Range Rover MK I 1970-1996
50 Jahre hinterlassen auch am Classic Range Spuren
Wie ein Land Rover, nur komfortabler. So kam der Range Rover vor 50 Jahren auf den Markt. Doch ist das SUV-Urmodell auch so robust?
13.04.2020 Kai Klauder, Alf CremersAls der Range Rover am 17. Juli 1970 offiziell präsentiert wird, liegen schon 18 Jahre Überlegungen und Entwicklungsarbeit hinter ihm. Bereits 1951 dachte man bei der Rover Company Limited in Solihull über einen größeren und komfortableren Geländewagen nach. Der Land Rover war zwar ein großartiges Fahrzeug für Militär, Expeditionen und sonstige Spezialanforderungen, bot aber weder viel Platz, noch – und das wog viel schwerer – hatten die Entwickler an bequemes Reisen gedacht. Der Land Rover war dafür gemacht, unwegsames Gelände zu erobern, neue Länder zu entdecken und möglichst überall mit dem Bordwerkzeug wieder fahrbereit geschraubt werden zu können. Der Range Rover hingegen verfolgt rein zivile und repräsentative Ziele.
Großbritannien prosperierte in den 1960er-Jahren. Und bei allem britischen Understatement, man wollte seinen Wohlstand auch zeigen. Daher wurde der Wunsch nach einem Auto immer größer, mit dem man ebenso in der Stadt wie auf dem Land eine gute Figur macht. Eines mit Platz für das ganz große Reisegepäck, die Tennis- und Golfausrüstung sowie die Einkaufstaschen von Harrods & Co. – und einen Gegenentwurf zu Jaguar. Ein Auto für zeigewillige, vermögende Engländer mit Landsitz und einer Jagdpacht – oder eben Queen Elizabeth II. Zum Fuhrpark der königlichen Familie gehören seit 50 Jahren zahlreiche Serienmodelle und Spezialumbauten des Range Rover.
1780 mm – exakt so breit wie hoch
Als dieser 1970 – 22 Jahre nach dem Land Rover – vorgestellt wird, staunt die Fachwelt. Ein stilistisch wunderbar ausgewogenes Auto, das trotz seiner ungewöhnlichen Proportionen auf Anhieb viele Markenfreunde und -fremde begeistert. Bei recht kompakter Außenlänge von 4,47 Metern bietet der Range Rover mit seiner exponierten Sitzposition und den riesigen Fensterflächen eine herrschaftliche Rundumsicht. Was auf dem Festland erst 40 Jahre später als eines der wichtigsten Kaufargumente für den SUV-Boom ausgemacht wird, kann schon im Range Rover begeistern.
Man schaut auf die anderen Verkehrsteilnehmer hinunter, sitzt wie auf dem Präsentierteller. Die Fensterlinie reicht tief hinab, man ist umgeben von einem Glaskasten – kein Wunder, dass auch Papst Johannes Paul II. aus einem Range-Rover-Papamobil die Gläubigen grüßte. Die filigranen Karosseriesäulen erlauben tiefe Einblicke in den Innenraum. Durch die bei unserem Fotomodell mit schwarzem Vinyl bezogene C-Säule scheint das Dach zu schweben. Wie gelungen der Entwurf des Design-Teams um Gordon Bashford, Charles Spencer King und David Bache ist, zeigt auch die Ehrung durch den Louvre im Premierenjahr: Das Kunstmuseum prämiert den Range Rover als Vorbild für Industriedesign.
Der Dreitürer ist exakt 1,78 Meter breit und hoch. Nur zehn Zentimeter misst der Range mehr als der Land Rover in der Breite – gefühlt sind es eher 30 Zentimeter. Denn obwohl die vorderen Passagiere wie im Markenbruder weit außen positioniert wurden, wirkt der Innenraum großzügiger und ist besser nutzbar. Auf der breiten Mittelkonsole hätte locker noch ein dritter Sitz Platz, doch im Gegensatz zum Land Rover stand beim großen Range nicht die radikale Funktionalität im Vordergrund.
Viel Platz ist vorhanden – und das soll man auch erleben. Von Luxus zu sprechen, fällt einem beim Anblick der eckigen Kunststoff-Armaturen zwar nicht leicht, doch die weich gepolsterten Sitze machen diesen Eindruck schon im Stand wett. Schnell findet man sich zurecht, erblickt das Radio links der Lenksäule, die tief liegenden Bedienelemente von Heizung und Lüftung – und erfreut sich an vielen Details wie dem Aschenbecher mit Aludeckel und eigenen "Abteilen" für Fahrer und Beifahrer.
Durchdachte Details und 17 Schrauben
Viele kuriose Details lassen sich beim Range Rover entdecken. Der mittig platzierte Motorhaubenhalter, die hinteren Schiebefenster, die Bedienung der horizontal geteilten Heckklappe, die mit sage und schreibe 17 Schrauben fixierte Rückleuchte oder die doppelt vorhandenen Türöffner auf jeder Seite. Die Fondpassagiere wissen sie zu schätzen, können sie so doch selbst die Tür öffnen. Details, die erkennen lassen, wie durchdacht der Range Rover konstruiert wurde.
Öffnet man etwa die – sehr schwere – Motorhaube, blickt man auf einen Motor, der schon für sich genommen fast als Kunstwerk durchgeht. Streng symmetrisch ist er aufgebaut, über den Zylinderbänken mit eingegossenem "Rover"-Schriftzug thronen die beiden Stromberg-Vergaser mit polierten Aludeckeln. Die Zuleitungsrohre vom Luftfilter, ebenfalls aus Leichtmetall, ähneln einem Diadem, das königliche Häupter krönt.
Starke Idee: 3,5-Liter-V8 mit US-Genen
Der V8 allerdings ist der altbekannte, auf eine Buick-Konstruktion zurückgehende 3,5-Liter-Leichtmetallmotor mit nassen Laufbuchsen aus dem Rover P6 3500. Für den Einsatz im Range wurde seine Charakteristik allerdings deutlich geändert. Dem Kurzhuber wurde die Leistung gekappt (von 167 auf 132 PS), dafür bekam er mehr Kraft aus dem Drehzahlkeller. Mit seiner auf 8,5 : 1 reduzierten Verdichtung kommt der Motor sogar mit gepanschtem Sprit klar, 85 Oktan reichen ihm. Resultat dieser auf Durchzugskraft optimierten Motorabstimmung sind ein starker Antritt und eine ordentliche Drehwilligkeit. Man muss sich das mal vorstellen: Der fast 1,9 Tonnen schwere Range Rover beschleunigt bei seinem Erscheinen 1970 schneller als der 700 Kilo leichtere Opel Commodore A 2200 – und ist sogar bei der Höchstgeschwindigkeit fast gleichauf.
Dass sein Gewicht noch unter zwei Tonnen geblieben ist, verdankt er seiner Bauweise, die der des Land Rover ähnelt: Auf dem stabilen Kastenrahmen ist ein mit Alublechen beplanktes Stahlgerüst verschraubt. Somit entspricht auch der größte Schwachpunkt dem des kleineren Bruders: Korrosion an den Kontaktstellen von Stahl und Aluminium.
Nicht so bei unserem Fotofahrzeug mit erst 94.000 Kilometern: Den rostfreien – und damit dies so bleibt, gerade dick mit Mike Sanders konservierten – Range fand Urs Stiegler von Landypoint bei dessen Erstbesitzer, einem Hobby-Imker, in bestechend schönem Originalzustand. Nach der Revision des Antriebsstrangs überzeugen Motor und Getriebe mit seidenweichem Lauf und williger Schaltbarkeit. Hier hakelt nichts, und auch das Fahrwerk wirkt nach einem Dämpfertausch frisch wie am ersten Tag.
Der bis auf Teile des Teppichs im Innenraum sowie die Außenspiegel originale Wagen ist rostfrei und besitzt glücklicherweise diese souveräne Patina, die keine Restaurierung je wiederbringen könnte: hier ein kleiner Kratzer, dort eine überlackierte Stelle, ein kleiner Riss im Leuchtenglas. Die Rahmen der ausstellbaren Dreiecksfenster zeigen einen leichten Ansatz von Korrosion. Mehr nicht. Nach 42 Jahren. Ein in Ehren gealterter Klassiker – wie die Queen. Zahlreiche Pressefotos zeigen sie in den frühen 70ern mit dem Range. Ganz klassisch im Jagd-Ornat mit ihren Hunden, meist mit Kopftuch – und meist selbst am Steuer.
3,5 Tonnen Anhängelast
Der Range Rover etabliert sich aber nicht nur wegen dieser guten PR vom Start weg in der Upperclass. So ein schnelles und dabei so übersichtliches europäisches Reise- und Zugfahrzeug – 3,5 Tonnen Anhängelast (!) – hat es zuvor noch nicht gegeben. Den herausragenden Komfort erreichen die Rover-Ingenieure durch den Einsatz von Schraubenfedern und ein soft abgestimmtes Fahrwerk. Die Lenkung, zunächst nur ohne Servo-Unterstützung erhältlich, zeigt etwas Spiel um die Mittellage und einen gewissen Interpretationsrahmen, doch trotz Reifen mit hoher Seitenflanke, hohem Schwerpunkt und der weichen Abstimmung ist die Schaukelneigung sehr dezent. Selbst auf rauem Untergrund.
Als wir den Range Rover für die Fotos vor dem Alpenpanorama platzieren, muss der schwere Wagen durch zentimetertiefen Matsch und Morast spuren. Eine Lächerlichkeit für den Briten, der für wirklich schwierige Offroad-Passagen mit Untersetzung und Sperre noch ganz andere Lösungen parat hält. Gut, dass die Briten solche Traditionalisten sind; die alten Tugenden hat jeder Range Rover an Bord. Bis heute.
Vier Generationen in 50 Jahren
Zwar sitzt Elizabeth II. immer noch auf dem Thron, doch ist auch im Königreich in den letzten 50 Jahren viel geschehen. Der klassische Range Rover hielt sich über mehr als ein Vierteljahrhundert. Auch dann noch, als es die britische Automobilindustrie fast nicht mehr gab. 1978 war Land Rover als eigene Marke ausgegründet worden. Die British Leyland Motor Corporation und die Rover Group vertrauten zwar weiterhin auf Range Rover und den in Defender umbenannten Land Rover, doch die Zeiten standen auf Veränderung. 1989 kam mit dem Discovery ein drittes Modell, das zudem als Siebensitzer und mit modernerem Innenraumkonzept preislich zwischen den beiden alten Haudegen lag – und in die Zukunft wies.
1994, als BMW die Rover Group von British Aerospace übernahm, wurde die nur dezent veränderte zweite Generation des Range Rover vorgestellt. Wichtige Änderungen waren Luftfederung, ein verstärktes Chassis und die Motorenpalette. BMW-Diesel ersetzten die italienischen Vierzylinder-VM-Selbstzünder. BMW rundete ab 1997 die starke Marke nach unten mit dem Freelander (L314) ab und startete die Arbeit am Range Rover L322, einer Neuentwicklung mit vielen Elektronikkomponenten des Münchner Topmodells 7er (E38).
Als die dritte Generation 2001 vorgestellt wurde, war BMW schon wieder ausgestiegen, hatte die Anteile an Ford verkauft und nur die Marke Mini behalten. Im dritten Range kam weiterhin zunächst BMW-Technik zum Einsatz. Für zeitgemäße Fahrleistungen sorgten erst Motoren von BMW, später von Jaguar und Ford. Elf Jahre blieb der dritte Range im Programm, ehe 2012 der L405 auf den Markt kam – unter der Regie der Land Rover Ltd., die ein Jahr später schon wieder Geschichte war. Seit 2013 gehört Jaguar Land Rover zu Tata Motors, dem größten indischen Automobilhersteller – 66 Jahre nach Ende der Kolonialzeit.
Karosserie-Check
Zwar wiesen die in Solihull gefertigten Range Rover in den Siebzigern einen für Leyland-Verhältnisse ordentlichen Qualitätsstandard auf, dennoch sind frühe Modelle selten. Obwohl die Außenhaut des eleganten Off-Roaders mit Ausnahme der Motorhaube aus Aluminiumblechen besteht, sind sie vor Rost nicht gefeit. Unter dem Alu steckt nämlich ein tragendes Stahlgerippe, das Türen und Heckklappe die nötige Stabilität gibt. Erst ab 1985 erreichte der Korrosionschutz das notwendige Maß.
Rost tritt auch bei jüngeren Range Rover gern im Motorraum auf. Die Stehbleche unter den Kotflügelschraubkanten neigen beidseits zum Durchrosten. Ebenso erwischt es manchmal den stabilen Rahmen in Höhe der vorderen Radhäuser oder an den Enden im Front- und Heckbereich. Die Schweller sind in diesem Stadium meist auch schon befallen.
Korrosionsreparaturen lassen sich beim Range jedoch leicht durchführen, eine Durchrostung muss noch nicht gleich vor dem Kauf abschrecken. Symptomatisch bei fast allen älteren Autos ist der Rost am oberen Rahmen der zweiteiligen Heckklappe. Auch die Motorhaube erwischt es manchmal an der Anschlagseite. Gut konserviert und regelmäßig gepflegt kann der Range Rover jedoch wegen seiner Stabilbauweise als echtes Langzeitauto gelten. Wichtig ist eine gute Hohlraumkonservierung.
Technik-Check
Der langlebige OHV-V8, eine Konstruktion von Buick, USA, leidet manchmal unter eingelaufenen Nockenwellen (Leistungsverlust, Klappergeräusche). Perfekt gehärtete Nockenwellen gibt es inzwischen im Austausch. Der Ölschlammbildung lässt sich am besten mit Synthetiköl 10 W 40 vorbeugen, zu dünnes Öl ist für die betagte Konstruktion nicht ideal. Langstrecken liegen dem Motor eher als Stadtverkehr.
Das spätere ZF-Viergang-Automatikgetriebe ab 1982 ist robuster als der Torqueflite-Vorgänger. Ab Modelljahr 1989 ersetzt im Range Rover MK I eine stufenlose Visco-Sperre die mechanische Sperre am Zentraldifferenzial. Eine laufruhige Triplex-Kette leitet die Kraft vom neu konstruierten Borg-Warner Verteilergetriebe an die Vorderachse. Der optimierte Antriebsstrang ist haltbarer. Die Luftfederung (ab 1993) stößt wegen ihrer höheren Anfälligkeit nicht auf ungeteilten Beifall.
Preise
Die große Vielfalt der Range Rover-Varianten macht einen Preisvergleich schwierig. Am teuersten sind besterhaltene Zweitürer aus den Siebzigern, sie kosten bis zu 40.000 Euro, sind aber kaum zu kriegen. Vielseitig ud preiswert ist das Angebot schon lange nicht mehr, gute Exemplare kosten rund 30.000 Euro, die späten Einspritzer eher etwas mehr. Etwas günstiger sind die 4,2-Liter-Modelle.
- Bei Einführung 1970 (Range Rover 3.5 V8) :
- 23.350 Mark
- Bei Produktionsende 1994 (Range Rover 3.9 SEi) :
- 98.750 Mark
Ersatzteile
Abgesehen von den Innenausstattungen für die erste Serie ist so gut wie alles lieferbar, die Preise sind moderat. Das gilt für allem für Karosserie und Technikteile. Bezugsquellen sind entweder die aktuellen Land Rover-Partner oder die spezialisierten freien Land Rover-Teilehändler, die sich mit den alten Modellen in der Regel besser auskennen, denn im 26-jährigen Dasein des Range Rover gab es eine Fülle von Detailverbesserungen und technischen Änderungen.
Schwachpunkte
- Rahmenspitzen
- A-Säule/Stehbleche
- Motorhaube
- Vordere Radhäuser
- Heckklappe
- Schweller
- Ölundichtigkeiten Antrieb
- Ölverschlammung Motor
- Eingelaufene Nockenwellen
- Defekte Hydrostößel
- Luftfederung (ab 1993)
Wertungen
Fazit
Der Range Rover leidet unter dem Ruf, ein kompliziertes und anfälliges Automobil zu sein, das hohe Unterhaltskosten erfordert. In Wahrheit ist er ein kalkulierbares Risiko. Vor allem die nach 1985 gebauten Autos zeichnen sich durch einen hohen Reifegrad und gute Qualität aus.