V6-Motoren von Alfa, Ford, Lancia, VW, Mercedes

Diese V6-Motoren sollten Sie kennen

Wussten Sie, wer den ersten V6 in Serie baute und warum der VR6 von VW gar kein V6 ist? Faszinierende Fakten zu einer aussterbenden Motor-Bauart.

Alfa Romeo 166 V6 (936) Foto: Dino Eisele 31 Bilder

Wie so häufig, wenn wir uns an automobilen Großtaten erfreuen, geht der Blick über die Alpen nach Italien, nicht selten zu Lancia, im vergangenen Jahrhundert eine der Speerspitzen der Autowelt. Der Lancia Lambda, das erste Serienauto mit selbsttragender Karosserie, war ein Jahrhundertentwurf, so wie die Aurelia knapp 30 Jahre später: In ihr feierte der V6 Premiere in der Serienproduktion. Ein Reihensechser hätte im Bug keinen Platz gefunden, ein Vierzylinder wäre kaum angemessen gewesen, also griffen die Konstrukteure auf das V-Motorenprinzip zurück, das Lancia zuvor bereits als V4 umgesetzt hatte.

Probleme des V6-Motors

Wobei die V-Motoren grundsätzlich einige Herausforderungen mit sich bringen, vor allem die freien Momente 1. und 2. Ordnung. Sie sorgen dafür, dass der Motor um die Querachse galoppiert und um die Hochachse schlingert. Verantwortlich dafür sind nicht ausgeglichene oszillierende Massenkräfte. Klingt nach Achterbahn, aber es gibt Abhilfe. Der Bankwinkel gehört dazu. 90 Grad, der rechte Winkel zwischen den Zylinderbohrungen, bedeuten beim V6 besondere Anfälligkeit für die freien Momente. Bei nur 60 Grad benimmt er sich deutlich zivilisierter. Um gezielt gegen die Momente 1. Ordnung anzuarbeiten, lassen die Konstrukteure eine Ausgleichswelle mit Kurbelwellendrehzahl im Block rotieren. Wollen sie die Momente 2. Ordnung eliminieren, muss die Ausgleichswelle schon mit doppelter Kurbelwellendrehzahl laufen. Die Lagerung des Motors in Gummielementen bringt zusätzliche Ruhe. Gegengewichte an der Kurbelwelle haben ebenfalls sedierenden Einfluss auf den Motorlauf. Allerdings machen sie den Kurbeltrieb schwer und stehen damit der Drehfreude im Weg.

Der Europa-V6

Und obwohl 90-Grad-Bankwinkel für den V6 nicht ideal sind, gibt es viele Motoren mit diesem Prinzip, die Gründe sind ganz unterschiedlich. Beispiel Europa-V6, ab Mitte der 1970er-Jahre in zahlreichen Modellen von Peugeot und Renault, aber auch bei Volvo im Einsatz. Er nahm den "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben"-Ausspruch von Gennadi Gerassimov, außenpolitischer Sprecher von Michail Gorbatschow, vom 7. Oktober 1987 vorweg. Denn der PRV-Motor war als V8 geplant. Dann kam die Ölkrise. Wirtschaftlich pragmatisch, strich das Management zwei Zylinder und nahm den eingeschränkten Laufkomfort in Kauf. Konsequente Modellpflege machte den Motor schließlich fit für fast 25 Produktionsjahre.

Sonderfall VR6

Häufig sind es produktionstechnische Gründe, die den schlankeren Bankwinkel verhindern. Es ist wirtschaftlicher, V6- und V8-Motoren auf einer Fertigungslinie herzustellen, und dann fällt die Entscheidung stets zugunsten des V8, für den sind 90 Grad ideal. Ganz schmal wird es, wenn der Motor so kompakt wie möglich bauen soll, wie beim VR6 von VW. Seine beiden Zylinderbänke sind um 15 Grad auseinandergeklappt. Das bringt zusätzlich Vorteile bei den Kosten, denn der VR-Motor besitzt nur einen Zylinderkopf und nicht die üblichen zwei der breiteren V-Motoren. Vor allem aber ist der Motor äußerst kompakt, lässt sich auch als Quermotor in einen Kompaktwagen löffeln, erlaubt dennoch einen Hubraum von zunächst 2,8 Litern und mächtige 174 PS – der Über-GTI war geboren. Kraft und V6, das gehört einfach zusammen.

Allerdings, wir müssen es ansprechen, der VR6 ist gar kein V-Motor, ihm fehlt ein entscheidendes Merkmal: Bei ihm greifen nicht zwei Pleuel auf einen Hubzapfen der Kurbelwelle zu. Beim VR6 umschlingt jeder Pleuelfuß eine eigene Kröpfung, typisch Reihenmotor, aber eben zum V auseinandergeklappt.

Besser als ein V8: V6 von Porsche

Dennoch gehört der VR6 hierher, denn er steht für eine der größten Stärken des V6, seine ausgesprochen kompakte Bauform. Die nutzen auch Rennwagen-Konstrukteure gern. Die Konzentration der Masse auf möglichst geringem Bauraum in Schwerpunktnähe verspricht ein äußerst agiles Fahrverhalten.

In besonders extremer Ausprägung konnten wir dies Mitte der 1980er-Jahre in der Formel 1 erleben. McLaren verabschiedete sich vom Dreiliter-Cosworth-V8, immerhin einer der erfolgreichsten Rennmotoren aller Zeiten. Stattdessen setzten die Briten auf einen kurzen 1,5-Liter-V6-Winzling mit Turbo-Schub, entwickelt von Porsche-Rennmotorentechnikern. Die nur scheinbar filigrane Technik erwies sich als standfest und erfolgreich. 25 Grand-Prix-Siege und drei Weltmeistertitel konnte der kleine Sechser einfahren, was ihn zum erfolgreichsten "deutschsprachigen" Formel-1-Motor überhaupt macht.

V6 in der DTM der 90er

Auch Mercedes, jahrzehntelanger Hüter des Sechszylinder-Reihenmotors, verfiel Mitte der 90er dem kompakten V. Mit dem M 106 wurde eine neue Epoche ins Leben gerufen. In der DTM sorgte der bis zu 370 PS starke V6 für die große Show im Kampf mit den Rivalen von Alfa Romeo und Opel, die in ihren Modellen 155 V6 TI mit 2,5 Litern Hubraum – der zivile Busso V6 hatte seinerzeit bereits drei Liter Hubraum – und Calibra DTM, wie die Konkurrenz mit 2,5-Liter-Lungenvolumen, natürlich ebenfalls auf die gespreizten sechs Zylinder setzten. Viele Motorsportfans sehen in dieser DTM die goldene Zeit des Tourenwagen-Sports – V6 und den zahllosen Technikern, die ihm Manieren und vor allem Kraft beigebracht haben, sei Dank.