Super-seltene Chevrolet Corvette C3 L88 verkauft
Eine halbe Million Euro für die Corvette-Rarität
Von dieser besonders gesuchten Corvette-Modellvariante entstanden insgesamt nur 216 Exemplare. Ihrem Siebenliter-V8 werden bis zu 588 PS nachgesagt.
09.02.2021 Thomas HarloffEigentlich sieht diese 1969er Corvette C3 recht unscheinbar aus in ihrem schwarzen Karosseriekleid. Dabei handelt es sich um ein ganz besonderes Exemplar. So selten, dass spätere Grand Sport- oder ZL1-Versionen wie Massenware wirken. Sie verfügt nämlich über den insgesamt nur 216 mal eingebauten L88-Motor, den heiligen Gral unter den Corvette-Triebwerken. Allein das hat den Preis bei der Auktion des Autos auf der US-Plattform "Bring a Trailer" nach oben getrieben. Und zwar auf 610.000 Dollar, aktuell umgerechnet gut 500.000 Euro.
V8-Monster mit verschleierter Leistung
Was also hat es mit dem L88 auf sich? Es handelt sich natürlich nicht einfach um den normalen Big-Block-Motor mit sieben Litern (427 Cubic inch) Hubraum. Corvette-Technik-Genie Zora Arkus-Duntov selbst veranlasste diese spezielle Ableitung des V8-Monsters, um dem Coupé Beine zu machen. Das Problem: Es gab damals ein Gentlemen's Agreement der US-Autohersteller, das Autos mit besonders hoher Leistung ausschloss und an das sich auch GM halten wollte.
Also verschleierte Arkus-Duntov die wahren Fähigkeiten des L88, die nur Eingeweihte kannten – beispielsweise Rennfahrer, die diese spezielle Corvette sogar bei den 24 Stunden von Le Mans einsetzten. Offiziell leistete der Motor 430 bhp (436 Euro-PS) und damit sogar etwas weniger als der reguläre 427er-Big-Block. Ungewöhnlich, schließlich wollte der V8 mindestens mit 95-oktanigem Sprit verköstigt werden, den es im Niedrigoktanland USA wahrlich nicht an jeder Tankstelle gab und gibt. Doch erst mit 103-oktanigem Rennsprit schöpfte das Triebwerk sein volles Potenzial aus und erreichte eine Leistung irgendwo im Bereich von 540 bis 580 bhp (548 bis 588 Euro-PS). Damit war die Corvette jener rennfertige Sportwagen, den Arkus-Duntov stets in ihr sah.
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Nicht nur der Motor war sportlicher
Der im letzten C2-Modelljahr 1967 eingeführte L88-Motor ist höher verdichtet als sein Standard-Bruder (12,0 zu 1), verfügt über eine Nockenwelle mit langen Ventil-Öffnungszeiten und eine besonders drehzahlbetonte Auslegung. Außerdem über Aluminium-Zylinderköpfe, einen Holley-Vierfachvergaser mit 850 Kubikzentimetern Fassungsvermögen und eine Transistorzündung. Damit der Fahrer wusste, wie er die volle Leistung abrufen konnte, gab es eine Startanleitung für den Motor.
Das Ausstattungspaket enthielt darüber hinaus ein verstärktes manuelles Viergang-Getriebe, ein Performance-Fahrwerk, ein traktionsförderndes und kurz übersetztes Hinterachs-Differenzial sowie optimierte Bremsen. Es kostete anfangs 1.500 und für die C3 immerhin noch knapp 1.000 Dollar. Klingt nicht viel, aber das täuscht: Eine Basis-Corvette des Modelljahres 1969 kostete nicht einmal 4.800 Dollar – als komplettes Auto. Entsprechend selten wurde die L88-Option in den lediglich drei Jahren ihrer Existenz gewählt: 20 mal im C2-Modelljahr 1967, 80 mal im Modelljahr 1968 und 116 mal im Modelljahr 1969.
Nichts für Gelegenheitskäufer
Diese Exklusivität war jedoch ganz in Zora Arkus-Duntovs Sinne: Gelegenheitskäufer sollten die Finger von der L88-Corvette lassen und zu den zahmeren Varianten greifen. Diese 'Vette' war von Beginn an etwas für Kenner und Könner, die zudem auf Komfort verzichten mussten. Eine Servolenkung, Klimaanlage oder ein Radio gab es in Verbindung mit der L88-Ausstattung nicht. Dafür schmale Sitze mit überschaubarem Seitenhalt und ein paar Zusatzinstrumente im Armaturenbrett. Der Tacho verfügt über eine 160 mph-Skala (257 km/h), der rote Bereich des Drehzahlmessers startet erst bei 6.500 Umdrehungen.
Dem Modelljahr 1969 entstammt das hier angebotene Exemplar, das eine Laufleistung von gut 28.000 Meilen (45.000 Kilometer) aufweist. Es wurde am 12. Februar 1969 bestellt, am 18. Juni gebaut und am 29. Juni über den Händler Jack Sullivan Chevrolet in Pittsburgh, US-Bundesstaat Pennsylvania, an seinen ersten Besitzer ausgeliefert. All das ist genauestens dokumentiert; auch die zahlreichen Zertifikate und Preise, die das Auto in seinem langen Leben erhalten hat, werden mitgeliefert.
Knackt diese L88 die Million?
Ob der Verkäufer mit dem Erlös zufrieden ist, ist nicht überliefert. Möglich, dass er sich insgeheim eine höhere Summe erhofft hat, schließlich wurden Vertreter des deutlich exklusiveren 1967er-Modelljahres schon für Millionen-Dollar-Summen verkauft. Unter den fünf teuersten je bei Versteigerungen veräußerten Corvettes befinden sich vier L88-Exemplare. Und bei einer früheren Auktion erzielte dasselbe Auto bereits 562.500 Dollar, umgerechnet etwa 464.000 Euro.