IAA-Premiere vor 40 Jahren: Mercedes 380-500 SEC
Mercedes C 126 - Brunos Bester
Das große Coupé gilt als besonders schöner Sacco-Mercedes. Egal, ob man die erste oder zweite Serie bevorzugt: Dieses Auto ist Ausdruck höchster Design- und Ingenieurskunst. Dies ist seine Geschichte.
04.09.2021 Thomas HarloffMehr als 40 Jahre arbeitete Bruno Sacco für Daimler. Ungefähr die Hälfte davon war er Chef der Design-Abteilung, die bis 1987 noch "Fachbereich Stilistik" hieß. Zu behaupten, er sei prägend für das Erscheinungsbild der Marke Mercedes-Benz gewesen, wäre massiv untertrieben. Immerhin arbeitete er an der Pagode genauso mit wie an den Experimentalfahrzeugen der C 111-Reihe, verantwortete den damals "kleinen" Mercedes 190 (W 201), brachte die erste A-Klasse auf den Weg und führte die E-Klasse ins Vieraugen-Zeitalter (W 210). In seiner Ära bei Daimler hatte der Mann aus Udine 39 Mercedes-Serienmodelle gestalterisch beaufsichtigt.
Vollkommene Harmonie zwischen vorne, Mitte und hinten
Fragt man nach Saccos elegantestem Entwurf, dürfte vielen – wenn nicht gar den meisten – Mercedes-Fans allerdings ein Oberklasse-Coupé in den Sinn kommen. Geht es um perfekte Proportionen, die vollkommene Harmonie zwischen vorne, Mitte und hinten, den idealen Mix aus gestalterischen Akzenten und Schnörkellosigkeit, kann nur die zweitürige Version der S-Klasse-Baureihe 126 als das schönste Auto des Italieners gelten.
Auch der heute 87-Jährige aus Udine empfindet dieses Auto als eines seiner schönsten. Während die W 126-Limousine, das erste von ihm als Stilistik-Chef verantwortete Mercedes-Modell, die Pflicht war, war das Coupé mit fehlender B-Säule Saccos Kür. Im Gespräch mit Motor-Klassik-Redakteur Alf Cremers (Youngtimer 01/19) gestand er jedoch, dass er selbst hier einige Details zu bemängeln hat. Die Türgriffe seien ihm zu plump, die Lichtkante unter der Fensterlinie brauche das Auto nicht, und schon gar nicht sei er ein Fan der nach ihm benannten Sacco-Bretter. Jener optischen Verbindung zwischen vorderer und hinterer Stoßstange unterhalb der seitlichen Gürtellinie, die charakteristisch für damalige Mercedes-Modelle war und die andere Entscheider im Konzern unbedingt auch beim 126er wollten.
Nur mit V8-Motoren zu haben
Doch bei aller Kritik seines Schöpfers: In Bezug auf Technik und Prestige war der SEC bei seinem Debüt auf der IAA im Herbst 1981 das Nonplusultra in der noch nicht gar so weit aufgefächerten Mercedes-Palette. Das verdeutlicht schon die Motorenauswahl, die der Vorstand für das große Coupé traf: Der Sechszylinder aus dem 280er W 126 schaffte es ebenso wenig in den Bug des Coupés wie der in den USA angebotene 300er Turbodiesel. Lediglich zwei Achtzylinder-Benziner waren erhältlich: der 380er-M 116 mit 204 PS und der 500er-M 117 mit 231 PS und maximal 405 Newtonmetern.
Dessen Topspeed lag bei 225 km/h. Heute schafft das jeder Mittelklasse-Diesel; in seiner Zeit war der 500 SEC damit König der linken Spur. Auch der Null-auf-Hundert-Wert von 8,1 Sekunden mutet aus heutiger Sicht eher träge an. Doch selbst nach aktuellen Maßstäben muss man nach einer Fahrt in dem Klassiker sagen: Kraft hat der 4.973 Kubikzentimeter große V8 mit Bosch K-Jetronic genug, und die Macht des Hubraums führt zu einer Durchzugsstärke, die der eines aktuellen, ähnlich starken Turbomotors in kaum etwas nachsteht. Vor allem nach Bemühen des Kickdowns der Vier-Gang-Automatik geht es straff voran bis auf ein Tempo, das den 500 SEC nach wie vor für die linke Spur legitimiert. Das sahen damals offenbar auch manche Rennfahrer so: Nigel Mansell holte 1982 seinen 500 SEC im Werk ab, Ayrton Senna fuhr ebenfalls ein Achtzylinder-Coupé von Mercedes.
Verbrauchsoptimiert – auf hohem Niveau
Bei der Entwicklung der beiden V8-Motoren stand aber nicht nur eine maximale Kraftausbeute im Lastenheft. Es ging den Entwicklern auch darum, Spritverbrauch und Schadstoffausstoß der Triebwerke zu reduzieren. Dafür wurden die Verdichtung erhöht, die Steuerzeiten der Nockenwellen geändert sowie luftumspülte Einspritzventile und eine elektronische Leerlaufregelung eingebaut. Auf welchem Niveau man damals agierte, zeigt der Drittelmix-Normverbrauch von 9,1 Litern bei 90 km/h, 11,4 Litern bei 120 km/h und 15,2 l im Stadtverkehr. Wer mit dem 90-Liter-Tank 600 Kilometer weit kommen möchte, muss seinen rechten Fuß schon ein bisschen zügeln.
Fahrdynamisch ist mit dem C 126 im Vergleich zu heute wenig zu holen. Mit seiner Doppel-Querlenker-Achse vorne und der Diagonal-Pendelachse hinten, die auf Wunsch mit einer hydropneumatischen Niveauregulierung aufgerüstet werden konnte, kämpft er diesbezüglich mit stumpfen Waffen. Natürlich zeigt die Kugelumlauf-Servolenkung um die Mittellage enormes Spiel, und die hydraulische Zweikreis-Scheibenbremsanlage hat mit dem 4,91 Meter langen und gut 1,6 Tonnen schweren Coupé ihre liebe Mühe. Doch der Fahrkomfort genügt auch nach heutigen Maßstäben hohen Ansprüchen. Beim längsseitigen Auspendeln der selbsttragenden Karosserie hilft natürlich der lange Radstand von 2,85 Meter.
Elektrische Sitze und Gurtbringer serienmäßig
Erstaunlich gering war der Aufpreis, den man 1981 für das Prestige des Topmodells zahlen musste: exakt 4.407 Mark, 76.902 statt 69.495 Mark. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Einstiegspreise beider Modellvarianten bis zur großen Modellpflege inflationär stiegen, fast schon explodierten: Im April kostete der 380 SEC mindestens 89.034 Mark, der 500er lag bei 94.620 Mark. Trotzdem umfasste die Liste der Sonderausstattungen einige Posten: ABS wurde erst Ende 1984 Serie, und zum Basispreis rollte der SEC auf Stahlblechrädern. Aufpreisfrei an Bord waren dagegen die elektrische Sitzverstellung, deren Bedienelemente sich in den Türen befinden, und der elektrische Gurtbringer, den Mercedes in diesem Modell erstmals überhaupt angeboten hat.
Intensiv diskutiert wird unter Mercedes-Fans, in welcher Phase seiner Karriere der C 126 schöner war: In der ersten Lebenshälfte bis Herbst 1985 oder in der Nach-Mopf-Ära. Zu erkennen ist die große Modellpflege vor allem an den weiter nach unten ge- und nicht mehr so stark eingezogenen Stoßfängern und den geglätteten Sacco-Planken; beides verbesserte die Aerodynamik spürbar. Zudem gab es weniger Chrom am Heckfenster und die 15-Zoll-Gullydeckel-Felgen lösten die ewigen 14 Zoll großen Barock-Füchse ab. Die einen sagen, Zweitserien-SECs sehen moderner und eleganter aus als zuvor. Andere bemängeln den Verlust an Charme und Leichtigkeit; für sie kam der C 126 nach dem Facelift etwas zu plump daher.
Umfangreiche technische Verbesserungen
Unbestritten sind die technischen Fortschritte, die die große Mopf mit sich brachte. Die Karosserie wurde nun besser gegen Rostbefall geschützt, die Bremsanlage vergrößert, das Fahrwerk noch komfortabler und der Innenraum modernisiert: Neu waren zum Beispiel die Instrumentierung und die Bedieneinheiten am Dach und hinter dem Automatik-Wählhebel. Entscheidend war aber das, was sich unter der langen Motorhaube änderte. Anstelle des 380 SEC trat als Einstiegsvariante der aufgebohrte 420er, der zuerst 218 und ab einer neuerlichen Modellpflege 1987 sogar 231 PS leistete (Kat-Versionen 204 beziehungsweise 224 PS). Der nun mit elektronischer Zünd- und elektronisch-mechanisch gesteuerter Bosch KE-Jetronic-Einspritzanlage aufgerüstete 500er erstarkte ebenfalls zweistufig auf 245 respektive 265 PS (223 oder 252 PS mit Katalysator).
Aber der M 117 barg noch mehr Potenzial in sich. Nach einer Hubraumvergrößerung auf 5,5 Liter leistete der V8 nach der Modellauffrischung im 560 SEC je nach Abgasreinigung 242 (mit Kat), 272 (ohne Kat) oder 300 PS (höherverdichtete ECE-Version). Das maximale Drehmoment: 390, 430 oder 455 Newtonmeter. Werte aus der Topliga des damaligen Automobilbaus, verbunden mit einer Laufkultur, die höchstens von den Zwölfzylindermotoren späterer Generationen getoppt wurde. Angesichts dessen sehen charakterstarke Fans darüber hinweg, dass vor allem dieses Modell Opfer unfassbarer Tuning-Sünden wurde. Oder sind die Breitbau-Bodykits von Koenig Specials oder die Eskapaden anderer "Veredler" so furchtbar, dass sie schon wieder cool sind? Das muss jeder selbst entscheiden.
Bruno Sacco dürften die Umbauten anwidern, schließlich drehen sie seine elegante, fließende Formensprache ins genaue Gegenteil um. Beim Thema erste vs. zweite Serie positioniert sich der Design-Papst klar auf der Seite der Nach-Mopf-Modelle. Die frühen C 126er findet er etwas zu verspielt, die Felgen zu barock, das Lenkrad zu groß, verriet er Alf Cremers im Gespräch.