Golf I Cabriolet (1979 bis 1993)
Dieses Erdbeerkörbchen hat immer Saison
Lange her, dass VW das Käfer Cabrio mit einem offenen Golf in Rente schickte. Heute ist das Golf I Cabriolet selbst ein Klassiker, der sich zudem als Viersitzer für den Alltag eignet und mit günstigem Unterhalt Einsteiger lockt. Mit Recht?
Er hatte es zu Anfang alles andere als leicht, der offene Golf. Da sollte er eine Legende ablösen, eine Ikone, einen Unberührbaren, einen Sympathieträger, das bis dahin auf dem Weltmarkt erfolgreichste offene Auto: das Käfer Cabriolet. Und dann hatten sie da diesen Henkel drangemacht, über den sich so leicht spotten ließ. Nicht nur das. Sie bauten den offenen Käfer weiter, obwohl er, der offene Golf, schon da war.
Käfer-Fans gab VW eine Schonfrist
Fünf Jahre war der Golf als eine Art Thronfolger für den Käfer in Produktion, bis auch beim Cabriolet ein Wechsel anstand, der mehr ein gleitender Übergang war, denn bis Anfang 1980 sollte auch das Käfer Cabriolet noch gebaut werden. Schon Ende 1976 war ein Cabrio auf Golf-Basis als Prototyp vorgestellt worden, bis zur Auslieferung der Serie dauerte es da allerdings noch über zwei Jahre. War der Überrollbügel zunächst das, woran sich viele stießen, setzte er bald einen Standard: Andere Hersteller realisierten später Cabrios gleicher Bauweise.
Das auch, weil sich der offene Golf, zeitweise einzige viersitzige Offen-Alternative zu Exoten wie dem Rolls-Royce Corniche, extrem gut verkaufte, in den ersten zehn Jahren über eine Viertelmillion Mal. Mit ein Grund für VW, am Golf I als Basis für das Cabrio festzuhalten, als der Kompakte 1983 in die zweite Generation ging. Von der bekam das Cabrio im Folgejahr das Instrumentenbrett und den größeren Tank. Ab 1992 gab es auf Wunsch einen Fahrerairbag.
Zuverlässig, unkapriziös, geringe Kosten
Großserientechnik als Basis eines über Farb- und Ausstattungsvarianten endlos zu individualisierenden Cabrios – das ist eines der Erfolgsrezepte des offenen 1er-Golf. Weil die Großserientechnik eben nicht nur auf der einen Seite reizlos scheint, sondern auf der anderen vor allem zuverlässig und unkapriziös ist. Das verträgt sich bestens mit dem Golf-Anspruch, einen hohen Gebrauchswert bei geringem Wartungsaufwand zu bieten. Auch als Klassiker erfüllt das Golf Cabrio diesen Anspruch, weil die Teileversorgung passt und die Wartungs- und Pflegekosten überschaubar sind.
Keiner der Vierzylinder im Golf I Cabrio ist eine Finger-weg-Variante. Die Motoren bringen hohe Laufleistungen bei moderaten Wartungskosten. Es gibt 1,5- sowie in mehreren Ausführungen 1,6- und 1,8-Liter. Während bei den beiden Motoren der frühen Jahre – 70 und 110 PS – regelmäßig eine Kontrolle des Ventilspiels ansteht, entfällt das bei den Motoren ab August 1985, beim 1,6-Liter mit 95 PS ab Mitte 1987 der Hydrostößel wegen. Alle Antriebe vertragen E10 – im Prinzip. Aber bei längeren Standzeiten kann der moderne Kraftstoff zum Problem werden, speziell für die Einspritzer, bei denen Düsen und Mengenteiler dann verharzen können.
Luftgekühlt ist der Fahrer, nicht der Motor
Das Cabrio ist der Golf, in dem das luftgekühlte Fahren weitergeht. So etwa hat VW das einst werblich formuliert. Ansonsten freilich fährt sich der Golf so ganz und gar nicht wie sein Vorgänger Käfer, sondern eher wie die konstruktiven Verwandten Passat und Scirocco. Sie alle schieben nicht mehr, sie ziehen, aber sie ziehen gut, lenken leichtfüßig und spuren völlig unauffällig-sicher leicht untersteuernd. Geschlossen dank Vierlagenverdeck ruhig und auch für längere Autobahnetappen nicht ungeeignet.
Es wird so langsam. Immerhin sind mittlerweile nur noch die letzten Jahrgänge des offenen 1er-Golf zu jung fürs H-Kennzeichen. Das ist die eine Seite. Die andere: Die älteren Baujahre tragen es längst, ohne dafür schief angesehen zu werden; das Ansehen des Golf I Cabriolets hat sich über die vergangenen 15 Jahre – zuvor waren Preise und Wertschätzung gleichermaßen im Keller –deutlich gewandelt. Heute sind es nur noch verbastelte Exemplare, die den Klassikerstatus des Golf infrage stellen. Die erste Generation hat sich längst davon emanzipiert, "nur" der Nachfolger des Käfer zu sein.
Karosserie-Check
Rost? Erfreulich wenig. Schon ab 1980 ist das Blech des offenen Golf gegen Korrosion ganz gut geschützt. Noch mal besser wird die Vorsorge ab 1986. Dennoch gibt es neuralgische Stellen. Einige Schwachstellen teilt sich das Cabrio mit dem normalen Golf. Sie betreffen die Bereiche um die Radläufe. Gefährdet sind wie dieSchweller auch die hinteren Achsaufnahmen und der Rahmen der Windschutzscheibe, insbesondere wenn die Scheibe schon mal gewechselt wurde. Die Auflage des Verdecks auf dem Scheibenrahmen verdient einen genauen Blick, weil sich speziell in den Ecken und an den Verrie- gelungen Rost breitmacht. Auch der Scheibenrahmen hinten könnte undicht sein, Flecken am Innenhimmel des Verdecks sind Indizien. Befallen vom Rost sind im Motorraum häufig die Stehbleche wie die Federbeindome. Auch der Übergang von der Heckwand zur Reserveradmulde macht Probleme, so wie nicht selten der Tankeinfüllstutzen und das Tankrohr, das über die gesamte Länge rostet. Vor allem die Verdecke aus PVC reißen mit der Zeit an den Knickstellen. Es gibt unterdessen aber preisgünstigen Ersatz und unter www.golfcabriowiki.de auch eine Anleitung, wie der Verdeckbezug zu wechseln ist. Bei den elektrohydraulischen Verdecken sind die Zylinder und links im Kofferraum die Pumpe auf Dichtheit zu prüfen. Ersatz geht ins Geld.
Technik-Check
Mit hohen Laufleistungen neigen Motor und Getriebe zu Ölundichtigkeiten. Radlager und Achsmanschetten verschleißen, außerdem Traggelenke und Spurstangen. Nicht selten ölen die Stoßdämpfer oder sind ausgenuckelt. Auf Ölverlust ist auch zu achten, wenn das Auto über die ab 1984 angebotene Servolenkung verfügt. Deren Pumpe gibt gerne auch mal den Geist auf, so wie an der K-Jetronic der Kraftstoff-Druckspeicher im Alter von einer rissigen Membran geplagt wird. Ein warm gefahrenes Auto weigert sich dann nach etwa einer halben Stunde Standzeit, wieder zu starten, während die Motoren mit Pierburg-Vergasern unter deren Einstellsensibilität leiden können. Auch eine schlecht eingestellte Zündung ist nicht selten. Weiteres Problem: Die Wasserflansche der Kühlung werden rissig, Kühlwasser tritt aus. Hitzeprobleme deuten allerdings eher auf einen defekten Thermoschalter.
Preise
Vor 15 Jahren hätten rund 5000 Euro gereicht, um sich aus großer Auswahl ein wirklich gutes Golf I Cabrio zu kaufen. Nur Spitzenautos mit Topausstattung kosteten mehr. Inzwischen definiert das Niveau von 4000 bis 6000 Euro die Mitte des starken Angebots. Offerten unter 2000 Euro erfordern Optimismus oder Leidensfähigkeit, Preise im fünfstelligen Bereich sind für gepflegte Exemplare aus erster oder zweiter Hand längst die Regel.
- Bei Einführung 1979:
- 17.500 Mark
- Bei Produktionsende 1993:
- 37.150 Mark
Ersatzteile
Engpässe gibt es kaum. Vieles ist über VW Classic Parts zu beziehen (www.volkswagen-classic-parts.de). Das nach der Karmann-Insolvenz gegründete Cabrio Zentrum Osnabrück (www.cabriozentrum.de) hat für Verdecke und Innenausstattungen ein breites Angebot. Bei Problemen mit Vergaser und Einspritzung hilft www.carservice-bliersbach.de, Handel mit Teilen betreibt auch die Werner Fahrzeugtechnik GmbH (www.wft-web.de). In der Schweiz ist die Garage H. J. Lüthi (www.garage-hjluethi.ch) auch für Komplettfahrzeuge eine gute Anlaufstelle. Schwierig zu finden sind in der Regel spezielle Ausstattungsteile der Sondermodelle.
Schwachpunkte
- Radläufe/Kotflügel
- Schweller/Türen
- Stehbleche/Federbeindome
- Scheibenrahmen
- Achsaufnahmen
- Originalität
- Stoßfänger
- Verdeck
- Wartung
- Antriebswellen
Wertungen
Fazit
Darf es ein spätes Modell sein, eins nach dem Facelift, das 1988 die Kunststoffstoßfänger in Wagenfarbe brachte? Es darf. Denn dessen Optik transportiert vielleicht sogar besser den Stil und die Vibes der 1980er und frühen 1990er, als es die frühen Cabrios des Golf I mit ihrem zierlicheren Erscheinungsbild können. Motorseitig führt die Präferenz dann schnell zum 1,8-Liter-Digifant-Motor, Kennung 2H, mit 98 PS. Am liebsten in einem normalen, nicht einem Sondermodell, Schaltgetriebe, keine Servolenkung. Und niemals: tiefer und breiter.