Golf IV (1997 bis 2006) Kaufberatung
Solider Piëch-Golf mit Schwächen
Es ist an der Zeit über den Golf IV nachzudenken. Schließlich war er das wichtigste Baby des Porsche-Enkels Ferdinand Piëch. Schwachstellen hat er trotzdem.
24.12.2018 Michael HarnischfegerDonnerwetter: Ist es wirklich schon 20 Jahre her, dass VW Journalisten aus aller Welt nach Bonn einlud, um ihnen den neuen VW Golf zu präsentieren? Dem neuen Kompakten aus Wolfsburg gingen viele Geschichten voraus – erfreuliche und weniger erfreuliche.
Der Dreier, der hatte es irgendwie nie geschafft, qualitäts- und image-mäßig an den kantigen Zweier anzuknüpfen. Der wird heute geradezu kultisch verehrt, während der pummelige Dreier als durchschnittlicher Typ gilt. Ja, die Qualität war so lala, und trotzdem schrieb VW Verluste, dass man Angst bekommen konnte.
Als Ferdinand Piëch dann Anfang 1993 Chef in Wolfsburg wurde, machte er sich daran, auf seine leise, oft Furcht einflößende Weise den Laden umzukrempeln. Qualität rauf, Kosten runter – das schrieb der Porsche- Enkel seinen engsten Mitarbeitern ins Lastenheft, die er der Legende nach bei seinem Antrittsbesuch in diesem öden Hochhaus am Mittellandkanal mit den Worten begrüßte: Mit manchen von Ihnen werde ich arbeiten können, mit vielen nicht.
Ausgepresste Zulieferer
Qualität steigern und Kosten sparen: Das klang für viele wie die versuchte Quadratur des Kreises, doch Piëch bekam die Kurve tatsächlich. Nicht zuletzt mithilfe seines neuen Einkaufsvorstandes José Ignacio López, den er mit sieben Mitarbeitern – Krieger nannten die sich, und merkwürdige Armreifen trugen sie – von General Motors abwarb. Die räumten auf, drückten die Preise der Zulieferer, bis Blut kam. Und zeitgleich entwickelten die Ingenieure unter den strengen Augen des Herrn Piëch, der bei seinem ersten IAA-Auftritt von Krieg und der Gefahr der Niederlage sprach, den wegweisenden Kuppeldach-Passat B5 (Premiere 1996) und den besten Golf aller Zeiten.
Den Vierer also. Der Legende nach triezte Piëch seine Ingenieure bis zum Wimmern. Möglichst schmal sollten die Karosseriefugen verlaufen, denn so würde dem Käufer unbewusst das Gefühl vermittelt, dass alles an dem Auto so penibel konstruiert sei wie bei keinem Konkurrenten. Und auf Wunsch des Herrn Piëch seien die Instrumente mit den roten Nadeln blau beleuchtet, wurde kolportiert. Denn diese Kombination habe es auch in den Cockpits englischer Weltkrieg-II-Flugzeuge gegeben – mit bekanntem Ausgang. Bizarr anmutende Versuche der Presse- arbeiter waren das, den so schwer fassbaren Menschen als manischen Ingenieur zu positionieren (der er natürlich ohne Zweifel war).
So kam der Golf IV also 1997 in den Handel und bürstete in der Folgezeit in Vergleichstests die Konkurrenz regelmäßig ab. Ein gutes Auto, ohne Frage, das gegenüber dem Vorgänger markanter auftrat mit Freiflächenreflektoren in den Scheinwerfern, einer klareren Designsprache bis zur gewohnt stämmigen C-Säule und großen Radhäusern für bis zu 16 Zoll messende Räder. Länge plus 13 Zentimeter, Breite plus drei, Radstand plus vier: Der mit dem Audi A3 und dem Beetle technisch eng verwandte Vierer war erwachsener als der Dreier, bot vor allem auf den komfortablen Rücksitzen spürbar mehr Platz und ließ auch bei näherer Betrachtung nicht nach: hochwertige, meist aufgeschäumte Kunststoffe im Innenraum, sorgfältige Verarbeitung und für diese Klasse ungewöhnliche Ausstattungsfeatures wie serienmäßige Sidebags, Klimaautomatik oder ein von Blaupunkt geliefertes Navigationssystem. Oha.
Mängel der ersten Jahre
Exemplare aus den ersten Produktionsmonaten zeigten sich später dann nicht immer mängelfrei. Wacklige Armlehnen, Späne im Getriebe, streikende Fensterheber durch gebrochene Plastikteile der Scheibenführung oder schlicht aus dem Armaturenbrett fallende Schalter zeigten, dass die Qualität der Produktion nicht auf demselben hohen Niveau war wie die Qualität der Ingenieursarbeit. Unschön auch der Hang der 1,4-Liter-Vierventilbenziner, bei starkem Frost wegen mangelhafter Kurbelgehäuse-Entlüftung Eis im Motoröl zu bilden und dadurch einen kapitalen Motorschaden zu erleiden. Volkswagen rüstete daher alle 1,4er ab Ende 2000 mit einer beheizbaren Kurbelgehäuse-Entlüftung aus und rüstete dieses System kostenlos nach.
Nichts zu meckern gibt es dagegen beim Thema Rost. Vollverzinkte Bleche schützen den Golf IV sehr nachhaltig vor Korrosion, sofern ein Blechschaden kundig instand gesetzt wurde. Lediglich die Heckklappe sollte man genau unter die Lupe nehmen. Denn nicht selten löste sich irgendwann mal der Schlauch der Heckscheibenwaschanlage und das Wasser lief erst einmal unbemerkt in die Heckklappe, wo es im Stillen wirken konnte.
Große Motorenvielfalt
Durch das lange Leben des Golf IV ziehen sich seit Verkaufsstart die Ausstattungslevel Trendline, Comfortline, Highline und, tja – GTI. Was einst als sportliches Sondermodell mit nur einem Motor gestartet war, gliederte sich beim Vierer als Ausstattungslinie ins Programm ein, die mit diversen Motoren kombinierbar war. So gab es den GTI nicht nur mit dem 1,8-Liter-Fünfventil-Turbo (150 PS), sondern auch mit dem wunderbar rauchig klingenden Fünfzylinder des 2.3 V5 und sogar als Turbodiesel.
Außer diesen Triebwerken gab es zu Beginn auch den erwähnten 1.4 16V, einen 1,6-Liter-Benziner mit 101 PS, einen etwas brummig laufenden 1,8-Liter-Sauger mit 125 PS (auch als 4Motion). Den löste 1999 der etwas kultiviertere 2.0 mit 115 PS ab. Und ja – drei Diesel gab’s zum Start: 68-PS-Sauger, 90- und 110-PS-TDI. Speziell die TDI, die später auch mit bis zu 150 PS angeboten wurden, sind für hohe Laufleistungen gut. Ganz dauerhaltbar sind ihre hochbelasteten Pumpe-Düse-Elemente zwar nicht, doch wenn der Zahnriemen nicht reißt, können sie wirklich alt werden. Ihr größter Feind sind momentan eher die Dieselrestriktionen in den Zeiten nach dem Schummeldiesel-Skandal.
Schwache Zündspulen
Die Benziner sind da interessanter, vor allem die später nachgeschobenen 1.6-FSI-Direkteinspritzer. Nach dem Start rasseln sie zwar kurz, doch dann erfreuen sie mit guter Gasannahme, spritzigem Hochdrehen und geringem Verbrauch. Größte Schwäche dieser Motoren sind die Zündspulen. Sie fallen im Alter gern einmal aus, was einen Zylinder stilllegt und zu Fehlermeldungen in der Multifunktionsanzeige führt.
Bleibt die dunkel, muss gleich die ganze Instrumentenkombi getauscht werden – ein teureres Vergnügen jedenfalls als der Wechsel der FSI-Zündspule. Dass der häufiger fällig ist, zeigt schon der Umstand, dass die Gelben Engel vom ADAC sie stets an Bord haben. Der Wechsel dauert nur wenige Minuten. Teurer wird es wieder, wenn die Zentralverriegelung spinnt. Dann ist meistens das Steuergerät hinüber.
Variant, R32 und Cabrio
Das bis hier Gesagte gilt im Grunde auch für den Variant, der 1999 mit Pomp in Berlin vorgestellt wurde – ganz oben in einem Hochhaus-Rohbau am Potsdamer Platz. Da hatte Piëch den Konzern wieder auf Linie gebracht und man zeigte gern, dass es VW gut ging.
Wie die Limousine, die mit kommoden Sitzen, verbindlicher Federung und sicherem Fahrverhalten gefiel, trägt heutzutage auch der Variant meist Gebrauchsspuren. Dank der soliden Bauweise und der guten Mate- rialqualität steht ein halbwegs gepflegter Golf aber heute besser da als viele Wettbewerber gleichen Baujahres. Richtig gute Autos gibt es auch noch, und wenn möglich, sollte man Exemplare ab Baujahr 1999 kaufen. Denn da kam das ESP in den Golf – erst gegen Aufpreis, ab Herbst 1999 dann serienmäßig.
Schon 1998 schickte VW das Cabrio (Benziner von 75 bis 115 PS, TDI mit 90 und 110 PS) ins Rennen, das unter dem auf Golf IV umgestrickten Blech ein Dreier-Golf war. Kein schlechter Kauf, doch wenn Erdbeerkörbchen, dann lieber den Einser. Etwas Power gefällig? 2002 kam der R32, der mit 3,2-Liter-V6 und serienmäßigem Allradantrieb, später dann auch mit optionalem Doppelkupplungsgetriebe zeigte, wo der Hammer hing.
Sein Motor bollert noch elektrisierender aus den zwei Endrohren als der 2,3-Liter-Fünfender, der 2000 durch Umstellung auf vier Ventile pro Zylinder von 150 auf 170 PS erstarkte. Knapp ein Jahr später pushte VW den 1.8 T dann von 150 auf 180 PS – er wurde ein dankbares Opfer vieler Chip-Tuner.
Doch heute, wo Downsizing und Turboaufladung angesagt sind, haben die großen Sauger einen hohen Reiz. Wenn’s kein R32 sein kann, wäre der 2.8 V6 mit 204 PS eine reizvolle Option. Sechs Zylinder in der Kompaktklasse – das bleibt ein Pfund. Wie beim V5 auf Steuerkettenrasseln achten und ansonsten genießen. Passt schon.
Preise
Gute Golf IV kosten 3.000 Euro plus x. Ob Limousine oder Variant, ist da im Grunde egal. Günstig: der charmante, aber durstige 2.8-V6. Stramm gepreist: gute Cabriolets. Abgehoben: der R32.
Ersatzteile
Der Wechsel der FSI-Zündspule ist häufiger fällig, die gelben Engel vom ADAC haben sie somit stets mit an Bord.
Schwachpunkte
- Zündspulen (FSI, 1.8 T, V5, VR6)
- Hinterachslager
- Pumpe-Düse-Element
- eingelaufene Nockenwellen
- Rost an Heckklappe
- Zentralveriegelung
- elektr. Fensterheber
- Getriebe/Schaltung (1.4 und 1.6)
- Kurbelgehäuse-Entlüftung (1.4)
- Vorderachsstabilisator
- Multifunktionsanzeige
- Steuerkette (VR6)