Renault 5 GTL im Test
"Back to the roots" in französischem Stil
Ach, was waren wir damals jung, schnell, talentiert – nur so selten gleichzeitig und an den passenden Stellen. Einer, der den ganzen Unfug mitgemacht hat, ein echter Kumpel, das war der Renault 5. Wird mal Zeit, den ewig Jungen als „Alten im Test“ zu feiern.
19.01.2019 Sebastian RenzDie guten alten Zeiten waren ja auch mal jung. Unverklärt, unbeschwert, vielleicht sogar unkompliziert. Oder liegt es an der Sichtweise? Mit Blick nach vorn erscheint das Leben wie ein steter, klarer Weg, in der Rückschau dagegen wie ein Geäst an Weggabelungen, die zu einer Biografie verwuchern. Na klasse, da hebt sich die Sonne gerade über die Hügel, taucht den frühen Morgen und selbst die A 8 bei Friolzheim in sanftes, verheißungsvolles Licht. Und du denkst wieder nur an Möglichkeiten, die hinter dir liegen, statt an all jene, die noch kommen.
Dabei ist alles bestens, gerade jetzt. Du musst dich nur wieder daran gewöhnen – an dieses Gefühl, das dieses kleine Auto dir schenkt: wieder 18 zu sein und fest zu glauben, dass die ganze Welt nur auf dich wartet und dir nichts anhaben kann. Genau darin liegt der Zauber des Renault 5: In ihm ist jedes Losfahren wie ein Aufbruch.
So wie vorher, da ist der Tag noch Nacht, erhellt nur vom Flackern der Neonröhren in der Tiefgarage. Dort steht der R5: 3531 Millimeter lang, 1.525 breit. Er belegt nur 5,4 m² Fläche – ein aktueller Clio braucht ein Drittel mehr. Und wie entzückend er aussieht, der R5 – ein kleines Trapez mit Motorhaube. Er basiert auf dem R4, sortiert das Getriebe unter den längs positionierten Motor und stapelt beides, gekrönt vom Reserverad, übereinander hinter die Vorderachse.
So, auf dem knautschigen Sesselchen einrichten, ein Daumenbreit Choke, Schlüsseldreh, und der 1100er prustet sich in einen unternehmungslustigen Leerlauf. Erster Gang, Kupplung kommt, der R5 kurvt die Auffahrt hoch zum Rolltor und hinaus in den heraufdämmernden Tag.
Komfortables Fliegengewicht
Der Tau liegt noch auf den Feldern, als die Autobahn sich zur Rheinebene hinabschwingt. Als der Verkehr dichter wird, tourt der R5 mit 120 auf der rechten Spur, übergautscht mit der weichen Federung selbst fiese Unebenheiten. Viele Autos eilen vorbei, einem Stau entgegen, dem der R5 nur hinterhersaust, den er nie erreicht.
Wie schnell man sich an das vermeintlich Langsame gewöhnt. Wie modern der R5 schon immer, heute und gerade auch morgen wirkt. Dann nämlich wird er auf die Eco-Verbrauchsrunde gehen, dabei nur 4,8 l/100 km aus dem Tank nippen. Überhaupt: so ein kleines, effizientes Auto mit Platz für vier und eine Menge Gepäck. Es hat ja immer alles reingepasst – Schlafsäcke, Zelt und Klamotten für drei Wochen. Der R5 war ein Auto für das große Leben, aber nie für das ganze. Er begleitete dich ein Stück des Weges – mal ein paar Jahre, mal nur ein paar Rest-TÜV-Monate.
Huch, schon die Ausfahrt – wie schnell die Zeit vergeht, wenn man an vergangene Zeiten denkt. Einmal rechts, dreimal links, Tankstopp, geradeaus, rechts, links, und wir sind da, auf der Messstrecke in Lahr. Noch ein Heißgetränk aus dem Automaten, das sich für Cappuccino hält, unter gleicher Rezeptur aber auch als Café au Lait auftritt. Dann schieben wir den R5 auf die Waage: 774 Kilo. Kurz überlegen wir, ob er richtig auf den vier Messpunkten steht, weil er wegen der hintereinander angeordneten Drehstabfedern an der Hinterachse links einen 3,0 cm längeren Radstand hat als rechts. Aber er drückt mit allen vier 135er-13-Zoll-Rädchen auf die Waage. Er ist wirklich so leicht.
Wir schnallen die Messgeräte ins Auto und fahren raus auf die Teststrecke. Erst messen wir erstaunliche Innengeräusche – heutzutage sind derartige Schalldrücke Besitzern hochpreisiger Sportwagen vorbehalten. Am Start zur Beschleunigungsmessung zeigt die Motorhaube nach Süden, Hitze flimmert über der Landebahn. Drei, zwei, eins, los! Na, mit 45 PS ist das eher ein Aufmachen als ein Start. Durchs Fenster sehen wir links die Höhen des Schwarzwaldes.
Kurz scheint es, als nähmen sie gemächlich nordwärts Fahrt auf, und nicht so, als beschleunigten wir. Bei 80 km/h erreicht der Tacho den Wendepunkt. Bis er die 100er-Marke streift, vergeht noch ein Weilchen. Das weitere Fortschreiten der Geschwindigkeitszunahme geht einher mit steigender Nervosität: Da vorn endet die Strecke. Das Erreichen von 120 km/h und der letztmögliche Bremspunkt fallen zusammen. 120 kann durchaus aufregend sein, weiß man sie so zu inszenieren wie der R5.
Das kann er auch beim Slalom und doppelten Spurwechsel. Wie der R5 da durchschunkelt: Jeder Lenkimpuls fährt ihm erst in die weichen Federn. Ja, er federt so tief ein, als wolle er sich Locken in die Torsionsstäbe zwirbeln. So schubbert er mit imposanter Schräglage in ein Untersteuern, das selbst Lastwechsel nicht aufwühlen können. Er hält daran mit einer Prinzipientreue fest, wie sie nur durch die unerschütterliche Überzeugung entstehen kann, das Rechte zu tun.
Selbst das sportliche Moment vernachlässigt der R5 nicht, verlagert es aber auf den Fahrer – beim festen Tritt auf das Bremspedal etwa, dem nur milde Verzögerung folgt. Und beim Lenken, denn das kleine Auto lässt sich nur mit vager Präzision, diffuser Rückmeldung, matter Direktheit und körperertüchtigender Schwergängigkeit durch den Slalom steuern. Jetzt noch Innenraum und Wendekreis vermaßen, dann geht es heim über den Schwarzwald.
Nicht simpel, einfach genial
Wir fahren dem Wald entgegen, der die steile Bergflanke emporwächst. Die stärkeren neuen Autos bezwingen, ja erniedrigen Berge, ebnen Topografien ein. Es geht zu leicht: falschen Gang eingelegt? Schwung vor der Kurve vertüdelt? Ach egal, Gas geben und noch mehr Gas geben.
Im R5 erklimmst du den Berg. Die steile erste Rampe der Oppenauer Steige kommt er im zweiten seiner fünf kurz übersetzten, präzise schaltbaren Gänge hoch. Aber nur, wenn du ihn in Schwung hältst. Bergauf vor Serpentinen bremsen? Pah, neumodischer Unfug! Der R5 wirft sich in die Biegung. Sofort wieder aufs Gas, damit der Anlauf bis hoch zur nächsten Kehre reicht. Jede Kurve, mit der sich die Straße gipfelwärts windet, steigert die Gewissheit: Du und der R5, ihr gehört zusammen – vielleicht nur jetzt und hier, vielleicht bis zum Ende eines anderen Weges. Egal wie lange, eher wanken Berge als euer Vertrauen darauf, gemeinsam jedes Ziel zu erreichen.
Endlich flacht die Steige ab, rechts geht es auf einen Parkplatz, an dem wir mit anderen Autos vorbeibrausten. Mit dem R5 halten wir an und inne, blicken ins tiefe Tal, aus dem wir heraufgefahren sind. Wie stolz das aussieht, der Renault hier oben. Wie vertraut es sich anfühlt: wie ein Früher im Heute. Der R5 führt dich zurück auf den Pfad der Jugend.
Vor- und Nachteile
- verhältnismäßig viel Platz
- clevere Variabilität
- Hutablage klappt zu Raumteiler um
- sensationelle Rundumsicht
- wendig wie ein Motorroller
- stilvolle Innenarchitektur
- vier Türchen plus Heckklappe
- Rempelschutz rundum
- wunderbar geschmeidige, gautschige Drehstabfederung
- tatsächlich gute Sitze mit essenzieller Liegefunktion
- steile Scheiben für geringe Aufheizung
- wackerer Vierzylinder, für den Berge aber noch echte Herausforderungen sind
- passend gestuftes Getriebe
- Fahrwerk macht auch niedriges Kurventempo durch Seitenneigung intensiv erlebbar
- Lenkung nimmt gewissen Einfluss auf die Fahrtrichtung
- vier Bremsen, je eine pro Rad
- hat uns sicher durch unsere wilden Anfängerzeiten gebracht, muss das sicherste Auto der Welt sein
- ...besser diese These nicht per Unfall überprüfen
- sehr günstiger Verbrauch
- entsorgte sich meist passend zur Haltbarkeitsgrenze durch Wegrosten von selbst
- eigentlich viel zu niedrig für einen unbezahlbaren Freund