Restaurierung Scirocco GTI Kamei X1 (1981)

Der wiederbelebte Showstar von Kamei

Tobias Enslin aus der Nähe von Nördlingen erwarb das einstige Ausstellungsfahrzeug der Firma Kamei, den VW Scirocco GTI Kamei X1. Mit viel Eigenleistung restaurierte er den zubehörbestückten Wagen, der 1982 auf Messen zu sehen war.

VW Scirocco GTI Kamei X1, Exterieur Foto: Fact 19 Bilder

Nein, das ist kein Scirocco Scala oder GTX. Es ist auch kein Scirocco II, der nachträglich mit Spoilern versehen wurde. Aber dazu gleich mehr. Wenden wir zunächst unsere Aufmerksamkeit dem heutigen Besitzer des Wagens, Tobias Enslin aus der Nähe von Nördlingen, zu. Der hat zusammen mit seinem Vater, einem gelernten Landmaschinenmechaniker, schon viel an älteren Autos geschraubt. Den Platz dazu haben sie, denn auf ihrem Bauernhof steht ihnen eine geräumige Halle für ihre Schrauberaktivitäten zur Verfügung.

"Mein erstes Auto war ein VW Scirocco II mit 95 PS, den ich günstig erwerben konnte", erinnert sich Tobias. Der Wagen war deshalb so billig, weil er schon eine Weile stand und die Hauptuntersuchung lange überfällig war. Aber das stellte für die geschickten Schrauber kein Problem dar, sie brachten das Auto wieder auf die Straße.

Weitere Wagen mit Reparaturbedarf folgten, darunter auch ein Scirocco der ersten Serie, denn diese Modellreihe von VW hat es Tobias angetan. Und als der damals 19-Jährige eines Tages das Angebot auf Ebay Kleinanzeigen studierte, fiel ihm sofort ein besonderes Auto ins Auge. Angeboten wurde ein ehemaliges Ausstellungsfahrzeug der Firma Kamei, ein Scirocco II mit etlichem Zubehör.

Das Auto stand in Hanau, und nach einem Telefonat mit der Verkäuferin machte sich Tobias am folgenden Tag auf den Weg nach Hessen – mit Zugfahrzeug und Anhänger, denn der VW lief nicht. Vor Ort stellte sich heraus, dass sich schon etliche Interessenten gemeldet hatten. Aber viele wollten nur den Motor. Doch das gefiel der Verkäuferin gar nicht, denn sie wusste um die Geschichte des Autos und besaß sogar eine zeitgenössische Zeitschrift mit einem Bericht über diesen speziellen VW.

VW Scirocco GTI Kamei X1, Motorraum Foto: Fact
Der GTI-Motor wurde damals von Sorgler & Söhne mit klassischem Tuning auf 143 PS (Serie: 110 PS) gebracht.

Auch wenn Tobias zunächst noch nicht alle Details kannte, war ihm klar, dass es sich um ein besonderes Exemplar handelte. Trotzdem war er sich plötzlich nicht mehr ganz schlüssig, ob er es tatsächlich kaufen sollte. Denn schließlich warteten daheim unter anderem ein Scirocco I und ein Opel GT/J auf die Fertigstellung. Ein kurzer Anruf beim Vater verschaffte ihm Rückendeckung: "So eine Gelegenheit bekommt man nur einmal", lautete sein Urteil, und so kaufte Tobias das Auto.

Mittlerweile weiß er einiges mehr über die Geschichte dieses Wagens. Als der Scirocco II im Jahr 1981 herauskam, erwarb die Firma Kamei diesen GTI mit 110 PS in Alpinweiß und rüstete ihn mit allem verfügbaren Zubehör aus, um ihn dann auf Messen zu präsentieren. Zur Ausstattung gehörte zum Beispiel das von Kamei neu kreierte X1-Zubehörpaket. Es umfasste einen Frontspoiler, Seiten- und Heckschürze sowie mittig auf der Haube ein Luftführungsset aus PU-Schaum, das aber später gegen längliche Luftleitgummis getauscht wurde, die am Rand der Haube montiert waren.

Jede Menge Sonderzubehör

Doch damit nicht genug. Der Scirocco erhielt einen anderen Grill, die US-Scheinwerfer und das damals sehr beliebte Glaskippdach. Ferner erfolgte eine aufwendige Lackierung in Perleffekt, und als Dekor gab es an den Wagenflanken das sogenannte Scirocco-Sprint-Set, eine selbstklebende Designfolie.

VW Scirocco GTI Kamei X1, Exterieur Foto: Fact
Als Dekor gab es an den Wagenflanken das sogenannte Scirocco-Sprint-Set.

Auch der Innenraum wurde kräftig aufgewertet und erhielt eine rote Ganzlederausstattung mit eingearbeiteten grauen Flächen auf den Sitzbahnen und tiefer liegenden Partien der Seitenverkleidungen. Sogar das Lenkrad erhielt einen roten Lederüberzug, während der Pralltopf in Grau gehalten war. Für den richtigen Sound sorgte eine Bose-/Clarion-Stereoanlage mit allein acht Lautsprechern in der Hutablage. Außerdem war ein Bordcomputer eingebaut, der auf einen als besonders schick geltenden Schwanenhals montiert war und aus der Mittelkonsole herausragte.

Die ebenfalls in Perleffekt lackierten Räder der Größe 5,5 x 15 stammten von Centra. Sie waren beim Kauf nicht montiert, doch zum Glück existierten sie noch. Leider fehlten dafür das originale Lenkrad, der Bordcomputer und der Schaltknauf.

VW Scirocco GTI Kamei X1, Interieur Foto: Fact
Die ebenfalls in Perleffekt lackierten Räder der Größe 5,5 x 15 stammten von Centra.

Dass der Motor nicht lief, störte Tobias zunächst einmal nicht. Er war sich sicher, den Defekt zu finden. Aber auch bei diesem Triebwerk handelte es sich um etwas Besonderes. Denn der Reihenvierzylinder war damals bei der Firma Sorgler & Söhne in Meinerzhagen in Kur. Die verpassten ihm durch eine größere Bohrung und eine andere Kurbelwelle 1,8 statt 1,6 Liter Hubraum, wie es VW erst ab 1983 praktizierte. Mit einer 272-Grad-Nockenwelle, überarbeiteten Ein- und Auslasskanälen sowie weiteren Feinarbeiten wuchs die Leistung von 110 auf 143 PS, womit der Scirocco eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h erreichte – nicht zuletzt wegen des Kamei-Kits, der für eine Reduzierung des Luftwiderstands um 8,6 Prozent sorgt.

Doch vom Fahren konnte Tobias zunächst nur träumen. In der heimischen Werkstatt ging es erst mal dem Rost an den Kragen. Dieser hatte sich an den vorderen Kotflügeln breitgemacht, aber besonders an den Schwellern und dem Bereich um die hinteren Achsaufnahmen. "Auch um die Schraubenlöcher für die Befestigung der Anbauteile war Korrosion entstanden", berichtet Tobias.

Eine gute Entscheidung war es, einen weiteren Scirocco II als Schlachtfahrzeug zu erwerben. "Das war einer der letztgebauten mit sehr gut erhaltenem Blech", begründet der Hobbyschrauber den Kauf. So konnte Tobias, der die Schweißarbeiten gemeinsam mit seinem Vater durchführte, die aus dem Kamei-Scirocco herausgetrennten rostigen Partien durch exakt passende Bleche ersetzen, die er aus dem Spenderfahrzeug schnitt. Die im Hinterachsbereich zu ersetzenden Partien entstanden mühevoll von Hand aus einer Blechtafel. "Das war sehr zeitintensiv, aber man sieht keinen Unterschied zum Original", sagt Tobias nicht ohne Stolz.

VW Scirocco GTI Kamei X1, Interieur Foto: Fact
Die Sitze haben mit der Zeit gelitten, aber Tobias wollte sie im Original erhalten.

Von den Anbauteilen hatte besonders der Frontspoiler gelitten. Doch die Risse ließen sich mit Glasfasermatte und Polyesterharz wieder schließen. Das machte Tobias selbst, aber die ganze Lackvorbereitung und das Lackieren überlie. er einem Profi.

Problem Dekorfolie

Einen Spezialisten brauchte er ebenfalls, als es um Ersatz für die beschädigte Designfolie an den Flanken ging. Sie ist netzartig ausgeführt, mit unterschiedlich großen Löchern, durch die der weiße Lack scheint. Nach langem Suchen fand er eine Firma, die anhand von Mustern auf der Tür und dem Kotflügel sowie einem noch originalen neuen Ersatzstück für das hintere Seitenteil den kompletten Kit nachfertigte.

Das patinierte, einst von Hand vernähte Leder des Interieurs wollte Tobias erhalten, und so blieb es beim Reinigen. Nur der Dachhimmel war unbrauchbar. Mit dem Himmel des Schlachtfahrzeugs als Muster nähte die Mutter einen passenden Ersatz aus beigem Leder. Die Arbeiten an der Technik waren für Tobias Routine. Warum der Motor nicht lief, hatte er schnell herausgefunden. Es mussten nur das Kraftstoffpumpenrelais und die Pumpe ersetzt werden. Ansonsten benötigte der rund 135.000 Kilometer gelaufene Motor nur einen großen Service samt neuem Zahnriemen.

Alle Verschleißteile des Fahrwerks wie Stoßdämpfer, Gummi oder Radlager kamen neu, die Bremsanlage wurde überholt. Sämtliche Achsteile entrostete Tobias mit einem Sandstrahlgerät. Anschließend grundierte und lackierte er sie, sodass alles wieder wie neu aussah.

Nach rund anderthalb Jahren erstrahlte der Kamei X1 wieder im alten Glanz. Seine besondere Geschichte sieht man dem Auto nicht an, aber zumindest die Scirocco-Szene reagierte auf die Wiederbelebung des Kamei-Ausstellungsfahrzeugs mit erhobenem Daumen.