Preis-Leistungs-Tipps: starke Gebrauchte
Viel Qualm für wenig Kohle
Der Rentner-Benz mit Porsche-Fahrleistungen oder der Kombi mit V8: Schlicht verpackte Leistung reizt den Fan und nicht den Nachbarn. Tipps von Audi bis Volvo.
07.07.2020 Andreas Of-AllingerFreunde des Understatements genießen starke Motoren, verzichten auf das Typenschild am Heck und die Aufmerksamkeit flüchtiger Beobachter. Denn wer ahnt schon, dass in einem schlichten CLK in Silbermetallic, Baureihe C 209, ein Vierventil-V8 mit den Leistungsdaten einer Corvette ZR1 steckt? Dass ein zwölf Jahre alter Opel Vectra mit Schrägheck fast 250 läuft und ein ähnlich alter Fiesta auf der linken Spur bis Tacho 210 mithält? Eben. Kaum jemand rechnet damit. Wir zeigen eine Auswahl der schnellen, dezenten Gebrauchten, die häufig für überraschend wenig Geld zu haben sind.
Audi A6 Allroad 4.2 V8 (2003)
In Deutschland verkaufte Audi den A6 Allroad meist mit einem 2.5 TDI. Der V6-Diesel gilt als kultiviert, sparsam und kräftig -genau richtig für den Wald-und-Wiesen-Kombi. Doch unter der Haube von 2647 C5-Allroad steckt der V8 aus dem A8. Der sorgt für 300 PS, einen wohligen V8-Klang und eine Spitze von 240 km/h. Wenn’s drauf ankommt, beschleunigt der Kombi in 7,2 Sekunden von null auf 100 km/h – oder zieht einen bis zu 2,3 Tonnen schweren Anhänger. Wer einen kaufen will, braucht Geduld und sollte darauf achten, ob die Luftfederung korrekt funktioniert; deren Kompressor geht gern teuer kaputt. Teuer wird’s auch, wenn die Steuerkette schwächelt: Um Platz zu sparen, hat Audi das Teil an die Rückseite des Motors verlegt. Der Motor ist deswegen 52 Millimeter kürzer als der ältere V8. Rund 10.000 Euro sind für einen solchen Allroad einzuplanen. Der etwas weiter verbreiterte Nachfolger kostet etwa 15.000 Euro. Ein hoher Tachostand muss nicht schrecken.
BMW 540i (E39) Touring (1998)
BMW ist mit der 5er-Baureihe E39 ein großer Wurf gelungen: solide konstruiert, gekonnt abgestimmt und sorgfältig gebaut, überzeugt das Oberklasse-Modell heute noch. Meist bestellten die Kunden den 520i. Keine schlechte Wahl, aber eben auch ein wenig schwach auf der Brust. Natürlich gibt es noch den M5. Doch den erkennt an den vier Endrohren jedes Kind, außerdem spielt der sowieso in einer anderen Liga – und es gab ihn nicht als Kombi. Eine günstigere und dezentere Alternative ist der 540i. Kenner suchen nach einem Modell mit dem ab 1998 eingesetzten M62B44 TÜ – in diesem Jahr bekam der 4,4-Liter-V8 die Nockenwellenverstellung Vanos und 20 Newtonmeter mehr Drehmoment bei 3600 statt 3900 U/min. Die Leistung blieb mit 286 PS gleich. Einziger Hinweis, dass hier kein 520i fährt: Der Modellschriftzug am Heck – wenn er nicht, wie meistens, kostenfrei entfiel. Serienmäßig, aber leider selten zu finden: Das manuelle Sechsganggetriebe. Seriöse Angebote liegen über 10.000 Euro, weniger seriöse Kilometerfresser darunter.
Chevrolet Corvette ZR-1 (1989)
Zugegeben, rund 25.000 Euro sind absolut gesehen nicht wenig Geld. Dafür spielt die Corvette ZR-1 in einer Liga mit Ferrari Testarossa und Porsche 928 GT, schlug die beiden 1989 sogar im Vergleichstest von auto motor und sport in den Disziplinen Beschleunigung, Slalom, Wedeln und Bremsen. Dazu kommt, dass sich die Hightech-Version mit bis zu 405 PS starkem Vierventil-V8 kaum von einer Standard-C4 unterscheiden lässt. Gut, Heck und Hinterräder sind breiter. Doch zumindest das breitere Heck bekam später auch die normale C4. Understatement bei einer Corvette – wer hätte das gedacht?
Ford Fiesta ST (2005)
Viel Spaß für wenig Mäuse bietet der Fiesta ST. Das von 2005 bis 2009 gebaute Modell ist außerdem so dezent, dass es sich bei flüchtigen Hinsehen kaum von den häufiger verkauften Modellen mit 60 bis 100 PS unterscheidet. Ein Zweiliter-Sauger (150 PS) wirkt heute natürlich weniger kräftig als aufgeladene Turbo-Benziner. Dafür ist der kleine Kölner mit 1.100 Kilo Leergewicht leicht, bietet ein flinkes Handling, eine direkte Lenkung – und sorgt mit 208 km/h Spitze für verblüffte Gesichter auf der Autobahn. Doch viel vergnüglicher ist die einsame, flüssige Runde über die Hausstrecke. Denn das Fahrwerk bietet ehrliches Feedback, die Karosserie ist schön kompakt und das Getriebe schaltet sich exakt auf kurzen Wegen. Ein gepflegtes Exemplar findet sich für weniger als 5.000 Euro.
Jeep Grand Cherokee 5.9 (1998)
1998 packte Jeep einen 5,9-Liter-V8 in den Grand Cherokee und schuf damit zwar keinen Sportwagen, aber einen Geländewagen mit sehr flotten Fahrleistungen: In 8,2 Sekunden beschleunigt der große Indianer von null auf 100 km/h – ein Fiesta ST ist nicht flotter. Das erlebt der Jeep-Fahrer aus dem ersten Stock und wenn die Straße endet, fährt er einfach weiter; der Grand Cherokee ist kein SUV, sondern verfügt mit Reduktion, ordentlicher Bodenfreiheit und kompetentem Allrad über alle Merkmale eines ernsthaften Geländewagens. Und bei Bedarf nimmt er 3,5 Tonnen schwere Anhänger in Schlepp. Rund 10.000 Euro muss bereit legen, wer ein gepflegtes Exemplar haben möchte.
Mercedes CLK 500 (2006)
Nehmen wir mal an, Sie haben zwischen 2006 und 2010 einen neuen Mercedes CLK bestellt. Nehmen wir weiter an, Sie haben den größten lieferbaren Motor angekreuzt. Dann meldete ihr Händler ein paar Wochen – oder Monate – später, dass ihr CLK 500 zur Abholung bereit stünde. Der sah aus wie der etwas ältere CLK 230 (C 208) ihres Nachbarn, hatte aber fast genau die doppelte Leistung: 388 PS leistet der M 273 E55, den es ab 2006 übrigens auch in der E-Klasse-Baureihe 211 gab. Ob 209 oder 211: Beide Baureihen treibt der Vierventil-V8 zu den Fahrleistungen eines Porsche 911 Carrera jener Zeit. Bei dezentem Klang und in der Optik eines Taxis, Familienautos oder Rentner-Mercedes – je nach Geschmack. Übrigens konnten CLK-Käufer mit der Wahl der Armani-Edition die Exklusivität auf die Spitze treiben; das Interieur hatte der Designer mit braunem Leder und grauem Textil gestaltet. Wer wollte, konnte mit dem AMG-Paket die Leistungsfähigkeit nach außen tragen. Heute verlangen Verkäufer einen Bruchteil des Neupreises: Für rund 15.000 Euro kann man fündig werden.
Opel Vectra GTS V6/OPC (2002/2005)
Der von 2002 bis 2008 gebaute Opel Vectra C gehört vielleicht ohnehin zu den verkannteren Autos; hinter der biederen Fassade steckte ein richtig gutes Auto, das viel Platz bot, sehr komfortable und solide verarbeitet war. Steckte ein V6 hinter dem etwas grimmigen Gesicht, konnte der Vectra sogar zum Brandstifter werden: Der V6 leistet 211 PS, war als GTS sportlich ausgestattet, aber optisch nicht besonders auffallend geraten. Wem das nicht genügte, dem half vielleicht das Feuer des Biturbo-V6 im OPC weiter: Mit 280 PS ging es in gut sechs Sekunden von null auf 100 km/h und bis 250 km/h. Da staunten sogar BMW-Fahrer. Heute wie damals ein Argument: Der Preis: slebst gepflegte Vectra GTS kosten kaum mehr als 5.000 Euro. Ein OPC ist etwas teurer. Übrigens baute Saab den famosen V6-Biturbo in den 9-3 ein; der war als Limousine, Cabrio und Kombi zu haben und kostet heut ekaum mehr als der Vectra.
Peugeot RCZ R (2014)
Peugeot baute von 2010 bis 2015 ein expressiv gestaltetes Coupé auf Basis des Kompaktmodells 308. Das war vielleicht das Beste, was mit dieser Basis machbar war, denn der Zweitürer mit seinem Double-Bubble-Dach und dem flachen Heck verdrehte Köpfe. Manche sprachen sogar vom französischen TT. Das stimmt, weil auch hier ein Kompakter die Basis für ein Designerstück lieferte, ist jedoch auch wieder falsch, weil der RCZ eigenständig und keine Kopie ist.
Motorisiert war das Coupé mit einem Zweiliter-Diesel oder einem 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbo. Den peppte die Sportabteilung 2014 mit drehzahlfesteren Kolben und Pleueln sowie einem neuen Abgaskrümmer auf: 270 PS waren das Ergebnis – die Leistung eines Basis-Boxsters. Ein Torsen-Differenzial sorgte dafür, dass die Kraft an der Vorderachse nicht verrauchte. Das kurz übersetzte Sechsgang-Getriebe lässt den Motor bei 250 fast ausdrehen und auf Landstraßen sorgt ein agiles Heck für Fahrspaß oder feuchte Hände – je nach Humor und Fahrkönnen. Je nach Laufleistung verlangen Verkäufer heute rund 20.000 Euro für den schnellen Peugeot.
Volvo S80 V8 AWD (2006)
Feuchte Hände? Nicht im Volvo S80. Die schwedische Limousine steht für kommodes Fahren, sicheres Ankommen und ganz sicher nicht für Exzesse auf der Landstraße oder Rundstrecke. Meist motorisiert ein Fünfzylinder den als harmlos geltenden Viertürer mit Sicherheitsimage. Dabei motorisierte schon den Vorgänger ein technisch reizvoller Reihensechszylinder-Biturbo, den die Volvo-Ingenieure quer zwischen die Vorderräder gedrängt hatten. Beim Nachfolger trieben sie es noch wilder und bauten einen V8 vorn quer ein. Den Motor hatte Yamaha im Auftrag von Volvo entwickelt. Seine 315 PS und 440 Nm erreichen heute weit kleinere Turbodiesel. Doch die klingen nicht so reizvoll und sind doch etwas gewöhnlicher als der technisch so aufwendige und äußerlich so unauffällige Schwede. Für rund 13.000 Euro stehen gepflegte Autos mit weniger als 200.000 Kilometern zum Verkauf. Viele sind allerdings nicht im Angebot.