Porsche 914 1.8 und Porsche Boxster (986) 2.7
Sind die Basis-Modelle echte Porsche?
Porsche 914 und Boxster im Vergleich. Der eine hat 85, der andere 220 PS. Reicht das für einen Sportwagen und echte Porsche-Gefühle?
23.01.2020 Michael SchröderNatürlich haben sie es schon eine ganze Weile gewusst, bei VW und erst recht bei Porsche: Dass der Motor vor die Hinterachse gehört, wenn man in der Sportwagenwelt ein Zeichen setzen möchte. Sie wissen schon, es geht um die Konzentration der Massen um den Fahrzeugschwerpunkt herum, was für ein ausgewogenes Fahrverhalten sorgt. Auf jeden Fall schließen sich beide Autohersteller – man ist ja auch familiär eng miteinander verbunden – für das Projekt 914 zu einer Entwicklungs-Gemeinschaft zusammen: In Wolfsburg sehnen sie sich gegen Mitte der 60er dringend nach etwas mehr Pep im technisch wie stilistisch angestaubten Sortiment, während man in Zuffenhausen genauso dringend einen Nachfolger für den unter dem 911 angesiedelten späten 356 wünscht.
914 und 986 waren als Porsche-Einstieg gedacht
Was uns fast schon automatisch zum Boxster führt, denn zu Beginn der 1990er-Jahre ist man in Zuffenhausen abermals auf der Suche nach einem Sportwagen, der unterhalb des Elfer rangieren soll. Porsche ist zu diesem Zeitpunkt, man will es heute kaum glauben, quasi pleite, es fehlt an Ideen und vor allem an einem Auto, das als Einstiegsmodell in den Porsche-Kosmos für neue Käuferschichten sorgen und wieder dringend benötigtes Geld in die Kassen spülen soll. Der neue Roadster hört schließlich auf den Namen Boxster (Typ 986) und erscheint 1996 als reiner Mittelmotor-Zweisitzer, so wie 27 Jahre zuvor der 914. Vor die Hinterachse haben die Konstrukteure zudem den ersten wassergekühlten Sechszylinder- Boxermotor des Hauses Porsche gesetzt, der ein Jahr später auch den neuen Elfer Typ 996 antreiben wird.
Zwei Porsche mit Mittelmotor
Beide Modelle warten nun für eine Ausfahrt, es handelt sich um einen VW-Porsche 1.8 sowie einen Porsche Boxster 2.7, die heute im kühlen Silber angetreten sind, welches die Sonnenstrahlen des ausgehenden Tages reflektiert. Ähnlichkeiten zwischen den beiden Sportwagen? Wenige, die ausschließlich dem Mittelmotorkonzept geschuldet sind: Kofferraum vorn, zwei Sitze in der Wagenmitte, direkt dahinter die Antriebseinheit und schließlich ein weiterer Kofferraum. Ansonsten gehen beide Sportwagen optisch einen absolut eigenständigen Weg: Der 914 stammt aus der Feder von Porsche-Design-Altmeister Heinrich Klie, dessen kantiger wie gleichermaßen schmuckloser Entwurf ganz bewusst keinerlei Ähnlichkeiten mit dem 356 oder einem 911 aufweist, obendrein handelt es sich um den ersten Porsche mit Klappscheinwerfern. Die nüchterne Linie des neuen Modells sorgt allerdings für viel Kritik: Viel zu kühl sei er, lautet der größte Vorwurf.
Der 914 kommt ohne Porsche-Emblem auf die Welt
Die erste Boxster-Studie von Porsche-Chefdesigner Harm Lagaay, 1993 in Detroit präsentiert, zeigt hingegen einen rundlichen Sportwagen, der eindeutig an eine Mischung aus Speedster und Spyder erinnert. Als der Boxster drei Jahre später auf die Straße kommt, hat er gegenüber der kaum praxistauglichen Designstudie erwartungsgemäß zugenommen, und deshalb muss auch dieses Modell Häme einstecken. Doch dieser neue Roadster Typ 986 verkauft sich aus dem Stand heraus besser als sein großer Bruder 911, so wie sich der 914 zu einem Bestseller gemausert hat – allerdings nur in den USA, wohin drei Viertel der rund 120.000 gebauten Exemplare exportiert werden. Und nur dort darf sich der 914 mit dem imageträchtigen Namen Porsche schmücken. In Deutschland wird der ausschließlich bei Karmann in Osnabrück produzierte Zweisitzer über eine eigens gegründete Vertriebsgesellschaft als VW-Porsche angeboten – ohne Porsche-Emblem auf der Haube.
Klingt nach Käfer: Vierzylinder-Boxer
Nein, eine Eingewöhnungsphase braucht es am Steuer eines 914 kaum. Nur drei Schalter, drei Hebel für die Heizung und zwei weitere am Lenkrad. Rechts ragt ein dürrer Schaltstock aus dem Fahrzeugboden, der vollkommen ohne Mitteltunnel auskommt. Direkt im Blick des Fahrers: drei riesige Rundinstrumente, wobei der Drehzahlmesser Porschetypisch in der Mitte sitzt. Rechts davon der Tacho, der in arroganten 50er-Schritten bis Tempo 250 eilt, was jetzt nicht unbedingt zum braven Wesen des 85 PS starken 1,8-Liter-Boxermotors aus dem VW 411 passt, der über zwei Fallstromvergaser mit Gemisch versorgt wird. Es könnte dem Klang nach auch ein Käfer sein, der da Fahrt aufnimmt.
Bei der Auswahl der Motoren muss VW nun einmal auf das zurückgreifen, was in den Regalen liegt – auf jenen grundsoliden Nasenbär-Flachboxer. Anfangs mit 1,7 Litern Hubraum, aber bereits mit Einspritzanlage und 80 PS, ab 1972 dann mit der 1,8-Liter-Vergaserversion des Fotomodells sowie einer auf zwei Liter Hubraum aufgebohrten Variante, die dank D-Jetronic schließlich 100 PS leistet. Porsche hingegen zwängt den Zweiliter-Sechszylinder aus dem 68er-911 T in den engen Schacht hinter der 914-Kabine, feinster Motorenbau also. Mit einer Leistung von 110 PS wildert der 914/6 fahrdynamisch jedoch im Revier des Elfer, was natürlich nicht sein darf. Der Konzern reagiert über den Preis, mit 19 000 Mark ist das Auto schlicht zu teuer – für 1000 Mark mehr gibt es bereits einen Elfer und obendrein die Garantie, nicht aus Versehen für einen VW-Fahrer gehalten zu werden. Nach 3332 produzierten Exemplaren zieht sich Porsche 1972 aus dem Projekt 914 zurück.
Nur 85 PS? Egal, bei dieser Straßenlage
Doch das alles spielt heute längst keine Rolle mehr. Weil dieser 914 sofort eine Charmeoffensive startet, der du dich als Fahrer nur sehr schwer entziehen kannst. Okay, 85 PS sind natürlich nicht die Welt, und die Suche nach den fünf Gängen des Sportgetriebes entpuppt sich zudem als Mischung aus Teigrühren und Lotteriespiel. Und trotzdem kriegt er dich, dieser Volks-Porsche. Weil er in seinem ganzen Wesen grundehrlich ist, obwohl er dir durch seine coole Optik natürlich immer vorgaukelt, ein Sportler zu sein. Aber: Spätestens jetzt gefällt dir die extrem tiefe Sitzposition. Oder das Gefühl, dass dieses Auto dank seines Mittelmotors perfekt austariert ist und du es mithilfe der erstaunlich direkten Lenkung und der schmalen Blinkerfinnen rechts und links auf den Kotflügeln zielgenau durch Kurven dirigieren kannst. Porsche-Gene? Ohne Zweifel ja.
Wie es ist, aus einem 914, Jahrgang 1974, in einen Boxster, Baujahr 2000, zu steigen? Man könnte jetzt sagen, dass es sich so anfühlt, als ob man ein karges Jugendherbergszimmer gegen eine Suite in einem Fünf-Sterne-Hotel tauscht, aber das wäre natürlich nicht fair. Immerhin – die Anordnung der Instrumente in der üppig mit Leder und vielerlei Komfortfunktionen ausgestatteten Kabine des Boxsters ist mit der des 914 zumindest in ihrer Grundform identisch: der Drehzahlmesser mittig, rechts und links davon zwei weitere, ineinander verschachtelte Uhren.
Klingt schon besser: 6-Zylinder, 220 PS
Erwartungsgemäß spielt der Typ 986 auch leistungstechnisch in einer vollkommen anderen Liga: Anfangs mit einer 204 PS starken 2,5-Liter-Maschine versehen, wächst der Hubraum des Roadsters 1999 auf 2,7 Liter, die Leistung auf 220 PS; im Jahr 2000 schiebt Porsche noch eine scharfe S-Version mit einem 252 PS starken 3,2-Liter-Boxer hinterher. Die, die jetzt noch von einem Yuppie-Porsche sprechen, haben dieses Auto vermutlich nie bewegt.
Raus auf die Straße, die möglichst kurvig sein sollte, denn das ist das Revier eines Porsche Boxster. Nichts scheint diesen Roadster im besten Youngtimer-Alter dort aus der Ruhe zu bringen, kein Zittern und kein Schütteln. Lenkung, Federung und Bremsen? Alles voll bei der Sache. Selbst im Grenzbereich verhält sich dieser offene Zweisitzer erstaunlich gutmütig, begeistert durch seine Ausgewogenheit. Ja, sie haben es bei Porsche verstanden, dieses herrliche Wesen eines Mittelmotor-Sportwagens zu verfeinern, es womöglich sogar zu perfektionieren.