1971 Steyr-Puch Pinzgauer 712DK 6×6 Auktion

62.000 Euro für den mysteriösen 6x6-Pinzgauer

Das Auktionshaus RM Sotheby’s versteigerte beim Edel-Event in Monterey neben millionenteuren High-Class-Oldtimern einen kuriosen Dreiachser. Der Pinzgauer hat eine lange Reise hinter sich.

1971 Steyr-Puch Pinzgauer 712DK 6_6 Custom Foto: RM Sothebys 28 Bilder

Olivgrüne Grobstoller ist man beim feinen Auktionshaus RM Sotheby's eigentlich nicht so gewohnt. Auch in diesem Fall ist der kernige Dreiachser ein ziemlicher Exot inmitten sündteurer seltener Sportwagen und Limousinen. Sotheby’s versteigerte im kalifornischen Monterey die Fahrzeugsammlung des texanischen Geschäftsmannes Paul Andrews. Der Anfang 2021 im Alter von 78 Jahren verstorbene Andrews hinterließ unter anderem eine erlesene Fahrzeugsammlung, aus der RM Sotheby’s bereits 2015 rund 80 Fahrzeuge unter's Volk brachte.

Ein Offroad-Rabauke unter millionenteuren Sportwagen

Zu den Highlights der jetzt in Kalifornien versteigerten Sammlung gehören zum Beispiel ein auf 14 Millionen Dollar geschätzter Aston Martin DB4 GT, ein Mercedes 300 SL für schlanke 1,3 Millionen Dollar oder auch ein Jaguar D-Type mit einem Schätzwert von sieben Millionen Dollar. Da macht sich der sechsrädrige Sonderling schon ein wenig seltsam inmitten all der Automobil-Juwelen. 80.000 Dollar waren als Schätzpreis angesagt, ein Bruchteil der sonst in dieser Auktion nötigen Mittel. Letztlich brachte der Offroader immerhin 72.800 Dollar (etwa 62.000 Euro) ein.

Doch nicht nur der Auftritt des "Pinzi" ist außergewöhnlich, das ganze Auto lässt die eine oder andere Frage offen. Denn laut Ausschreibungslegende soll es sich um einen ganz frühen 1971er Zweiachser handeln, der erst nachträglich zum langen Dreiachser wurde, mit einem völlig anderen Häuschen auf dem Rahmen als ursprünglich ausgeliefert. Das Ding mit "originalgetreu" kann man sich bei diesem Oldie also getrost wieder einstecken, es ist (offiziell) eine interessante Bastelburg, bei näherem Betrachten aber vielleicht auch ganz einfach ein neueres Auto mit alter Historie.

Steyr Daimler Puch Pinzgauer 6x6 Foto: Torsten Seibt
So sieht ein Pinzgauer der ersten Baureihe mit luftgekühltem Motor aus, auch für Laien gut erkennbar an der flachen Front ohne Wasserkühler-"Nase"

In den USA wird man so viele Pinzgauer-Experten nicht finden, der kastige Geländewagen hat vorrangig im Militäreinsatz bei europäischen Armeen und im Nahen Osten gedient. Geboren als Nachfolger des ebenso winzigen wie ultrageländegängigen Puch Haflinger war der Pinzgauer praktisch die vergrößerte Ausgabe des kleinen Haflinger. Der von Erich Ledwinka konstruierte Pinzgauer weist zahlreiche technische Besonderheiten auf, die ihm in Offroader-Kreisen einen ähnlich legendären Ruf eingebracht haben wie dem Mercedes Unimog.

Sehr spezielle Bauweise

Wichtigste Besonderheit des Pinzgauer ist seine Bauweise mit einem Zentralohrrahmen und daran befestigten Pendelachsen mit Portalgetrieben, was unter anderem eine enorm hohe Bodenfreiheit sowie eine sehr flexible Radführung auf unebenem Gelände erlaubt. Die ersten Jahre stattete Steyr-Daimler-Puch den Pinzgauer mit einem selbstentwickelten Vierzylinder-Benziner aus, der dank Gebläse- statt Wasserkühlung zwar außerordentlich robust, allerdings im Fahrzeuginneren auch erschütternd laut war, die Maschine liegt direkt zwischen den beiden Vordersitzen. Mit deutlich über 20 Liter Verbrauch war der Motor außerdem selbst für damalige Verhältnisse ein schwerer Trinker.

Insgesamt rund 30.000 Exemplare des Pinzgauers soll Steyr-Daimler-Puch in Graz gefertigt haben, bevor es im Jahr 2000 etwas wirr wurde, damals verkauften die Österreicher den Pinzgauer und seine Produktionsanlagen zunächst nach England. Dort wechselte der kastige Geländewagen dann in mehr oder weniger rascher Folge noch weitere Male den Besitzer, bis er beim Rüstungskonzern BAE schließlich aufs Altenteil geschickt wurde.

Um nach dieser Vorgeschichte auf die eingangs genannte Merkwürdigkeit des Angebots zurückzukommen: Das geht schon bei der Modellbezeichnung (712DK) los, die einen Doppelkabiner mit Ladefläche bezeichnen soll. Tatsächlich soll es sich aber ursprünglich um einen Pinzgauer 710K handeln, das ist allerdings ein Modell mit kurzem Radstand und lediglich zwei Achsen. Das in der Auktion gezeigte und offensichtlich nachträglich aufgeklebte Typenschild weist das dreiachsige Auktionsfahrzeug auch als 710K aus – ein geschlossener (zweiachsiger!) Kastenwagen.

Ebenfalls laut Typenschild soll es sich um ein 1971er Modell handeln, mithin das allererste Baujahr des Pinzgauer. Doch die Karosserie, die angeblich nachträglich von einem Spenderfahrzeug aus der Schweiz anmodelliert wurde, weist mit der charakteristischen "Nase" auf ein wassergekühltes Dieselmodell hin. Die wurden aber erst ab 1985 produziert. Auch soll die nachträglich applizierte Karosserie von einem 712 M stammen. Das allerdings ist eine Variante mit Stoffverdeck auch über dem Fahrerhaus sowie mit luftgekühltem Benziner, während die Karosserie des zu versteigernden Exemplars recht eindeutig ein ehemaliges Funk-Auto mit festem Dachaufbau und Schützenluke ist, ein 718 K mit wassergekühltem Dieselmotor.

Fantasiereiche Historie

Die Geschichte in der Beschreibung, dass dem Pinzgauer nachträglich der Rahmen verlängert und die dritte Achse angebaut wurde, klingt ähnlich abenteuerlich. Dass einem ganz regulär aus Armeebeständen erworbenen 6x6-Pinzgauer aus den 1980er Jahren einfach eine hübsche Legende angedichtet wurde, ist daher zumindest im Bereich des Denkbaren, aber ohne genaues Hinsehen am Objekt, alleine anhand der Bilder, nur Spekulation.

Fest steht aber ohne Zweifel, dass der Pinzgauer recht aufwändig aufbereitet wurde, was zum Beispiel anhand der Innenraumbilder mit frischer Beschichtung und erneuerten Leitungen erkennbar ist. Auch die nachgerüsteten Sport-Ledersitze von Scheel-Mann und die in USA unvermeidlichen Cupholder fallen auf. Äußerlich ist der tarngrüne 6x6-Pinzgauer noch reichlich verziert. Der Künstler Nico Sclater hat laut Auktionsbeschreibung nicht nur das Tarnfleck-Stoffdach über dem hinteren Teil entworfen, sondern zeichnet auch verantwortlich für die zahlreichen mehr oder minder sinnfreien Ziersprüche der Qualität "Esst mehr Obst!" – aber über Kunst soll man nicht streiten.

Bilder von damals: Historisches Werbevideo zum Pinzgauer

Wer auch immer den kuriosen Pinzi ersteigerte, kann sich in jedem Fall an einem außergewöhnlichen Fahrzeug erfreuen. Und wenn Sie so etwas gerne selbst mal ausprobieren möchten: In Europa ist es nicht ganz so schwierig, an einen Pinzgauer in brauchbarem Zustand zu kommen. Man muss auch nicht ganz so viel investieren wie bei Sotheby’s – gute, fahrbereite Exemplare starten bei rund 20.000 Euro.