Saab 99, 900 und 9000
Schwedischer Turbo-Druck aus 3 Jahrzehnten
Dreimal Saab Turbo: der kernige 99, der kultivierte 900 und der luxuriöse 9000 sind Autos mit Charme und Charakter, die zwar nicht perfekt sind, dafür aber besonders wertvoll - und mittlerweile selten.
09.11.2015 Alf Cremers
Saab fahren intellektuelle Freiberufler, die sich dunkel kleiden und einen Sinn für Ästhetik haben. Saab-Fahrer sind Individualisten, sie mögen keinen Konsumzwang. Es sind Querdenker, die kurzlebige Moden verachten und auf Nachhaltigkeit setzen. Das Klischee lebt, und es stimmt – vor allem das vom Saab-Fahrer: Er würde nie in einen BMW oder Mercedes steigen. Ja, er hat noch einen Neuen in Reserve für später, weil es die Marke ja nicht mehr so richtig gibt.
Los ging's in Deutschland mit einem Ford-V4
Der Schweden erster Achtungserfolg in Deutschland war der viertaktende Saab 96 mit dem 65 PS starken V4-Motor von Ford. Ein Auto für rallyebegeisterte Außenseiter, die zugunsten der skurrilen, strömungsgünstigen Ei-Form und des Monte-Carlo-Mythos viele Nachteile des konstruktiv antiquierten Wagens in Kauf nahmen. Das erste Auto des schwedischen Flugzeugherstellers Saab war ein respektables Gesellenstück – meisterlich geriet es nicht.
Für diesen Generationsvergleich haben wir das Saab-Urgestein 96 weggelassen und uns der geradlinigen Saab-Erbfolge mit den Ziffern 99, 900 und 9000 gewidmet, allesamt als Turboversionen, weil aufgeladene Motoren ein Saab-Glaubensbekenntnis für Effizienz und Ökonomie sind. Man sparte sich die Entwicklung vielzylindriger Triebwerke und schuf den manierlichen Turbo, der Anständiges leistet, aber nicht säuft.
Individualität als Marktnische und Turbo als Glaubensbekenntnis
Der Saab 99 Turbo von 1980 ist ein Stufenheckmodell in auffälligem Metallicrot, die flauschigen Velourspolster dazu Ton in Ton. Respekteinflößende 268.437 km zeigt der Tacho, natürlich mit dem ersten Motor, wie Saab- Papst Johann Heuschmid aus Obergünzburg später mit lässiger Handbewegung betonen wird: "Ein Saab hält so etwas locker aus." Das Auto stammt aus Schweden, gebaut wurde es laut Typenschild bei Valmet in Finnland. Es trägt ein paar Gebrauchsspuren mit Würde, die weiß umrandeten Rückleuchten wirken wie selbst dekoriert, sind aber Serie.
Mit dem Combi-Coupé-Heck wirkt der Saab 99 Turbo viel dynamischer, die biedere Understatement- Stufe stammt noch vom frühen 99, dessen eigenwillige, aber zeitlose Form von Hausdesigner Björn Envall bereits 1965 kreiert wurde. Hätte der 99 Turbo die markanten Räder im analogen Schaufelrad-Design nicht, man würde ihn für einen einfachen Saab 99 GL halten.
Saab fahren heißt umdenken bis zum Typ 9000: Die Motorhaube öffnet sich wie einst bei BMW gegen die Fahrtrichtung, und das Zündschloss sitzt auf der Mittelkonsole. Die stark gerundete, schmale Windschutzscheibe erinnert an eine Flugzeugkanzel. Man sitzt hoch und aufrecht, auch im Saab 99 Turbo, die skurril geformten Sitze mit den langen Lehnen bieten Geborgenheit statt Seitenhalt. Die schmale, kompakte Karosserie ist auch innen kein Raumwunder. Satt fällt die Fahrertür ins Schloss, Saab steht für Gediegenheit und Qualität, das 34 Jahre alte Auto kennt keinen Rost.
So herrlich unvollkommen
Anders ist immer da, anders fährt auf dem Beifahrersitz mit, der Saab 99 Turbo ist besonders anders. Der Motor klingt schon oberhalb der Leerlaufdrehzahl kernig und verheißungsvoll, wäre da nicht der Ladedruck-Zyklop im Blickfeld, man würde stoisch in etwas steifer Fronttriebler-Manier seine Bahn ziehen. Die Lenkung geht stramm und gibt die Antriebseinflüsse auch mangels Servo ungefiltert weiter, andere Getriebe lassen sich leichter und geschmeidiger schalten.
Wenn man unter zartem Gasgeben im Saab 99 Turbo bei 3.000/min in den nächsten der insgesamt fünf Gänge schaltet, wäre zwar immer noch alles anders, aber nichts besonders dynamisch. Turbo ist ein Versprechen, Turbo fühlt sich nach sanfter Gewalt an, Turbo heißt: Jetzt trete ich durch.
Anders beim Saab 99. Hier kann Turbo, muss aber nicht. Ich versuche es, spüre, dass schon bei 2.000 Touren der Lader Rückenwind schaufelt, schalte erst bei 4.500/ min in den Dritten, Turbo zieht das kleine, relativ leichte Auto wie am Gummiband unaufhaltsam mit Nachdruck, aber ohne Entsetzen. Seine Leistungsentfaltung erinnert an einen bürgerlichen Dreiliter-Sechszylinder, Drehmoment satt, und das schon im Drehzahlkeller. Sicher ist der Saab 99 Turbo sparsamer als ein Dreiliter von BMW oder Opel, weil der Turbo selbst bei zügiger Fahrt meist auf Sparflamme läuft.
Drehzahlen bis 300.000/min
Im Motorraum des Saab 99 Turbo sieht man die armdicken Rohre, die zu einem Schneckengehäuse aus Guss führen; dort rotiert mit exorbitanter Drehzahl von bis zu 300.000/min ein Schaufelrad, das dem Motor die Ansaugluft reinpresst. Der OHC-Motor ist für ein 70er-Jahre- Aggregat modern konstruiert, mit Querstromkopf und direkter Ventilbetätigung über Tassenstößel. Die Saab-Ingenieure mögen keinen Zahnriemen, also setzen sie auf eine solide Kette.
Plus an Laufkultur: 900 Turbo
Der Umstieg in den Saab 900 Turbo mit 16-Ventil-Motor überrascht: Ein neues Auto, wo doch zwischen den Achsen alles beim Alten geblieben zu sein scheint? Optisch wirkt der Saab 900 weit opulenter, nicht mehr filigran, sondern satt und gediegen. Innen zeigt sich bis auf die Türverkleidungen alles neu tapeziert, wohnlicher, luxuriöser. Bestens profilierte Sitze, mit feinem Leder bezogen, eine renovierte Instrumententafel ohne Zyklop, in edlem Holzfurnier gefasst.
Im Motorrraum wohnt jetzt ein imposanter breitköpfiger Vierventiler mit zwei obenliegenden Nockenwellen, der Gussblock blieb, die Stirnseite zeigt nach wie vor zur Spritzwand. Auch die eigenwillige Etagenbauweise mit einem separaten Primärtrieb über eine dreigliedrige Kette von der Kupplung auf das darunterliegende Getriebe. Auch mit dem 900 bleibt Saab ziemlich anders.
Das Fahren fühlt sich weit kultivierter an als im Saab 99, die Servolenkung ist angenehm direkt und filtert Antriebseinflüsse weg. Das sorgfältig geführte Starrachs-Fahrwerk wurde komfortabler abgestimmt. Vorne blieb es bei verwinkelten Doppelquerlenkern, die kunstvoll um die Antriebswellen herumgebaut sind. Eine McPherson-Achse, wie sie die andern haben, wäre einfacher gewesen, aber nicht so stabil.
Saab-Konstrukteure machen es sich eben nie leicht
Auch nicht beim Saab 9000, der quasi schon fertig war. Als Tipo 4 von den Italienern angeliefert für Fiat Croma, Lancia Thema und Alfa Romeo 164, die gleiche Bodengruppe, die gleiche Karosseriestruktur. Also, liebe Saab-Leute, bitte bedient euch, hängt eure Motoren und Achsen rein und fertig ist das Luxusmodell oberhalb des 900, das ihr so dringend braucht.
Aber die Saab-Ingenieure haben das Joint-Venture-Blech für zu weich befunden, für ihren Saab 9000 Streben und Verstärkungen reingeschweißt, vor allem den Vorderwagen crashsicher versteift. Nur die Croma-Türen bleiben im Profil unverkennbar, Heck und Front bekamen von Saab-Designer Björn Endevall ein markentypisches Aussehen.
9000 – der ganz normale Saab
Die mechanisch so reizvollen und haltbaren Saab-Vierzylinder, diese brillanten 16-Ventiler, Sauger oder Turbo, blieben an der Kette, aber quer eingebaut. Der Antrieb nun mit angeflanschtem Getriebe, die Vorderachse McPherson wie überall, aber die hintere Vierlenker-Starrachse mit Reaktionsdreieck blieb eigenständiges Saab-Kulturgut.
Natürlich profitiert der Saab 9000 in seiner überragenden Fahrkultur auch von den erprobten Segnungen des Mainstreams. Vieles, was seine charaktervolleren Vorgänger auszeichnete, war anders, aber unter dem Strich nicht besser. Unser später 9000 CSE fährt sich so komfortabel und souverän wie eine jüngere S-Klasse. Das ist die Sonnenseite verminderter Markenidentität, die auch den allmählich akzeptierten 900 Serie II auf Opel-Vectra-Plattform betrifft.
Der Saab 9000 spielt die Rolle des famosen Reisewagens, sein Raumkomfort ist trotz des eher knappen Radstands fürstlich, die Fahrgeräusche sind stets dezent. Die ZFViergangautomatik harmoniert wunderbar mit dem drehmomentstarken kleinen Turbo, wie der Zweiliter intern gerne genannt wird. Es gibt noch einen 2,3-Liter mit 220 PS, gegenläufige Ausgleichswellen für mehr Laufkultur. Aber die war noch nie ein wirklicher Kaufgrund für Saab-Fans.
So viel kosten Saab 99, Saab 900 und Saab 9000
Fangen wir mit dem Saab 99 Turbo an. Er ist der Älteste und auch der Teuerste des Trios. Rund 12.000 Euro gibt der Marktbeobachter Classic-Analytics für ein Exemplar im Zustand 2 an. Im Zustand 4 sind rund 2.600 Euro fällig.
Der Saab 900 Turbo liegt preislich schon deutlich darunter, ab etwa 8.600 Euro gibt es Zustand-2-Autos, ab 1.600 Euro mäßige Vierer. Der Jüngtse ist mit Abstand der Günstigste: Für etwa 3.700 Euro gibt es gepflegte Saab 9000 im Zustand 2, schon für deutlich unter 1.000 Euro kann man fahrbereite Exemplare finden.