Volvo V70 2.4 20V

Alf kauft 'nen Kombi für unter 800 Euro

Kiesplatz-Experte Alf Cremers sucht einen billigen Fünfzylinder und findet einen V70, den er trotz hoher Laufleistung gleich mitnimmt.

Volvo V70 2.4 20V (1999) Foto: K.-H. Augustin 13 Bilder

Zehn Jahre nach meinem Audi 200 Quattro will ich mich wieder am rauchig-herben Fünfzylinder-Sound erfreuen. Also nutze ich die momentan billigste Möglichkeit, ein solch klangvolles Triebwerk zu erwerben. Für 798 Euro nehme ich den gepflegten Volvo V70 trotz seiner 359.330 Kilometer gleich mit.

Autokauf ist wie Urlaub

Volvo V70 2.4 20V (1999) Foto: K.-H. Augustin
Andere fahren in Urlaub, Alf kauft stattdessen einen günstigen Fünfzylinder.

Andere fahren weit weg in Urlaub, ich gönne mir für das Geld stattdessen spaßeshalber mal wieder einen „neuen“ Youngtimer. Mit ihm möchte ich die Ferien in Bayern verbringen. Da wäre ein Kombi praktisch, am besten ein Volvo, denn der gilt nun einmal als Inbegriff des Kombinationskraftwagens. Er hält lange, ist kaum rostanfällig und weckt in mir jene Sympathie, ohne die der unvernünftige Kauf einfach nicht funktioniert. Auto und Urlaubsland liegen bei mir vor der Haustür, denn ich wohne an der Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg, und in meiner Kleinstadt parkt ganz weit hinter dem hohen Zaun des Gebrauchtwagenhandels Stop Automobile ein leuchtend roter Volvo 850 oder V70. Einige Wochen gelang es mir, den Wagen erfolgreich auszublenden, jetzt habe ich Lust darauf und will ihn mir näher ansehen.

Fünf Zylinder, vier Gänge, 170 PS

Volvo V70 2.4 20V (1999) Foto: K.-H. Augustin
Der V70 lockt mit Lack in Granat Red. Das Interieur schreckt eher ab.

„Stop“ bedeutet für mich „Go!“. Denn der Volvo-Kombi entpuppt sich auf dem Kiesplatz als später V70 der ersten Serie in der wunderbaren Farbe Garnet Red, also Granatrot-Metallic. Er lockt mit dem starken 170-PS-Fünfzylinder-Sauger, der sein üppiges Durchzugsvermögen über eine von mir ausdrücklich gewünschte Viergangautomatik an die Vorderräder abgibt. Er wirbt noch mit einem Rest-TÜV von drei Monaten, und die Laufleistung beträgt stolze 359 330 km. Dafür sieht der Wagen sehr gepflegt aus – okay, es gibt ein paar Schrammen, ein Rostgeschwür über dem Kühlergrill mit dem hübschen blauen Volvo-Emblem und einen übel geflickten Heckwischerarm.

Auf dem akkurat ausgedruckten Preisschild steht am Ende einer überschaubaren Liste der Extras – „vier Winterräder auf Alus, Tempomat, AHK, Original-Radio“ – mit dickem Edding-Stift geschrieben: „798 Euro“. Ein Preis, der mich so euphorisch macht wie ein Adrenalinschub. Jetzt nur die Nerven behalten, brav nach dem Schlüssel fragen und die Checkliste im leider nicht mehr kühlen Kopf sorgfältig durchgehen. Michael Huste, der mehr als freundliche Inhaber von Stop Automobile, überreicht mir tief entspannt den Schlüssel und gibt mir zum Probieren und Beschnuppern alle Zeit der Welt.

Erst mal das Öl checken

Volvo V70 2.4 20V (1999) Foto: K.-H. Augustin
Der Ölstand stimmt, Flüssigkeiten und Zahnriemen des Rest-TÜV-Volvo sind frisch genug für eine sorgenfreie Tour über Land.

Also erst mal Motorhaube öffnen. Motoröl, Öldeckel und Kühlwasser sehen bestens aus. Keine Spur von einer wunden Zylinderkopfdichtung, dem von mir gefürchteten Horrorszenario in meinen spannenden Billigauto-Krimis. Den letzten Zahnriemenwechsel erfuhr der Volvo V70 laut Conti-Tech-Aufkleber im November 2012 bei 253.056 km, auch das beruhigt. Im Motorraum tauchen noch ein paar Ölwechselaufkleber auf, später lese ich in der erfreulich kompletten Servicemappe von vielen Kundendiensten und von vier Vorbesitzern.

Innen ist der Volvo nicht ganz so schön, fiese, abgewetzte Lammfell-Schonbezüge kleistern das beige Velours der Vordersitze zu. Unter einem strumpfartigen Überzieher kommt eine abgewetzte Armlehne zum Vorschein, aber sonst wirkt alles gleichermaßen funktionell wie behaglich mit den feinen Edelholz-Applikationen auf der Mittelkonsole, wo der Christophorus fehlt, den ich unbedingt nachrüsten will.

Läuft gut, innen sauber!

Volvo V70 2.4 20V (1999) Foto: K.-H. Augustin
Komfortable Ausstattung: Klimaanlage, Original-Radio, Automatik.

Zwei störungsfreie Runden ohne Hydrostößel-Geklapper über den großen Kiesplatz überzeugen mich vollends von dem schönen V70. Der Fünfzylinder grummelt mit herber Whisky-Stimme aufgewühlt vor sich hin. Rasch hüpfe ich in den Büro-Container, zähle 800 Euro vor und unterschreibe. Erste Schritte zur Individualisierung unter neuer Halterflagge werden noch vor Ort unternommen: Weg mit den albernen Rollos an der Heckscheibe, das billige Nylon-Hundegitter fliegt auch raus, und vor allem landen die unhygienischen Staubfänger-Lammfelle schließlich mit Verve im Gelben Sack. Fort mit dem fiesen Zeug! So, jetzt noch waschen und staubsaugen, und mein strahlend sonniger Urlaubstag im glänzenden „neuen“ Wagen kann beginnen. Unterwegs besorge ich im Autoteileladen Stahlgruber noch ein neues Heckwischerblatt und eine große Dose Metallic-Lackspray Rot von Dupli-Color, das tatsächlich verdammt nahe am Volvo-Farbton Garnet Red 428 liegt. Nach dem Volltanken an einer OMV-Station lacht mich Paul an, ein quietschgrüner Plüschfrosch, der die Tristesse aus meinen monochrom beigen Polstern treiben soll. Dazu gibt es noch den Wunderbaum „Kokosnuss“ von der Tanke. Diesmal ist er nicht nur unverzichtbares Stilmittel des unvernünftigen Kaufs, sondern hat auch die handfeste Aufgabe, meinem Kombi die unangenehm rauchige Duftnote „Kalter Samson“ auszutreiben.

Temperatur ok, Motorleuchte glimmt

Volvo V70 2.4 20V (1999) Foto: K.-H. Augustin
Der Volvo läuft gut.

Bislang bin ich auf den Boulevards der Donau-Großstadt Ulm über 70 km/h in der vierten Fahrstufe nicht hinausgekommen. Die Temperatur bleibt trotz Sommerhitze auch beim Ampelstau im grünen Bereich. Doch nun gibt es kein Halten mehr, raus auf die Landstraßen des Flächenstaats Bayern. Etappenziel sind die Westlichen Wälder bei Augsburg, dann geht es ins Donauried und hinter Ingolstadt durchs Altmühltal über das Nördlinger Ries entlang der Brenz wieder zurück. Ich habe volles Vertrauen zu meinem neuen Fünfzylinder in Kastenform. Selbst die permanent glimmende Kontrollleuchte für die Motorsteuerung vermag mir meine entspannte Reiselaune nicht zu nehmen. Vielleicht ist es nur die Lambdasonde oder man kann den Fehler ganz einfach auslesen.

Beim Fahren spüre ich jedenfalls keinerlei technische Disharmonie. Der aufwendig konstruierte Motor schnurrt zufrieden vor sich hin, die Automatik freut sich, dass sie früh und schonend in den höchsten Gang schalten darf. Tempo 120 auf der B 2 wird von Volvo und Fahrer als pure Entspannung verstanden. Wenn ich so lenke und denke, vermisse ich wenig an meinem V70, vielleicht Leder, eine Niveauregulierung oder am ehesten noch die Volvo-typischen Lampenwischer. Dieser feine Lidstrich unter den Scheinwerfern macht den kastig-naiv gezeichneten Wagen souveräner. Während ich so kontemplativ vor mich hinschnüre, fällt mir ein, dass ich mich vor ein paar Monaten vom Volvo-Dogma Kombi befreien wollte und ernsthaft nach einer S70 Limousine suchte. Das Angebot war mehr als überschaubar. Aber ich bleibe dran. Ein Pärchen wäre schön, weil die Autos nichts kosten – für mich sind sie von hohem, nachhaltigem Wert.

Freude am Verbrauchtwagen

Manuelles Zurückschalten lässt die Drehzahlmessernadel nach oben schnellen, und der Fünfzylinder wechselt vom sonoren Grummeln in dieses harte, heisere V8-Stakkato, für das wir ihn so lieben. Manchmal will ich es herausfordern, das macht echt Laune auf meiner zweiten Etappe zwischen Affing und Pöttmes. Auf der kurvigen und hügeligen Staatsstraße 2035 darf der Volvo zeigen, was in ihm steckt, klanglich und dynamisch. Richtig ab geht es stellenweise, und der Wagen scheint sich wohlzufühlen, wenn er nach langer Zeit gefordert wird. Es ist ein Wunder, wie er das mit seinen 359 431 km wegsteckt. Ich spüre nichts von der ausgeleierten Abgefundenheit eines 20 Jahre währenden Autolebens mit einer Laufleistung bis zum Mond. Kein Poltern in den Buchsen der verästelten Radaufhängungen, kein Flattern in der Lenkung ermahnt mich, das Gas wegzunehmen. Es ist die wahre Freude am Verbrauchtwagen, wie so oft bei meinen Low-Budget-Käufen.

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