Sachsen Classic 2014

Im DDR-Golf durch Sachsen

10.000 VW Golf I wurden in den Jahren 1978/1979 in die DDR exportiert. Wir fuhren mit der seltenen DDR-Version über die Strecke der Sachsen-Classic-Rallye: bekannte und verborgene Sehenswürdigkeiten zwischen Karlsbad, dem Erzgebirge, Nebra und Leipzig.

VW Golf I DDR-Version, Sachsen Classic, Impressionen Foto: Hans-Dieter Seufert 15 Bilder

Auf der Internationalen Friedensfahrt, jahrzehntelang gewissermaßen die sozialistische Tour de France in der DDR, wurde die Steile Wand in Meerane schon mal zur Staumauer für einen See von Tränen. "Du kamst abgekämpft auf dem Rad um eine ganz normale Häuserecke, und plötzlich schien die Strecke senkrecht in den Himmel zu steigen. Da haben schon einige Fahrer aus lauter Frust die Tränen nicht mehr zurückhalten können."

Gustav-Adolf "Täve" Schur, Radsportlegende, vielfacher Meister und Volksheld in der DDR, 1955 zum ersten Mal Gesamtsieger, erinnert sich mit blitzenden Augen an die zwölfprozentige Steigung in dem kleinen sächsischen Ort unweit von Zwickau. Für Donnerstag, den 21. August 2014, hat sich Schur eine besondere Referenz ausgedacht.

Die Sonderprüfungen an der Steilen Wand (ab etwa 12.30 Uhr) eröffnet er in einem zum Rennradtransporter umgebauten Wartburg. Ob der Kabarettist und Schauspieler Uwe Steimle auf seiner Strampelmaschine versuchen wird, das Idol nicht aus den Augen zu verlieren und mit Muskelkraft die Steile Wand zu bezwingen, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Am besten hin zur Steilen Wand und mit eigenen Augen schauen. Der Donnerstag ist der erste von drei Tagen Abenteuer.

Drei Tage Abenteuer auf sächsischen Traumstraßen

Die zwölfte Ausgabe der Rallye Sachsen Classic verwandelt das Land da, wo die teilnehmenden Teams gerade sind, in ein rollendes Museum der feinsten Art. 180 Klassiker der Vor- und Nachkriegszeit sind gemeldet, und die Marken reichen von A wie Audi über H wie Horch und V wie Volkswagen bis hin zu W wie Wanderer oder Wartburg. Ein Opel P4 Lieferwagen gibt sich die Ehre, und Kabarettist Urban Priol wird in seinem Renault R 15 über die 612 Kilometer jagen. Gestartet wird jeweils in Zwickau, das Ziel befindet sich diesmal in Leipzig, auf dem Augustusplatz.

Der erste Tag steht sozusagen im Zeichen des Eingewöhnens. Da gibt es wieder die klassische Wertungsprüfung auf dem Sachsenring mit seinen Höhen und Tiefen und der nicht enden wollenden Omega-Kurve.

Durch das Erzgebirge und Tschechien

Tag zwei der Rallye widmet sich der Schleife durch das Erzgebirge, die an der Grenze zu Tschechien nicht haltmacht, sondern die Rallye bis nach Karlsbad bringen wird. Zuvor jedoch wird hinter Wolfersgrün und Wildenau auch Schönheide passiert, Endpunkt der einst längsten Schmalspur-Dampfbahn Sachsens. Die heutige Museumsbahn lädt ein zu "Sommerdampf und Mondscheinfahrt", und ihre alten Bahnhöfe riechen noch nach Rauch, und den Ruß schmeckt man noch.

Die Begegnung mit den jüngsten Fans der Sachsen Classic findet allerdings nicht auf dem Museumsgleis, sondern mitten in Schönheide statt. Ein Spielzeuggeschäft hat eine Handvoll wunderbarer kleiner Roll- und Tretautos ausgestellt, mitten auf dem leicht abschüssigen Trottoir, und zwei junge Damen im schwierigen Alter zwischen Kindergarten und Grundschule würden am liebsten die Sitzprobe bis in den Abend ausdehnen. Wenn die Rallye am 22. August kommt, werden sie winken, ab neun Uhr morgens. Ehrensache unter Autofahrern.

Spuren des europäischen Hochadels in Karlsbad

Über Schneckenstein, Klingenthal und das schon tschechische Bublava geht es dann nach Karlovy Vary, mitten hinein ins alte Karlsbad. Hier nehmen nicht nur die Liebhaber von Fassaden der Jahrhundertwende ein Vollbad in der Belle Époque. Im Grandhotel Pupp etwa lockt das Pupp Royal Spa mit Sauna und Dampfbädern oder auch Eisbrunnen und Erlebnisduschen.

Das mondäne Publikum des seit Jahrhunderten renommierten Heilbads kurt und feiert hier mit derselben Grandezza, mit welcher der russische Zar Peter der Große zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Stadt an der Mündung der Teplá in die Eger zum Zentrum einer internationalen Sommerfrische für den europäischen Hochadel erhob.

Auf einen Sprung nach Oberwiesenthal

Zurück nach Zwickau führt die Strecke über Merklin und Abertamy nach Oberwiesenthal, wo der Rekordskispringer Jens Weissflog sein Hotel betreibt: "Von meinen Sportlerprämien habe ich mir damals einen Arbeitsplatz gekauft." Hausberg des Vorzeigespringers ist der Fichtelberg, mit 1.215 Metern Höhe gewissermaßen die sächsische Spitze des Erzgebirges. Zusammen mit dem tschechischen Keilberg (1.244 Meter, höchster Gipfel des Erzgebirges) bildet er das größte Skigebiet, das im Sommer zum Wandern im Tiefgrünen einlädt.

Ein Reservat für den Erhalt alter Handwerkskunst im Erzgebirgskreis findet sich in etwa 25 Kilometern Entfernung. Erster Hinweis auf die Tradition der Holzschnitzer ist ein gewaltiger Schwibbogen in Johanngeorgenstadt. Mäzen und Stifter ist Siegfried Ott, der in der 1674 gegründeten Stadt eine florierende Fabrikation von Edelstahlauspuffanlagen der Marke Fox betreibt. Klar, dass der Schwibbogen ebenfalls aus dem nicht rostenden Material besteht. Die um die Fabrik platzierten Wurzelmännchen tragen oft weder Säge noch Axt, sondern einen Schalldämpfer unter dem Arm.

Doch Firmenchef Ott ist auch Holzschnitzer und gut befreundet mit Gottfried Krauß aus dem Ortsteil Oberjugel. Für den ist Schnitzen auch Mittel der gesellschaftlichen Diskussion: Viele seiner Figuren zeigen unter dem Boden oder auf der Rückseite bissige Mahnsprüche, die an den Anstand appellieren und Bescheidenheit predigen.

Unübertrefflich: Der Thüringer Roster

In die Himmelsrichtung Nordwest zieht es die Rallye am dritten Tag. Nahe des Naumburger Doms ist Wochenmarkt, und obwohl die Saale-Stadt zu Sachsen-Anhalt gehört, bietet hier ein Bratwurststand die unübertrefflichen Thüringer Roster an. Eine Gruppe junger Mädchen schwärmt: "Roster muss sein, denn der schmeckt noch nach Bratwurst und nicht nach Gemansche, und Apolda in Thüringen ist ja nicht weit. Da kommen nämlich die besten Roster her."

Wer die Zwischenmahlzeit verpasst, wird im Barockschloss Burgscheidungen kulinarisch getröstet. Restaurantchefin Renate Kuhnt und ihre Kollegin weisen im Gewand bäuerlicher Mägde auch auf den Barockball hin, den Schlossherr Bernd Artinger und Frau Tina einmal im Jahr veranstalten. Vor dem Schloss macht die Rallye am dritten Tag Mittagspause, ab 11.45 Uhr.

Navi-Gerät der Bronzezeit in Nebra

Der zeitliche Abstand, der die Sachsen Classic von der Barockepoche trennt, wirkt winzig, sobald Nebra erreicht ist. In der Nähe fand sich vor einigen Jahren am Rande eines Ackers die älteste astronomische Darstellung von Himmel und Horizont. Die aus Gold und Bronze gefertigte Himmelsscheibe von Nebra ist immerhin rund 3.600 Jahre alt. Wie ein bronzezeitliches Navigationssystem zeigt sie den Mond, die Sonne, 32 Sterne, ein Boot und einen Horizontbogen. Etwa drei Kilometer vom Fundort entfernt erhebt sich das //www.himmelsscheibe-erleben.de/:Museum zur Himmelsscheibe, und obwohl das Original im Landesmuseum in Halle liegt, vermittelt eine akribisch genaue Kopie doch einen faszinierenden Einblick in die Wissenschaft der Bronzezeit.

Drittletzte Station des dritten Tages ist Merseburg, wo 1841 die Zaubersprüche aus dem 9. Jahrhundert entdeckt wurden. Vielleicht funktionieren die magischen Verse wie "Bein zu Bein, Blut zu Blut, Glied zu Glied, wie wenn sie geleimt wären" auch heute noch. Man könnte Bein durch Stahl, Blut durch Öl und Glied durch Einzelteil ersetzen. Dann bräuchte man im Falle einer Panne nur noch den Zauberspruch, um das Ziel in Leipzig auch sicher zu erreichen.

Tipps für die Reise auf den Spuren der Sachsen Classic

Um in Zwickau von kurzen Wegen zu den lokalen Sehenswürdigkeiten zu profitieren, empfiehlt sich der Aufenthalt im Holiday Inn am Zwickauer Kornmarkt. Von hier sind es nur ein paar Schritte zum Dom St. Marien und dem in seinem Schatten gelegenen böhmischen Restaurant Wenzel. Abends schmecken dort die tschechischen Biere Staropramen und Krušovice besonders süffig. Stadtauswärts Richtung Crimmitschau gelegen, ist das August-Horch-Museum unbedingt einen Besuch wert. Mehr Infos unter: www.holidayinn.com/zwickau, www.wenzel-bierstuben.de, www.horch-museum.de

Museumsbahn Schönheide: Fahrten mit Diesel- oder Dampflokzügen auf der einst längsten Schmalspurbahn Sachsens gehören heute noch zu den technischen Vergnügungen der nostalgisch-romantischen Eisenbahnepoche. Im Fahrplan stehen auch Sonderfahrten, etwa für heiratswillige Dampfbahnfans mit Trauung im Salonwagen. Mehr unter www.musumsbahn-schoenheide.de

Als Erholungsort der russischen Zaren machte sich Karlsbad (Karlovy Vary) schon vor Jahrhunderten einen berühmten Namen. Bis heute lädt die klassische Bäderarchitektur mit ihren Kolonnaden zum Entspannen ein. Preiswert ist der Genuss der typischen Karlsbader Oblaten, doch teuer wird's im Grandhotel Pupp: Das Präsidenten-Appartement kostet pro Nacht bis zu 1670 Euro. Preiswerter sind Einzelzimmer (153 bis 255 Euro, je nach Saison). Mehr Infos unter www.karlsbad.cz/de

Der Fichtelberg bei Oberwiesenthal gehört sozusagen zum Dach des Erzgebirges, und ein Ausflug zum malerischen Aussichtsturm auf der Spitze lohnt sommers wie winters: Bequem lassen sich die 1.215 Höhenmeter erreichen, denn auf den Fichtelberg führt die älteste Seilschwebebahn Deutschlands - in viertelstündlichem Fahrtakt. www.oberwiesenthal.de

Traditionelle Volkskunst zeigen die geschnitzten Schwibbögen mit Bergleuten, Symbolen des Handwerks und der Wunderblume aus der Sagenwelt des Erzgebirges. Der größte Bogen steht seit Kurzem in Johanngeorgenstadt: 25 Meter breit und - mit Kerze - 14,5 Meter hoch. www.johanngeorgenstadt.de

An fast alles lässt sich in Schmölln ein Knopf dranmachen: Seit dem 19. Jahrhundert ist in der thüringischen Stadt die Knopffabrikation zu Hause. Schmölln lockt dazu mit einem mittelalterlichen Stadtbild - auch wenn nach dem großen Brand von 1772 vieles neu aufgebaut werden musste. Übernachten lässt es sich ab 59 Euro pro Einzelzimmer trefflich im Hotel Bellevue. www.bellevuehotel.de

Die Stifterfiguren Uta und Ekkehard am Naumburger Dom sind jedem Kreuzworträtselfreund geläufig, die landschaftlichen Schönheiten zwischen Saale und Unstrut samt Weinbau und dem Kleinod Bad Kösen hingegen kaum - ein lohnendes Ziel für einen Wochenendausflug. Der einheimische Rebensaft lässt sich im Landesweingut Kloster Pforta im historischen Ambiente verkosten (www.kloster-pforta.de), zum Übernachten hält das Hotel Stadt Naumburg Viersternezimmer ab 70 Euro bereit (www.hotelstadt-naumburg.de).

Die 3.600 Jahre alte Himmelsscheibe von Nebra zeigt die weltweit älteste bisher bekannte Darstellung des Kosmos mit Sonne (oder Vollmond), einer Mondsichel sowie insgesamt 32 goldenen Sternen. Am Fundort Nebra gibt es ein sehenswertes Museum (www.himmelsscheibe-erleben.de); das Original der Scheibe befindet sich allerdings im Landesmuseum Sachsen-Anhalt in der Stadt Halle.

Merseburg gilt als Mutter aller mitteldeutschen Städte, denn die Zeugnisse der Kultur reichen hier bis ins erste Jahrtausend zurück. Weltbekannt sind neben Dom, Schloss und Ständehaus die althochdeutschen "Merseburger Zaubersprüche", die das älteste und umfassendste Zeugnis der frühesten deutschen Literatur verkörpern. Wer's preiswert mag, übernachtet im Appartement-Restaurant Imperial ab 35 Euro pro Einzelperson (jede weitere Person 10 Euro Aufschlag); teurer wird's im Schlosshotel Schkopau, wo Einzelzimmer ab 149 Euro kosten. www.schlosshotel-schkopau.de

In Leipzig genießen die ansässigen Kabarett- und Revuetheater einen ausgezeichneten Ruf. Mit den academixern, dem Brettl, der Pfeffermühle, der Funzel, dem Theater Sanftwut, dem Krystallpalast, dem Central Kabarett und dem Palmengarten bieten hier nicht weniger als acht Etablissements sächsische Unterhaltung vom Lustigsten. Danach einen Absacker in Auerbachs Keller, jener Kneipe, in der einst schon Goethe zechte (www.auerbachskeller-leipzig.de) und in der zurzeit das Stück "Goethes Dramen mit den Damen" gegeben wird.