Sachsen Classic 2016
Der Dienstwagen des US-Gouverneurs
Mit der Startnummer 1 geht der Horch 8 Typ 750 B Pullman vom August-Horch-Museum auf die Reise. Das Luxusauto aus Zwickau hat eine bewegte Geschichte.
19.08.2016 Dirk JohaeDie mächtige blaue Horch-Limousine weckt meine Phantasie: Die viertürige Karosserie könnte mit ihrer klassischen Form noch aus den später 20er-Jahren stammen. Mit dem Öffnen einer der hinteren Türen fällt der Blick auf den sehr groß wirkenden Fond. Wer hat einst wohl auf dieser Rückbank gesessen?
Der Start bei der Sachsen Classic wird zur Spurensuche der Geschichte dieser Horch 750 Pullman-Limousine mit der Startnummer 1. Das Luxusauto von 1933 gehört heute zur Sammlung des August-Horch-Museums in Zwickau. Vor 77 Jahren rollte der damals 17.000 Reichsmark teure Wagen aus der Werkshalle des Herstellers, der damals bereit zu den vier Marken gehörte. Doch die vier Ringe als Erkennungszeichen des sächsischen Konzern sucht man noch vergebens: Überall am Auto vom Scheinwerferglas bis zur Heckstoßstange sind die Markenzeichen von Horch verteilt.
Mitfahren auf eigene Gefahr
Doch wer leistete sich damals einen solchen Luxuswagen aus Zwickau? Leider sind in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg die meisten Dokumente aus dem Unternehmensarchiv verschollen. Thomas Stebich, der Geschäftsführer des August-Horch-Museums, kann nur Vermutungen anstellen: „Wir gehen von einem Taxiunternehmen aus“, meint er. Ein kleiner Hinweis auf die Historie ist ein kleines Schild im Fond oben an der Trennwand, die die feine Welt der Fahrgäste diskret vom engen Arbeitsplatz des Chauffeurs trennt: „Das Mitfahren erfolgt auf eigene Gefahr“.
Stebich startet den Reihenachtzylinder, der seidenweich und fast geräuschlos seine Arbeit aufnimmt. Die Konstruktion des 4,5-Liter-Aggregats stammt noch von Fritz Fiedler, der als Nachfolger von Paul Daimler zu Horch kam und 1932 zu BMW gewechselt war. Er entwickelte für die Horch-8-Baureihe einen Zylinderkopf mit einer obenliegenden Nockenwelle, die von einer Königswelle angetrieben wird. Der ruhig laufende Langhuber leistet 90 PS, der die 2,1 Tonnen schwere Pullman-Limousine vorwärts treibt.
Ein Stück Nachkriegsgeschichte
Bei der Fahrt in dem langen Wagen hat man auf den Vordersitzen stets das Gefühl, im üppigen Fond sitze ein Fahrgast und kontrolliere von hinten mit strengem Blick die Arbeit von Fahrer und Beifahrer. Schon nach wenigen Kilometern offenbart Thomas Stebich eine Überraschung: „Dieser Horch war in den 40er-Jahren der Dienstwagen von Lucius D. Clay.“ Von 1947 bis 1949 war er Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone. Die US-Armee hatte den Horch konfisziert, gab die Pullman-Limousine aber nach der Gründung der Bundesrepublik wieder an die ursprünglichen Besitzer zurück.
Später gehörte der stattliche Viertürer mit einer Länge von 5,10 Metern dem Vorsitzenden des Horch-Clubs. Später kam der Horch zurück an seinen „Geburtsort“ Zwickau, wo sich heute das August-Horch-Museum befindet. Die nach der US-Firma von George Mortimer Pullman benannte Karosserieform ist großzügiger und luxuriöser als die herkömmliche Ausstattung – Pullman wurde zunächst durch den Bau von Luxus-Eisenbahnwaggons bekannt.
Besser nicht verfahren
Das Fahrverhalten des Horch wirkt dagegen etwas rustikal: Vom unsynchronisierten ZF-Aphon-Vierganggetriebe dringen deutliche Laufgeräusche in den Innenraum. Das Fahrwerk mit an Blattfedern aufgehängten Starrachsen gibt die Unebenheiten schlechter Straßen an die Passagiere weiter. Und bei einem Wendekreis von 14,50 Meter sollte man sich besser auf den 600 Kilometern der Sachsen Classic nicht verfahren.