Volvo 240 bis 264 (1974 bis 1993)
50 Jahre Volvo 240
Der Volvo 240 kam 1974 auf den Markt. Ein Auto, wie es schwedischer nicht geht. Warum ist das so? Und worauf ist beim Kauf zu achten?
08.11.2024 Heinrich LingnerViel schwedischer als hier, ein paar Kilometer außerhalb von Göteborg, kann es eigentlich nirgendwo aussehen: Meer, ein paar Inselchen mit roten oder gelben Holzhäusern drauf, im Wasser plätschern Boote vor sich hin, und die Sommersonne bequemt sich erst am späten Abend zum westlichen Horizont. So schwedisch wirkt es, dass – wie ein großartiger Kollege einmal schrieb – selbst das Hinzufügen eines alten Volvo kaum zu noch mehr Schwedenhaftigkeit beitrüge.
Wir probieren es dennoch und nehmen einen Volvo 242 in flammendem Orange mit auf die kurze Reise. Weil die Schweden ernste Angelegenheiten ernsthaft angehen, ist unser 242 so orange, wie er nur sein kann – nämlich nicht nur der Lack außen, sondern auch Sitzbezüge und Teppiche innen leuchten so undezent, als seien die Siebziger nur ein paar Wochen statt ein paar Jahrzehnte entfernt.
ABBA im UKW-Radio
Anders als seine Brüder 244 und 245 glänzt der 242 nicht so sehr durch praktische Qualitäten. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Zweitürer, anders als seine Limousinen- oder Kombi-Pendants, längst aus dem Straßenbild verschwunden ist. Sein einziger Vorzug ist die elegantere Seitenlinie, doch selbst das ist nur die persönliche Ansicht des Autors. Immerhin waren preisgünstigere zweitürige Versionen zu jener Zeit angesagt, es gab sie in ähnlicher Form ebenso als Audi 100, Ford Taunus oder Opel Rekord.
Der 242 war auf dem deutschen Markt sogar zeitweilig als Billigversion des 240ers mit kleinerem Hubraum und einfacherer Ausstattung als 242 L lieferbar, mit mäßigem Erfolg. Unser 242 DL ist etwas umfangreicher ausgestattet, beispielsweise mit einer Mittelarmlehne im Fond. Außerdem verfügt er über ein Radio, es empfängt auch nach 50 Jahren ein paar lokale Sender.
Einige davon spielen Musik, wir scrollen durch die UKW-Skala, die von 88 bis 108 MHz reicht. Vielleicht kommt ja was von ABBA. Nicht nur der Volvo 240 feiert nämlich in diesem Jahr den Fünfzigsten. 1974 gewann die damals völlig unbekannte schwedische Band mit dem Song "Waterloo" den Grand Prix Eurovision.
Beide, 240er und ABBA, entwickelten sich in den nächsten Jahren zu ausgesprochenen Exporthits. Weil aus dem Radio nur anonymer Elektropop kommt, konzentrieren wir uns auf den Volvo und dümpeln weiter über die Inselwelt, über Brücken oder kostenlose Fährverbindungen, die mancherorts eine feste Straßenverbindung ersetzen. Die Inseln tragen Namen wie Öckerö, Hönö, Grötö oder Björkö, sodass man Volvo am liebsten ebenfalls mit Umlauten schriebe, wenn es nicht Latein wäre.
Wie die meisten seiner Artgenossen wird unser 242 von einem 2,1-Liter-Vierzylinder angetrieben, der 97 keinesfalls übereifrige Pferdestärken an das Viergang-Getriebe weiterreicht. Gegen Aufpreis hätte es einen elektrisch zuschaltbaren Overdrive gegeben, unser Wagen verzichtet darauf.
Auf den schmalen Straßen zwischen Feldern und Felsen hindurch, über kleine Inseln und durch Wäldchen benötigen wir keinen Schongang. Der B21-Vierzylinder tuckert zufrieden vor sich hin und gibt sich insgesamt so unzickig, als wisse er, dass die heimatlichen Volvo-Hallen in Torslanda nie mehr als eine Stunde entfernt sind.
Womöglich sogar zu ihrer eigenen Überraschung wird die obenliegende Nockenwelle von einem damals modischen Zahnriemen angetrieben. Doch nicht einmal Zahnriemen-Risse müssen wir befürchten, der B21 ist ein sogenannter Freiläufer. Mit anderen Worten: Zum falschen Zeitpunkt geöffnete Ventile können nicht mit den Zylindern in Berührung kommen. Jedenfalls sind alle Varianten dieser Motorenfamilie für astronomische Laufleistungen gut. Überragende Laufruhe oder besonders sparsamer Umgang mit Treibstoff zählten bei der Konstruktion dagegen zu den weniger priorisierten Eigenschaften.
Im Winter volviger
Während draußen das sommerliche Schweden vorbeizieht, das Radio endlich einen ABBA-Song spielt (Super Trouper), die Sonne sich hinter den Wolken hervorwagt, denkt die Besatzung des kantigen Zweitürers da- rüber nach, dass der 240 mit seiner Einfachheit und Geradlinigkeit ein sehr sozialistisches Flair hat. So liegt man nicht völlig falsch, wenn man beim Design Vergleiche zur Moskwitsch-Baureihe 400 oder zum Wartburg 353 zieht. Und das Instrumentenbrett des 242 wirkt so nutzwertorientiert und unfrivol, dass es einem auch in einem ZIL-Sibirien-Lkw nicht fremd vorkäme.
Und schließlich galt Schweden in jener Epoche nicht von ungefähr als Musterbeispiel erfolgreicher sozialdemokratischer Politik. So baute Volvo in Kalmar ein Montagewerk für den neuen 240er, in dem die Fließbandarbeit weitgehend abgeschafft war. Exzellent bezahlte Arbeiter montierten auf Produktionsinseln in selbst organisierten Teams aus herbeigeschafften Komponenten fertige Volvo.
Vielleicht haben sie irgendwann 1975 diesen orangefarbenen 242 aus einer Karosserie aus Torslanda und einem Antriebsstrang aus Köping zusammengeschraubt, zwischendurch mit dem Qualitätskonzil über ihre Arbeit beraten oder gemeinsam in der Werks-Sauna geschwitzt.
Wir wissen es nicht. Der Volvo brummelt sich inzwischen über eine etwas größere Insel namens Tjörn. Die hintere Starrachse bockt über einige Frostaufbrüche im Asphalt. Kleinere Verbindungsstraßen schlängeln sich hier durchs Hinterland, doch lustvolles Kurvenfahren ist dem 242 offenbar doch zu hedonistisch.
Die schwergängige Lenkung sperrt sich etwas gegen schnelle Richtungswechsel, die Reifen quietschen bereits beim Einlenken, lassen wir das also. Vielleicht wäre es im Winter noch volviger. Dann könnten wir die Heizung voll aufdrehen, großzügig über drei Liter Scheibenwasser versprühen und mit dem Elch-Fernlicht in die Bäume leuchten. Das wäre richtig schwedisch.
Modellhistorie
Als Nachfolger der 140/160-Baureihe kommt der 240er 1974 auf den Markt, und zwar als zwei- und viertürige Limousine sowie als Kombi. Ebenfalls bald verfügbar sind die Sechszylinder-Versionen. Allen gemeinsam ist die Nomenklatur: Die Ziffer 2 steht für die Baureihe, die zweite Ziffer für die Zahl der Zylinder, die dritte für jene der Türen. Eine Ausnahme macht da nur der 244 GL D6 mit Sechszylinder-Diesel. Daher heißt unser Fotoauto 242, ein sechszylindriger Kombi 265 und das Bertone Coupé 262. Ab 1982 entfällt diese nüchterne Art der Modellbezeichnung. Gleichzeitig werden die Sechszylinder aus dem Programm genommen. Der 240 läuft weiter, in Deutschland zuletzt nur noch als Kombi. Im Jahr 1993 wird die Fertigung schließlich eingestellt.
Bauzeit und Stückzahl: 1974 bis 1993, insgesamt über 2,8 Millionen Exemplare (gesamte 240/260-Baureihe).
Karosserie-Check
Volvo 245 aus den Siebzigerjahren, Kombi oder Limousine ist egal, haben Seltenheitswert, weil sie böse zerfressen wurden. Die Längstraversen rissen, Kotflügel gammelten von innen, Wassereintritt an den Kleberändern der Frontscheibe setzt über die Dauer der Substanz der Karosseriegrundplatte zu. Sie rostet weg, wo sie mit dem Innenschweller verschweißt ist.
Zu den Roststellen, die auch für spätere Baujahre des Volvo 245 noch ein Problem sind, zählen Türunterseiten, Radläufe hinten, die Naht zwischen hinterem Kotflügel und Reserveradwanne sowie die Heckabschlussbleche, vor allem beim Kombi. Tribut an hohe Laufleistungen: verschlissene Polster.
Technik-Check
Der OHV-Zweiliter B20 A des Volvo 245 neigt an den Stirnrädern zu Verschleiß, bei Ölschlammbildung in Folge vernachlässigter Ölwechsel kann die Nockenwelle im Kopf fressen. Bei den OHC-Vierzylindern stehen alle 80.000 Kilometer die Zahnriemen zum Wechsel an. Mit Ausnahme der Typen B19, B200 und B23E bis 1983 sind die Motoren allerdings Freiläufer – alle bei anständiger Pflege gut für immense Laufleistungen.
Nicht so robust wie die Motoren sind die in die Volvo 245 eingebauten Automatikgetriebe BW35 und 55, und Overdrive-Getriebe vertrugen sich nicht mit der Kupplung, wie sie 1981 bis 1985 verbaut wurde.
Preise
Classic-Analytics führt den Volvo 245 in Zustand 2 mit 14.900 Euro, Exemplare in Zustand 4 kosten etwa 2.500 Euro.
- Bei Einführung 1974 (Volvo 245 DL) :
- 18.790 Mark
Ersatzteile
Für die 200er sind Komponenten für Motoren und Antriebe über Handel und Spezialisten wie etwa Skandix gut zu bekommen. Bei der Suche nach Innenausstattungen und Zierteilen helfen die Kontakte über Foren und IGs wie beispielsweise www.alter-schwede.de. Spezielles Blech und Interieurteile für die selteneren Sechszylinder wie das 262 Coupé sind rar.
Schwachpunkte
- Kotflügel/Stehbleche
- A-Säule/Schweller
- Rahmen Frontscheibe
- Schwellerabschluss hinten
- Türen, Unterkante, Schachtleiste
- hintere Radläufe
- Reserveradmulde
- Blech unterm Rücksitz
- Radaufhängung, Vorderachse
- Getriebe (1. Gang/Overdrive)
- Vergasereinstellung
- Hinterachsbuchsen
Wertungen
Fazit
Frühe Volvo der 200er-Reihe fielen oft dem Rost zum Opfer. Erst ab 1980 ist das Blech robuster. Trotz hoher Stückzahl braucht es heute Geduld, einen guten 245er zum Kauf zu finden.