige Sitze beteiligen sich an Federungsaufgaben
- Fahrtwind weht den Motorkrach davon
- auch nach damals 32 Jahren Bauzeit schlechte Heizung
- tritt bullig und klangstark an
- passend gestuftes Getriebe
- selbst Topmotor reduziert Risiko von Tempoverstößen
- Fahrwerk sowie Lenkung sind vorhanden und machen Slalom-Irrsinn nicht mit
- lehrte Generationen Fahranfänger das Übersteuern
- ungewohnt sanfte, magenschonende Verzögerung
- wegen sachter Fahrleistungen meist noch nicht da, wo sich ein Unfall ereignet
- nachhaltiges Langzeitauto,wird über Jahrzehnte genutzt
- ein Kraftstoff-Gourmet, lässt sich für 100 km und die 8,7 Liter Super dafür richtig Zeit
- heben sich über die Jahre durch Wertzuwachs wohl auf
- niedrige Steuer- und Versicherungsbeträge
- teuer in Anschaffung
Fazit
Ach, wir werden altersmilde. Waren wir früher die strengsten Kritiker des VW, hat uns dieses Jahrhundertauto nun auch bezirzt. Also: Malen Sie dem Käfer einfach so viele Sterne aus, wie Sie wollen. Aber seien Sie großzügig.