Auktion Mercedes 300 SL Roadster Ex-Manuel Fangio
Fangio hat seinen SL wahrlich nicht geschont
Roststellen, abgeplatzter Lack und ein total verschlissener Innenraum: Dieser Mercedes 300 SL Roadster ist in einem bemitleidenswerten Zustand. Trotzdem dürfte er teuer werden, was nicht nur am prominenten Vorbesitzer liegt.
13.02.2022 Thomas HarloffDie Verbindung zwischen Juan Manuel Fangio und Mercedes-Benz ist eine ganz besondere. Kein Wunder: Zwei seiner fünf Fahrertitel in der Formel 1 gewann der Argentinier in Silberpfeilen: 1954 und 1955. Doch die gegenseitige Wertschätzung beschränkte sich nicht nur auf den Motorsport. Bereits bevor er Mercedes-Werksfahrer wurde, handelte Fangio in Buenos Aires mit den Produkten der Stuttgarter; der Verkauf von Taxis war seine Spezialität. Später baute er in seiner Heimat ein Motorenwerk für die Schwaben auf und fungierte zudem als Leiter der argentinischen Mercedes-Benz-Dependance sowie als Markenbotschafter für Südamerika. 1987 ernannte ihn Mercedes-Benz zum Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit.
Obwohl Fangio seine finalen Saisons für die Mercedes-Rivalen Ferrari und Maserati absolvierte und dort seine letzten beiden WM-Titel gewann, waren es nicht die Italiener, sondern die gemeinhin als geizig verrufenen Schwaben, die ihm ein besonderes Abschiedsgeschenk überließen: Der damalige Rekord-Champion bekam einen 300 SL Roadster überreicht, der in Anlehnung an Argentiniens Nationalfarben eine Karosserie in Hellblau-Metallic und einen cremefarbenen Innenraum erhielt. Demnächst wird das Auto von RM Sotheby's im Schweizer Nobel-Skiort St. Moritz im Rahmen einer geschlossenen Veranstaltung versteigert.
Eines von Fangios Lieblingsautos
Die Historie des offenen Schwaben ist bestens dokumentiert. Der SL mit der Fahrgestellnummer 198.042.8500083 wurde 1958 im Werk Stuttgart-Untertürkheim gebaut und Fangio in London anlässlich seines 47. Geburtstages überreicht. Von dort aus ging es direkt auf große Europa-Tour. Erst 1960 ging es für ihn nach Argentinien. Nachdem "El Maestro" endlich den Führerschein machte (er absolvierte seine komplette Karriere ohne offizielle Erlaubnis, ein Auto im öffentlichen Straßenverkehr führen zu dürfen), entwickelte sich der Mercedes zu einem seiner Lieblingsautos. Die Experten von RM Sotheby's gehen davon aus, dass Fangio auf fast allen der 72.951 zurückgelegten Kilometer selbst am Steuer saß und dieses Auto gegenüber seinen anderen bevorzugt nutzte. Zumindest zeigen ihn zahlreiche historische Fotos auf dem Fahrersitz des hellblauen Roadsters.
Zwar beschäftigte der Renn-Rentner eigens einen mit der Wartung des Autos beauftragten Mechaniker, den er sogar nach Stuttgart schickte, damit er dort die nötigen Tricks im Umgang mit dem SL lernen konnte. Aber der Maestro setzte es bei Wind und Wetter ein: Waren die Bedingungen gut, fuhr er den Mercedes natürlich mit geöffnetem Verdeck. Bei schlechtem Wetter kam einfach das Hardtop drauf. Fangio soll das Auto sogar bei diversen Rennveranstaltungen eingesetzt haben, wobei dies nicht verifiziert werden kann.
Lackabplatzer, Rost, verschlissenes Interieur
Heute zeugt der Zustand des Roadsters davon, dass er in Fangios Händen keineswegs geschont wurde. Das Auto ist in genau jener Verfassung, in der es 1986 ins offizielle Fangio-Museum in seiner Heimatstadt Balcarce rollte; dort stand es Seite an Seite mit den berühmtesten Rennwagen des Argentiniers. Viele Karosseriestellen weisen abgeplatzten Lack und sogar Rost auf, wobei das rundum verschlissene und teils dreckige Interieur besonders bemitleidenswert daherkommt. Hier zeigen sich laut RM Sotheby's "alle Abnutzungserscheinungen, die der große Mann selbst verursacht hat – einschließlich der Stelle, an der sein Knie beim Kuppeln mit dem unteren Armaturenbrett kollidierte". Auch der von Fangio selbst nachgerüstete Schaltknauf, der von ihm auf seinen Reisen genutzte Koffer im Gepäckabteil und der Aufkleber, der auf dessen Mitgliedschaft in der "Grand Prix Drivers’ Association" referenziert, sind noch vorhanden.
Angesichts des unrestaurierten Originalzustandes ist es keine Überraschung, dass hier uneingeschränkt das Prädikat "matching numbers" gilt. Ob Fahrgestell, Karosserie, Motor, Getriebe oder Differenzial: Nichts wurde getauscht, all diese relevanten Teile sind noch jene, die 1958 im Untertürkheimer Werk eingebaut wurden. Besonders begehrenswert dürfte den SL zudem ein anderer Fakt machen: Wer auch immer in St. Moritz den Zuschlag erhält, wird erst die zweite Besitzerin oder der zweite Besitzer des Autos nach der Familie Fangio sein.