Porsche Cayenne 9PA (2002 bis 2010)
Porsche-SUV fahren ab 7.500 Euro
Porsche war der erste Sportwagenhersteller, der einen SUV in Großserie produzierte. Und was für einen. Groß, teuer und gut war der Cayenne 2002. Heute ist die erste Generation günstig zu haben. Ein guter Kauf? Kommt drauf an.
03.08.2019 Alf Cremers, Michael HarnischfegerDas richtige Näschen kann man Wendelin Wiedeking nicht absprechen. Erst gab er sich mit einem mickrigen Festgehalt zufrieden, als er 1992 Chef des damals siechen Sportwagenherstellers wurde. Dann strukturierte er kräftig um, brachte Porsche mit Boxster und 996 nach Art des Sechszylinder-Boxers schnell hochdrehend in die Gewinnzone und machte sich selbst dadurch zum Multimillionär, denn er hatte 1992 auch eine Erfolgsbeteiligung am Vorsteuergewinn ausgehandelt. Und 2002 präsentierte er mit dem Cayenne stolz den ersten Sport Utility Vehicle eines exklusiven Sportwagenherstellers.
Der erste SUV rettete den Porsche-Absatz
Die neben Elfer und Boxster dritte Porsche-Baureihe verkaufte sich ganz prächtig. Auf der IAA 2003, nur acht Monate nach dem Verkaufsstart, meldete Wiedeking bereits mehr als 20.000 verkaufte Cayenne, während 911 (minus 14,1 Prozent) und Boxster (minus 15,9 Prozent) am durchdekorierten Point of Sale stark ins Schwächeln geraten waren. Keine Frage: Der Cayenne hatte Porsche die beängstigend gute Umsatzrendite gesichert. Und die hätte noch größer sein können, wenn das Werk Leipzig nicht an seine Kapazitätsgrenzen geraten wäre.
Produktion in Bratislava und Leipzig
Dieses Werk war eigens für den Cayenne gebaut worden, während dessen neue V8-Motoren in Zuffenhausen montiert wurden. Weitere wichtige Komponenten kamen aus Bratislava, wo VW den technisch mit dem Cayenne verwandten Touareg produzierte. Zum Verkaufsstart Ende 2002 standen dank großzügig bemessener Vorlaufphase in allen Produktionsstätten einige Tausend Cayenne bereit – als 340 PS starker S mit dem neuen 4,5 Liter großen Sauger-V8 und als Turbo mit, man gönnt sich ja sonst nur das Nötigste, 450 Biturbo-PS.
Am Design kann der Erfolg des Cayenne nicht gelegen haben. Denn auch wenn Geschmäcker verschieden sind: Der erste Zuffenhausener SUV war ein mächtiges, aus bestimmten Perspektiven ungeschlacht wirkendes Auto. Da konnten die Scheinwerfer im Stil des Elfer und die beim Turbo besonders weit aufgerissenen Kühllufteinlässe nichts ändern – ganz zu schweigen vom schlicht gezeichneten Heck. Sehr gewöhnungsbedürftig auch die Bugpartie unterhalb der Stoßstange, so ganz ohne Spoiler, wie man ihn von einem Porsche kennt. Aber diese nach jeder Menge Auftrieb aussehende Schürze hat durchaus ihren Sinn, denn der Cayenne sollte ja auch im Gelände etwas können und brauchte daher nennenswerte Böschungswinkel.
Basis-Cayenne mit VR6 von VW
2004 kam nach der V8-Verkaufsoffensive der Cayenne 3.2 mit dem 3,2 Liter großen VR6-Zylinder von VW. 250 PS und 310 Newtonmeter reißen bei gut zwei Tonnen Leergewicht zwar keine Bäume aus. Doch dieses Basistriebwerk fand durchaus Freunde – speziell im geschwindigkeitslimitierten Ausland. Denn die Masse, die große Stirnfläche und die mit ihrer lässigen Kraftentfaltung bei gleichzeitig ansteckender Drehfreude zum Gasgeben animierenden Achtzylinder soffen – und saufen – wie Hobbykicker nach dem Sieg. Unter 17 Litern, so raunen V8-Treiber, gehe kaum was, 20 Liter seien normal, im Turbo bei engagierter Autobahnfahrt gern auch mal 30 plus x.
Viel Platz und 3,5 Tonnen Anhängelast
Das sollte bedenken, wer sich heute für einen Cayenne interessiert. 2007 wurden die Motoren zwar im Hubraum vergrößert und auf Direkteinspritzung umgestellt, was ihnen noch einmal mehr Leistung bei erfreulicherweise gesunkenem Verbrauch bescherte. Allein die Tankrechnungen und natürlich Service und Reparaturen gehen aber kräftig ins Geld.
Dafür bekommt der Cayenne-Fahrer aber auch einiges geboten. Wie es sich für einen großen SUV gehört, ist das Platzangebot auf großen und bequemen Polstern schlicht klasse, der Kofferraum zeigt sich alles andere als kleinlich, und Zuladung sowie Anhängelast (bis 3,5 Tonnen) sind reichlich bemessen.
Beeindruckend agil und geländegängig
So ist der Cayenne mit seiner erhabenen Sitzposition und dem angenehmen Innenraumambiente ein wunderbar souveräner Familienwagen, der kaum einmal zu klein ist und dem Fahrer durch die feinfühlige Lenkung und das angesichts der bewegten Masse erstaunliche Handling tatsächlich signalisiert: Das hier ist kein x-beliebiger SUV, das ist ein Porsche.
Dank serienmäßigem Allradantrieb mit Reduktionsgetriebe und sperrbarem Verteilergetriebe zwischen den Achsen macht der Dicke aus Zuffenhausen auch im Gelände eine gute Figur, wobei das beim Turbo serienmäßige Luftfederfahrwerk mit verstellbarer Bodenfreiheit da noch mal einen draufsetzt, bis die fein profilierten Straßenreifen am Ende sind.
Diesel ab 2009
Die Luftfederung ist auch unter Komfortaspekten eine Empfehlung, da sie deutlich schluckfreudiger ist als das Stahlfederfahrwerk. Und erwähnenswert defektanfällig scheint sie nicht zu sein. Lediglich wenn der Monteur den Cayenne auf der Bühne anhebt, ohne in den Wartungsmodus zu schalten, arbeitet sich die Pumpe einen Wolf und kann überhitzen – das wird dann teuer.
Bis 2010 hat Porsche nahezu 280.000 Cayenne der ersten Serie gebaut und – dem Beispiel 911 folgend – die Modellpalette immer weiter gespreizt. Neben dem Turbo gab es auch den Turbo S und den Turbo WLS (Werksleistungssteigerung). 2008 kam als besonders agiler Cayenne der GTS mit dem um 20 PS erstarkten Direkteinspritzer der Nach-Facelift-Ära ins Programm, 2009 dann auch ein von Audi entwickelter, aber natürlich in Zuffenhausen verfeinerter Dreiliter-Diesel. Die Auswahl ist heute also groß, mit ein wenig Suchen findet sich nahezu mit jeder Motorisierung ein Modell in Wunschausstattung. Wobei manche Extras durchaus mit Skepsis angesehen werden sollten.
Schwachstellen
Das große Panoramadach zum Beispiel zieht immense Werkstattkosten nach sich, wenn es wegen Steinschlags oder Kratzern ausgetauscht werden muss. Zudem steht es im Ruf, nicht immer ganz wasserdicht zu sein. Ein Auge sollte man auch auf seine Abläufe und jene im Motorraum haben. Sind die verstopft, läuft Wasser in den vorderen Fußraum und kann dort Steuergeräte killen. Ausfallende Navigationsgeräte, nachlassende Spannkraft des Scheibenwischerarms auf der Fahrerseite, streikende Steuergeräte der Scheinwerferhöhenverstellung und unwillige Verstellmotoren der Klimaautomatik sind Standards, nach denen man bei der Probefahrt fahnden sollte. Wenn die Luftverteilung nicht einwandfrei funktioniert, muss das halbe Armaturenbrett auseinandergebaut werden, um an den Stellmotor zu kommen – das möchte man nicht wirklich bezahlen, schon gar nicht im Porsche Zentrum mit seinen schmerzhaft hohen Stundensätzen.
Wer nun die Pläne zum Kauf eines gebrauchten Cayenne begraben will, dem sei gesagt, dass diese Probleme auftauchen können, aber nicht auftauchen müssen. Viele, ja die allermeisten Cayenne laufen bis an die 200 000 Kilometer ohne größere Beanstandung. Aber dieses Wissen ist ja nicht wirklich tröstlich, wenn es einen teuer erwischt hat.
Cayenne: VR6-Benziner BDF, 3189 cm³, 250 PS bei 6000/min, 310 Nm bei 2500–5000/min, Vmax 214 km/h. Ab 2007: Motor M55/01, 3598 cm³, 290 PS bei 6200/min, 385 Nm bei 3000/min, Vmax 227 km/h
Cayenne S: V8-Benziner M48.00, 4511 cm³, 340 PS bei 6000/min, 420 Nm bei 2500–5500/min, Vmax 242 km/h. Ab 2007: Motor M48.01, 4806 cm³, 385 PS bei 6200/min, 500 Nm bei 3500/min, Vmax 250–252 km/h
Cayenne GTS: V8-Benziner M48.01G, 4806 cm³, 405 PS bei 6500/min, 500 Nm bei 3500/min, Vmax 251–253 km/h
Cayenne Turbo: V8-Benziner M48.50, 4511 cm³, 450 PS bei 6000/min, 620 Nm bei 2250–4750/min, Vmax 266 km/h. Ab 2007: Motor M48.51, 4806 cm³, 500 PS bei 6000/min, 700 Nm bei 2250–4750/min, Vmax 275 km/h
Cayenne Turbo WLS: V8-Benziner M48.00, 4511 cm³, 500 PS bei 6000/min, 700 Nm bei 2250–4750/min, Vmax 270 km/h. Ab 2007: Motor M48.51, 4806 cm³, 540 PS bei 6000/min, 750 Nm bei 2250–4500/min, Vmax 279 km/h
Cayenne Turbo S: V8-Benziner M48.50, 4511 cm³, 521 PS bei 5500/min, 720 Nm bei 2750–3750/min, Vmax 270 km/h. Ab 2008: Motor M48.51T, 4806 cm³, 550 PS bei 6000/min, 750 Nm bei 2250–4500/min, Vmax 280 km/h
Cayenne Diesel: V6-Diesel CAS, 2967 cm³, 240 PS bei 4000–4400/min, 550 Nm bei 2000–2250/min, Vmax 214 km/h
Karosserie-Check
Der im Werk Bratislava im Verbund mit VW Touareg und Audi Q7 im Karosserie-Rohbau gefertigte Cayenne ist mit vorbildlichem Rostschutz ausgestattet. Nur unfallreparierte oder häufig im Offroad-Einsatz befindliche Wagen zeigen Ansätze von Korrosion an den Radläufen, in den Radhäusern oder am Unterboden. Die Verarbeitungsqualität des Cayenne ist auch in Sachen Interieur sehr gut, die Materialien sind aber nicht so hochwertig und dauerhaft wie im VW Touareg.
Technik-Check
Wie bei allen mit komplizierter Technik vollgestopften Autos gilt eben, dass selbst angesichts verlockender Gebrauchtwagenpreise die Unterhalts-, Wartungs- und Reparaturkosten auf Premium-Niveau liegen.
Und bei Motorproblemen kann es besonders teuer werden. Bei älteren V8 fällt öfters mal eine Zündspule aus (Kleinkram), oder die unter der Ansaugbrücke verlaufenden Kühlrohre aus Kunststoff werden undicht oder platzen (kein Kleinkram). Das austretende Wasser killt meist den darunterliegenden Anlasser. Porsche hat mittlerweile Ersatz aus Metallguss im Programm. Ist der schon verbaut? Gut. Doch dann bleibt immer noch das Risiko von Kolbenkippern, einer abgetragenen Laufflächenbeschichtung oder defekter Kurbelgehäuseentlüftungen. Wer Auspuffbläuen, Ölverbrauch von einem Liter auf 1000 Kilometer oder hässliche Geräusche aus dem Motorraum nicht ernst nimmt, verniedlicht einen Motorschaden, dessen Behebung nicht selten den Zeitwert des Autos übersteigt.
Diese Gefahr scheint bei den bis 2007 gebauten Saugrohreinspritzern höher zu sein als bei den späteren Direkteinspritzern. Auch bei denen empfiehlt es sich allerdings, vor dem Kauf eine Druckverlustprüfung durchzuführen und mit dem Endoskop mal in alle Zylinder zu schauen.
Das mag auf einen privaten Verkäufer vielleicht befremdlich wirken, wenn er ruhigen Gewissens ein in allen Belangen gutes Auto anbietet. Ist der Wunsch-Cayenne aber gefunden, sollte man diesen Aufwand beim kleinsten Zweifel treiben, um das Risiko hoher Folgekosten möglichst zu minimieren. Verdient hat es der große Porsche allemal. Denn gut gewartet und mit Vernunft bewegt, ist er ein Langzeitauto, das einem mit seiner Souveränität und seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ans Herz wachsen kann.
Preise
Nach-Facelift-Modelle sind sehr viel teurer als Cayenne aus der ersten Serie. Sechs- und Achtzylinder-Sauger liegen dicht beisammen, Turbos ab 2007 kosten extremen Aufschlag. Schon für 7.300 Euro gibt es Cayenne mit VR6-Motor in mäßigem Zustand. Empfehlenswerter ist es, etwa das Doppelte für einen guten Cayenne S anzulegen. Die Preise für Modelle nach dem Facelift liegen laut Classic Analytics zwischen 23.000 (VR6) und 40.000 Euro (Turbo S) - jeweils in gutem Zustand.
- Bei Einführung 2002 (Porsche Cayenne S) :
- 58.899 Euro
- Bei Produktionsende 2010 (Porsche Cayenne S) :
- 69.364 Euro
Ersatzteile
Bei Porsche ist die Teilelage für den Cayenne 9PA ebenfalls sehr entspannt, das Preisniveau noch höher als beim Mercedes ML. Achtung, es gibt abgesehen vom Diesel-V6 nur wenige Gleichteile mit Q7 und Touareg. Verschleißteile in Erstausrüster-Qualität gibt es günstiger im freien Handel.
Schwachpunkte
- Unterboden, Radhäuser (Offroad)
- Elektronikprobleme (Überspannung)
- Kunststoffkühlrohre (Ansaugbr.)
- gelängte Steuerketten (VR6)
- defekte Zündspulen
- Gussmaterial Motorblock
- Kardanwelle (zu schwach dimens.)
- Luftfederung (nicht GTS)
- Steuergeräte, Servomotoren
- Fahrwerksbuchsen, Bremsanlage
Wertungen
Fazit
Klingt banal, ist aber so: Der Cayenne ist der Porsche unter den SUV. Denn kein anderes Auto dieser Klasse aus dieser Ära fährt sich so beschwingt wie er. Daher könnte auch ich mich für ihn erwärmen. Mein Tipp wäre der beste V8-Sauger, der im Etat liegt. Gut behandeln, genussvoll nutzen und damit alt werden. V6-Benziner? Nö, der ist Behelf. Diesel? Erst recht nicht. Turbo? Der säuft mich arm.