Restaurateur für Vespas von Piaggio
Holländischer Meister der Motorroller aus Italien
Peter Maas von Maskes Vespa Klassiekers aus dem niederländischen Rijen hat sich den Namen des Vespa-Flüsterers mehr als verdient. Allein die rund 30 Vespas in seinem Besitz sind eine Reise wert.
24.03.2017 Marcel Sommer„Bitte wenden“, säuselt die nette Damenstimme aus dem Navigationsgerät in den Fahrzeuginnenraum. „Wie bitte? Da war doch nichts zu sehen“, ruft die innere Stimme der auf ihrer Meinung beharrenden Navi-Ansage entgegen. Doch wie so oft behält die Frau Recht. Wer zu einem der besten Vespa-Experten im Bereich der Restaurierung gelangen möchte, braucht gute Augen und ein gutes Navi. Denn die heiligen Räume des 38-jährigen Peter Maas liegen verborgen in einer gepflasterten Hofeinfahrt im niederländischen Rijen. Schon im Eingangsbereich von Maskes Vespa Klassiekers gibt es die ersten zweirädrigen Exoten zu bestaunen. Ob nun die von zwei Baccettas aus dem Jahr 1949 flankierte VNA von 1958 oder die von Peter Maas und seiner Lebensgefährtin Hilde Visser im Nu zur spontanen Sitzgelegenheit umfunktionierten Vespa VM 1953 und VM von 1954 – für echte Vespa-Fans sorgen schon die ersten wenigen Quadratmeter für einen erhöhten Puls.
Raritäten und Ersatzteile aus der Welt der Vespa
Die ersten Milliliter Adrenalin kommen hinzu, wenn es in die beiden oberen Stockwerke des Gebäudes in der Hoofdstraat 77 in 5121 JB Rijen geht. Dient die oberste Etage als Lagerraum für jedwede Form und Art von Ersatzteilen, stehen eine Etage tiefer Vespa-Exoten in allen möglichen Konditionen und Variationen. Am eindrucksvollsten baumelt eine MISA GLA von 1960 von der Decke. Die völlig verrostete Vespa lag mehrere Jahre in einem See in Breda und fällt nun stetig dem Sauerstoff zum Opfer. Weniger Meter daneben strahlt eine SS90 mit den übrigen Zweirädern um die Wette. Sie ist die einzige ihrer Art, die jemals in den Niederlanden verkauft wurde. Getoppt wird ihre Geschichte fast nur noch von der ältesten Vespa der Niederlande, einer V1 von 1948. Was nicht heißt, dass die Rally 180, Rally 200 und die zahlreichen weiteren Exemplare es weniger wert wären bestaunt zu werden.
Auch Vespa-Restaurierungen kosten mehrere 1.000 Euro
Dass Peter Maas nicht nur sehr spezielle Vespas besitzt und sie auch ab und an mal fährt, ist in seiner Werkstatt zu sehen. Denn zu Peter Maas kommen die Kunden vor allem dann, wenn sie etwas auf dem Herzen haben. Und das ist in den meisten Fällen der aktuelle Zustand ihres Zweitakt-Familienmitglieds. „Wenn ich meine Vespa-Schätze zum Peter bringe, dann sehen die hinterher aus wie neu. Und das lasse ich mich auch gern etwas kosten“, verrät der in der Vespa-Szene nicht ganz unbekannte Sammler Arndt Winter aus Essen. Was genau solch eine Restaurierung kostet, hängt natürlich vom Umfang ab. Doch ein paar tausend Euro gehen schnell mal über die Ladentheke.
Allerdings sind es nicht die großen Instandsetzungen und Wiederherstellungen, die bei Maskes Vespa Klassiekers die Masse ausmachen. „Das am meisten gekaufte Teil ist ein Kupfer-Dichtring für 50 Cent“, verrät Peter Maas. Und damit solch ein Dichtring nicht nur per Hand in den Niederlanden übergeben wird, sondern auch entfernte Kunden in Australien, den USA und sonstwo auf diesem Planeten erreicht, steht seit einiger Zeit ein eigener Online-Shop zur Verfügung. „Was damals nur mein Hobby war, hat sich im Laufe der Jahre zu einem 24/7-Job entwickelt“, erklärt er mit Blick auf die unterschiedlichen Zeitzonen weiter. So gern Peter Maas auch Vespa-Fans in aller Welt hilft, so steht für ihn eines fest: „Wir restaurieren nur Exemplare bis zum Baujahr 1990. Dabei muss jedoch eines erwähnt werden: Modelle aus indonesischer Produktion fassen wir nicht mehr an. Wir hatten mal eines hier, es war das erste und letzte Mal, die fiel beim ersten Kickstart-Versuch komplett auseinander. Oder anders formuliert: Da kommt nur Müll her.“
Die Geschichte der Vespa von Piaggio
Es ist das Jahr 1884. Der Schriftsteller Mark Twain hat soeben die letzten Zeilen seines späteren Welthits "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" beendet und in Afrika streiten sich die Europäer, welches Land zu wessen Kolonie werden soll. Zur selben Zeit richtet der Italiener Rinaldo Piaggio in Sestri Ponente bei Genua eine kleine Werkstatt für Holzverarbeitung ein. Der ursprünglichen Spezialisierung auf Inneneinrichtung für Schiffe folgen 1915 in einem weiteren Werk Flugzeug-Reparaturen und letzten Endes sogar Flugzeug-Konstruktionen. 1938, nach dem Tod von Rinaldo, übernimmt sein Sohn Enrico das Unternehmen. Auf Mussolinis Auftrag baut er für dessen Griechenland-Offensive den Bomber P.108.
Da nach Ende des Krieges sowohl die 150.000 Quadratmeter großen Piaggiowerke als auch Eisenbahnnetze und Straßen völlig zerstört sind, muss ein Neuanfang sowie eine günstige Transport-Alternative zum Automobil her. Und so entwickelt der Piaggio-Ingenieur Renzo Spolte aus Schubkarrenreifen, einem Flugzeuganlassermotor, Metallresten und einem Motorradlenker den ersten Prototyp mit der Bezeichnung MP 5 und dem Namen Paperino, nach der Walt-Disney-Figur Donald Duck.
Enrico Piaggio ist jedoch nicht begeistert und beauftragt einen weiteren Ingenieur, Corradino d Ascanio, der bis dato eigentlich mehr mit Flugzeugen und Hubschraubern zu schaffen hat. Nach sieben Wochen rollt ein Fahrzeug auf acht Zoll großen Reifen, mit einem komplett neuen Zweitaktmotor, der an einer Einarmschwinge an der rechten Seite befestigt ist, auf den Hof. Durch die neuartige Positionierung des Antriebs bleibt in der Fahrzeugmitte ein tiefer Durchstieg, der es einfach macht, sich auf das Fahrzeug zu setzen. Der MP 6 oder auch Motorscooter 98, nach seinem 98 Kubikzentimeter großen Motor benannt, bekommt auf Grund seiner wespenartigen Form von Anfang an den Kosenamen Vespa verpasst. Die daraus entstandene Vespa 98 wird bis 1948 verkauft. Von da an steigen die Produktions- und Variationszahlen der ab 3,2 PS starken Vespen von Jahr zu Jahr. 1953 läuft bereits die 500.000 Vespa vom Band, nur drei Jahre später, am 26. April 1965, die Millionste.