Rent an Oldie Carsharing Hamburg
Hier können Sie einen Mercedes W124 ausleihen
Kein Gepiepse, Knöpfe statt Touchscreens, gute Raumaufteilung, hervorragende Rundumsicht. Der Hamburger Arne Weychardt bietet den legendären Mercedes W 124 im Carsharing an.
14.12.2024 Claudius MaintzIm Thailand-Urlaub vor etwa elf Jahren hat es klick gemacht – die neue Geschäftsidee des Fotografen Arne Weychardt war fertig entwickelt: eine Autovermietung, die ausschließlich alte Mercedes E-Klassen des Typs W 124 im Carsharing anbietet. Auslöser: Weychardt besaß damals zwei 124er und dachte sich: Warum nicht mit einem davon Geld verdienen? Ein zweites Standbein zum angestammten Beruf war geboren, in dem er seit Jahrzehnten erfolgreich ist. Der aber von Jahr zu Jahr schwieriger wird – Stichwort Medienkrise. "Ich suchte etwas, das von alleine läuft, wenn ich fotografieren bin", sagt der 58-Jährige. Carsharing war da ideal: Die Kunden starten und beenden die Miete ganz von alleine per Smartphone, ohne dass er tätig werden muss.
Leichter Einstieg: Führerschein, Kaution
Den Führerschein will der Hamburger am Anfang im Idealfall einmal persönlich in Augenschein nehmen, akzeptiert in Ausnahmefällen aber auch ein Selfie mit der Fahrerlaubnis. "Ich möchte den Willen der Leute sehen, mit dem Auto vernünftig umzugehen", sagt der Sharing-Chef. Offenbar hat er dafür einen guten Blick: Alle seine Autos wirken sehr gepflegt. Sind 250 Euro Kaution bezahlt, verrät der Hamburger via WhatsApp den Standort und den Öffnungscode für den Schlüsselsafe.
Standort: Hamburg Altona
Der Safe befindet sich gut gesichert am Seitenfenster. Natürlich parken die sechs T-Modelle (Kombis, 230 bis 300 TE) und die beiden Limousinen (230 E, 300 E) nicht über das weitläufige Stadtgebiet verteilt, sondern konzentrieren sich zwischen zwei S-Bahnhöfen im Bezirk Altona. Die dicht besiedelte Gegend ist der ideale Ort für das Geschäftsmodell. Wer hier wohnt, hat oft kein eigenes Auto und braucht nur ab und zu eins. Und wenn, dann mit genügend Platz für die Ikea-Beute oder Sack und Pack für den Urlaub. Für beides werden die geräumigen Youngtimer gerne genommen, zumal alle Kilometer inklusive sind. "Die Abrechnung ist so einfacher", sagt Weychardt.
Vorteil Altauto: wenige Schalter
Und warum ausgerechnet der W 124? "Das sind unverwüstliche Autos mit großen Fenstern statt Schießscharten, die das Einparken ohne moderne Interpretationssysteme erlauben. In denen es sich entspannt cruisen lässt", erklärt der Chef seine überschaubare Modellpolitik. Das T-Modell preist er auf seiner Homepage rentanoldie.de mit einem Augenzwinkern als "größten und besten Kombi auf Erden".
Gelegenheitsfahrern und Neulingen bieten die betagten Benz im Gegensatz zu vielen modernen Sharing- oder Mietwagen einen klaren Vorteil: Sie lassen sich intuitiv bedienen. Kein Getouche, stattdessen Kipp- oder Drehschalter mit haptischer Rückmeldung. Einfach reinsetzen, losfahren, genießen. Und dank eines Bluetooth-Adapters fürs Kassettenfach gibt es sogar eine Freisprecheinrichtung.
In den großen Ferien ist die mehr als 30 Jahre alte Klassiker-Flotte regelmäßig ausgeflogen. Thessaloniki, Neapel, Dijon und Bordeaux sind nur ein paar Orte, an denen Youngtimer und Mieter Sonne getankt haben.
Preise: ab 35 Euro
Verglichen mit konventionellen Autovermietungen sind die Preise moderat. Ein einzelner Tag im Kombi kostet 80, in der Limousine 60 Euro (halbe Tage 45 und 35 Euro). Wer länger wegwill, zahlt ab dem zweiten Tag 35 beziehungsweise 45 Euro fürs T-Modell. Für eine ganze Woche werden 250 oder 320 Euro fällig. Eine Vollkaskoversicherung mit 1000 Euro Selbstbeteiligung ist im Preis enthalten. Benzin geht extra, bei den kleineren Motorisierungen liegt der Verbrauch "bei sieben bis acht Litern", so Weychardt.
In Hamburgs Westen hat es sich mittlerweile herumgesprochen, wie man schnell an ein großes, günstiges und cooles Auto kommt. 600 Nutzer haben seit der Firmengründung vor zehn Jahren mehr als eine Million Mietkilometer abgespult. Dabei gab es nur zwei Versicherungsschäden und zwei Punkte in Flensburg.
Bleibt ein Auto fernab des Heimathafens Hamburg liegen, hilft im schlimmsten Fall der Schutzbrief eines Autoclubs. Gängige Ersatzteile legt der Sharing-Chef seinen Kunden vor längeren Trips in den Kofferraum oder schickt sie hinterher – wie jüngst einen Lichtmaschinenregler nach Bordeaux. Auch als Unfallersatzwagen sind die 124er gefragt, abgerechnet über die Versicherung.
Zwar hegt und pflegt Weychardt seine Schätze liebevoll, kaputt geht bei Laufleistungen zwischen 300.000 und 500.000 Kilometern trotzdem mal was. Ohnehin markieren diese Kilometerstände für ihn eher "das Ende vom Anfang", wie er es nennt.
Ein echter Auto-Didakt
Das Schrauben hat sich Weychardt selbst beigebracht. Und zwar so gut, dass er mit dem Journalisten Peter Pursche ein Reparaturanleitungs-Buch zum W 124 herausgebracht hat. Titel: "Bring das Wrack auf Zack". Wirtschaftliche Totalschäden gibt es für den E-Klasse-Doktor nicht, er repariert alles. Damit es an der Ersatzteil-Front übersichtlich bleibt, stammen alle seine E-Klassen aus den Baujahren 1990 bis 1992.
Einer von vielen Stamm-Sharern ist Florian Faber. Der Gymnasiallehrer für Latein und Altgriechisch war schon etliche Male im geteilten Altblech unterwegs: bei der Familie am Bodensee, mit Fahrrad im Kofferraum beim Triathlon, im Urlaub in Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen und der Schweiz. Faber schätzt den reduzierten Charme des geräumigen 90er-Jahre-Kombis. "Da piepst nichts, und die Glühbirnen kann man noch selbst wechseln", sagt er.