Volvo 850 Gas-Turbinen-Hybrid-Prototyp
Technologieträger günstig versteigert
Auf Basis des 850 hat Volvo nur zwei Gas-Turbinen-Hybrid-Prototypen gebaut. Einer war jetzt Teil einer Auktion und ging für einen sehr niedrigen Preis weg.
08.02.2022 Gregor HebermehlSeit Ende der 1940er-Jahre experimentierten viel Autohersteller ernsthaft mit Turbinen-Antrieben. Der Höhepunkt dieser Anstrengungen war der Bau von 55 Chrysler-Turbinenautos zwischen 1963 und 1964. Das Turbine Car war Chrysler am Ende aber viel zu teuer für eine Großserien-Fertigung und auch der Verbrauch und der Stickoxid-Ausstoß der Turbine waren viel zu hoch. Volvo griff die Idee mit der Turbine aber wieder auf – als Basis für einen Hybridantrieb. Die Schweden haben zwei Volvo 850 Gas-Turbinen-Hybrid-Prototypen gebaut – einer kam jetzt beim Auktionshaus Bonhams in den Verkauf.
Druck aus Kalifornien
Dank seiner erst 2012 an den britischen GKN-Konzern verkauften Tochter Volvo Aero hatten die Schweden schon viel Erfahrung mit dem Bau von Turbinen gesammelt. Anfang der 1990er-Jahre wuchs der Druck auf die Autohersteller, den Spritkonsum ihrer Fahrzeuge mittels Hybrid-Technologie zu senken und somit umweltfreundlicher unterwegs zu sein – insbesondere verschärften sich auf dem wichtigen kalifornischen Markt permanent die Emissions-Vorschriften. Audi baute 1989 drei Prototypen des Audi duo auf Basis des Audi 100 C3 Typ 44. Bei diesen Hybriden kam die Kraft für die Vorderachse von einem 2,3-Liter-Fünfzylinder-Verbrennungsmotor, die Hinterachse versorgte bei Bedarf ein Gleichstrom-Motor. Der 1991 vorgestellte Audi 100 duo C4 konnte dann bereits rekuperieren, also Energie zurückgewinnen und in der Batterie speichern. Das erste hybridisierte Großserien-Modell brachte Toyota 1997 mit dem heute legendären und in der vierten Generation verkauften Prius auf den Markt.
Volvo reagiert mit Turbinen-Hybrid-Idee
Volvo mischte in dieser Aufbruchphase mit einem neuen ECC mit – ECC steht bei Volvo für Environmental Concept Car (Umweltstudie). Das erste ECC war ein kantiger Kleinwagen von 1977. Irgendwie an Ikea-Design erinnernd, war er rein elektrisch angetrieben. Dem neuen ECC von 1992 diente eine an einen Generator gekoppelte Gasturbine als Antrieb. Mit genau diesem Antrieb hat Volvo dann ein Jahr später auch zwei auf dem 850 basierende Prototypen ausgerüstet – und nur einer gelangte in private Hände. Die Gasturbine entwickelt maximal 96 PS, dauerhaft sind 77 PS möglich. An die Turbine ist ein Hochgeschwindigkeits-Generator (HSG: high-speed generator) gekoppelt, dessen Strom wiederum einen Elektromotor und eine Batterie speist. Die Antriebsmomente für die Räder kommen ausschließlich vom Elektromotor, eine mechanische Verbindung zur Turbine gibt es nicht.
Mit NiCd-Akku
Der Generator ist auch für den Start der Turbine zuständig, außerdem gelangt über ihn per Rekuperation auch wieder Energie zurück ins System. Die Batterie ist ein Nickel-Cadmium-Akkumulator (NiCd-Akku), der damals als fortschrittlich galt. Inzwischen ist der Verkauf von NiCd-Akkus EU-weit, mit wenigen Ausnahmen (für Notbeleuchtung, Alarmsysteme und medizinische Ausrüstung), verboten, um die technische Nutzung von als giftig geltendem Cadmium zurückzudrängen.
Serien-Innenraum mit Zusatzknöpfen
Die Instrumente des Turbinen-850 sind von denen des Serienmodells kaum zu unterscheiden – Volvo wollte den Prototyp im Innenraum so normal wie möglich erscheinen lassen. Die Automatik-Wahlhebel-Positionen sind die bekannten Einstellungen P, R, N, D und L. Allerdings rollt der Prototyp bei D nicht automatisch langsam los, sondern erst, wenn der Fahrer Gas gibt. Zudem kann dieser per Tastendruck zwischen den Energiequellen "elektrisch", "Hybrid" und "Gasturbine" wählen.
Turbine ungünstig im Teillastbereich
Gasturbinen gelten als leicht und technisch elegant. Den hohen Stickoxid-Ausstoß, mit dem Chrysler bei seinem Turbinenauto noch zu kämpfen hatte, haben die Volvo-Ingenieure durch ein Vorverdampfen des Kraftstoffs in den Griff bekommen. Aber das Problem mit dem hohen Verbrauch im Teillastbetrieb ist geblieben. Zudem hatten die kalifornischen Behörden schon damals Fahrzeuge im Blick, die lokal emissionsfrei unterwegs sind. Damit konnte der Turbinen-Hybrid-Volvo nur kurzzeitig im rein elektrischen Fahrmodus dienen – dann musste wieder die Turbine laufen, eine externe Nachlade-Möglichkeit für die Batterie (Plug-in) gab es nicht.
Verkauft zum Schnäppchenpreis
Aktuell hat der 29 Jahre alte Volvo 850 mit Turbinen-Hybridantrieb nur 4.000 Kilometer auf der Uhr. Gekauft hat ihn ein Italiener, der am Bau des Turbinen-Hybridantriebs beteiligt war. Der Preis ist mit 62.100 Euro ausgesprochen niedrig – Sammler zahlen beispielsweise für das berühmte Chrysler Turbine Car über eine Million Dollar.