VW Bulli T2 Bus 2.0 L im Test
Mit dem Silberfisch auf großer Jubiläumsfahrt
1967 startete die zweite Generation des VW Bulli. So ein 50. wäre schon ein Anlass, einen T2 Bus L in unserer Reihe „Der Alte im Test“ nochmal zu feiern. Aber ganz ehrlich: Wir wollten nur mal wieder mit dem nettesten aller Bullis fahren.
18.06.2017 Sebastian RenzEin Berg ist erst ein echter Berg, wenn du ihn erklimmst. Denke ich mir und starte die Suche nach dem zweiten Gang. Dabei bleibt viel Zeit, zu überlegen, ob es den Berg in seinem Bergsein wirklich zurückwürfe, führe ich über die A 8 um ihn drumrum. Andererseits ist ja immer irgendwo Berg. Schließlich steht der Schwarzwald mit Buntsandstein-, Gneis- und Granithöhen in 6.000 Quadratkilometern Gegend herum.
Da purzelt der zweite Gang aus seinem Versteck im hintersten Winkel der Schaltgasse. Der T2 reckt den Bug, knickst mit dem Heck, boxert der Zuflucht entgegen – über die 18 Prozent Steigung der Oppenauer Steige. Es ist ein Unternehmen, das mit kühnem Mut und aufgekurbeltem Schiebedach angegangen wird. Ein Berg ist erst ein echter Berg und so, denke ich – und kurz, dass man sich gern in den größten Schlamassel bringt, wenn schon alles erledigt ist. Dann fächelt der Wind durchs Schiebedach und fegt die Gedanken davon.
Luftgekühlter Boxer aus dem VW-Porsche 914
Nun, da schroffe Felsen durchs Dach lugen, ist ein passender Moment für das Stilmittel des Cliffhangers, eines Rückblicks, wie wir hierherkommen konnten. Da es sich zum Ritual entwickelt hat, wollen wir zunächst erzählen, welche unfassbaren Mühen es kostete, den Testwagen zu bekommen. Wir sind wegen einer anderen Geschichte bei den VW Nutzis in Hannover und fragen dezent, ob es irgendeinen Bus für einen Test geben könne.
Die Jungs von VW Nutzfahrzeuge Oldtimer sagen: „Hm, mal schauen.“ Dann schubsen sie das Tor zu einer Halle in der Größe eines Stadions auf, randvoll geparkt mit Bussen, T1, T2, T3, T4, T5, und meinen: „Seht mal nach, ob da vielleicht was Passendes für euch dabei ist.“ Also suchen wir uns was Passendes aus – 70 Jahre nachdem der niederländische VW-Importeur Ben Pon die Idee zum Bulli T1 niederkritzelte, und 50 Jahre nach dem Start der zweiten Generation, des T2. Dem schenken wir den Test zum Fest.
Ein paar Tage später reist der VW T2 Bus L Sondermodell an, bekannt als Silberfisch. Er kommt 1978 als Abschiedsmodell des T2 mit dem luftgekühlten Zweiliter-Boxer hintendrin, Stahlschiebedach obendrauf und silberfarben drumrum. Schauen wir gleich mal durch das Motortürchen rein bei dem Boxer. Der startete mit 1,7 Litern im VW 411, die Porsche-Techniker toupierten ihn mit Einspritzung, höherer Verdichtung und 300 Kubik mehr Volumen für den VW-Porsche 914 auf 100 PS. Im T2 drosseln ihn Zweivergaseranlage (zwei Solex 43 PDSIT, um die Menge an unnützem Wissen etwas zu vergrößern) und die Auslegung auf Normalbenzin auf besonnene 70 PS.
Jetzt mal reinklettern. Einen Meter über der Straße und direkt über der Vorderachse positioniert der T2 die Cockpit-Besatzung, das maximiert den Raum. Ein aktueller Golf Variant ist einen Daumen breit länger und breiter als der T2. Der aber hat Platz für bis zu neun Personen, 1.000 Liter Gepäck, wuchtet 871 kg Zuladung. Ein nicht ganz unerheblicher Nachteil des Frontlenker-Layouts, das VW erst 1990 beim T4 aufgab, besteht jedoch darin, dass Pilot und Co. beim Frontalcrash geradezu integraler Bestandteil der Knautschzone sind.
Bald lässt du den T2 einfach fahren
Wobei es der T2 selbst mit 70-PS-Boxer kaum rechtzeitig zu einem Unfall schafft. Die Nacht liegt noch schwer über dem Land, als wir aufbrechen. Der Ruf des Boxers hallt durch die Tiefgarage, dann tuckert der Bulli im ersten Gang zum Rolltor hoch, das da schon wieder runterrattert. Wo ist dieser zweite Gang?
Einen halben Tag wird es dauern, bis wir den Zweiten über diesen mikadohaften Schalthebel, der drei Meter Schaltgestänge dirigiert, immer reingestochert bekommen. Weil der Motor so elastisch zieht (zwischen 1.300 und 3.800 Touren hat er immer mindestens 125 Nm beisammen), drückt er tapfer im dritten Gang voran. So erreichen wir die Autobahn, wo der kleine Bus den zäh fließenden Pendlerverkehr vor sich hertreibt, aber nie ganz erreicht. Ab 100 km/h ermattet seine Kraft, auch weil so ein T2 mit drei Quadratmetern Stirnfläche ein großes Loch in den Fahrwind schlägt.
Aber, ach, ist das nett hier oben im Bulli. Laute Windgeräusche bei höheren Geschwindigkeiten entfallen aus Mangel an höheren Geschwindigkeiten. Und wie er federn kann, der Bus, mit seiner weichen Abstimmung. Über Unebenheiten nickt er mit der Vorderachse sacht hinweg, bügelt sie auch an der Hinterachse sanft aus. Allerdings ist er mit hohen Flanken und dem schweren Motor im Heck ein Seitenwindsensibelchen.
Er tändelt auf der Bahn mal hier-, mal da-, dann wieder dorthin. Zunächst versuchst du, das mit Lenkkorrekturen auszugleichen. Was unter anderem nicht gelingt, weil die Steuerung unfassbar unpräzise, schwergängig und indirekt herumrudert, sich noch darin gefällt, Spurhalten mit einer viertel Umdrehung Spiel zu erschweren. Bald lässt du den T2 einfach fahren. Nach 150 km waren wir immer auf der richtigen Spur – also zumindest aufs Mittel gerechnet.
Reise in Richtung 100 km/h
Nun also Lahr, Einsteinallee: tanken – durchaus viel beim Testverbrauch von 12,8 l/100 km. Aber so langsam, wie der Bus fährt, hat man lange was davon. Waschen, rüber zur Teststrecke. Wiegen: 1.379 kg – Balance 573 vorn, 806 hinten. Den sperrigen Wendekreis messen (13,1 m rechts-, 12,7 linksrum). Messgerät rein, und raus auf die 2,4 Kilometer lange Gerade. Erst erheben wir erhebliche Innengeräusch-Messwerte. Nachdem die Bremsanlage den Bus mit Scheiben vorn, Trommeln hinten und Altersmilde binnen 47,5 Metern von Tempo 100 zum Stillstand besänftigt hat, steht die Beschleunigungsmessung an.
Die Hinterräder verbeißen sich in den Asphalt, ja es scheint, als könne sich der Bus kaum losreißen. Dann aber macht er sich doch auf zu einer Reise in Richtung 100 km/h. Dabei ziehen ein paar Hangars langsam an uns vorbei, wir sehen, wie sich das Gras der Seitenbegrünung sacht im Frühlingswind wiegt und eine Schar Gänse sich erhaben den Wolken entgegenschwingt. Kurz vor Mittag erblicken wir am Horizont das Ende der Geraden. Bald darauf flimmert die 100er-Marke im Messgerät auf. Von nun an kramt der Bus seinen Geschwindigkeitszuwachs zehntelweise zusammen. Das Erreichen des 120-km/h-Werts fällt mit dem letzt- möglichen Bremspunkt zusammen.
Geschafft, wohlan zur Fahrdynamik: Slalom und Spurwechsel. Der erste Slalomversuch gelingt nur unvollkommen. Denn so ein Lenkimpuls fährt dem T2 zunächst in die weichen Federn und Dämpfer, spät erst gelangt er von dort an die Räder, die daraufhin erwägen, eine andere Richtung einzuschlagen. Bis der kleine Bus einlenkt, ist der Slalom vorbei.
Lebe hoch, kleiner Bus
Beim zweiten Mal klappt es besser, und dann gelingt es dem T2 gar, geradezu gleichzeitig zu unter- und übersteuern: Die Vorderräder schubbern noch geradeaus, während das Heck schon drängt. Doch, es gibt viel zu erleben, wenn so ein Kasten mit 50,3 km/h durch den Slalom spaziert. Den doppelten Spurwechsel, der ein Ausweichmanöver bei Autobahntempo simuliert, schafft der Bus mit 99,7 km/h, was ja seinem wahren Dauertempo-Potenzial entspricht.
Aber der T2 fühlt sich nie langsam an oder wie ein richtig altes Auto. Über Land ist er mit etwas Ehrgeiz ebenso schnell gefahren wie neue Autos, in der Stadt erstaunlich handlich und überhaupt ganz unzickig. Auch nun, da die Steige vor ihm aufragt. Der Motor drückt ihn die erste steile Rampe empor, dreht hoch. Dritter Gang. Der bleibt die nächsten sechs Kilometer drin. Derweil windet sich die Strecke an der Bergflanke entlang empor, rechts jähe Abgründe, links hohe Tannen.
Die Straße wird eng, steil, rumpelig, aber der Bulli drängt tapfer voran, taucht weiter und weiter aus dem Wald heraus, mit jedem Meter weitet sich der Horizont. Oben halten wir auf dem Parkplatz. Unten liegt das Land, und wie stolz das aussieht, der kleine Bus auf dem hohen Gipfel. Ein Berg ist erst ein echter Berg, wenn du ihn erklimmst. Und ein Auto ist erst ein großes Auto, wenn es dich nicht nur einfach nach Hause, sondern immer wieder zum Staunen bringt. Lebe hoch, kleiner Bus.
Vor- und Nachteile
- ein Lebensmittelpunkt auf 7,8 m² mit Platz für bis zu acht Mitfahrer, die gerade im Kindesalter geschickt außerhalb gegenseitiger Reichweite platziert werden können
- kleine Heckklappe vereitelt es, zu schweres Gepäck hochwuchten zu müssen
- Motor wärmt das Gepäck
- das "Schschschahabong" der Schiebetür
- außergewöhnlich komfortable Federung
- Windgeräusche, die erst bei hohem Tempo auftreten, sind nicht das Problem
- herausfordernde Lenkkräfte festigen die Armmuskulatur
- sehr elastischer Boxer
- vier gut gestufte Gänge...
- ...wenn man sie je findet
- faszinierend indirekte Lenkung
- im Slalom gelingt gleichzeitiges Über- und Untersteuern
- Seitenneigung macht schon niedriges Tempo erlebbar
- zweckmäßige Bremsen
- Tatsache, dass Fahrerknie die Knautschzone sind, mahnt zu vorsichtiger Fahrweise
- lässt sich in ihrer ganzen Pracht durch Fenster und das Schiebedach bewundern
- günstiger Pro-Passagier-Verbrauch
- sollten unter Freunden doch nicht so wichtig sein
- T2 wird wertvoller (für Besitzer)
- T2 wird teurer (für Käufer)