Porsche 959, F40, Ruf CTR, AMG 6.0 im Vergleich

In Reih und Speed

Hier haben wir den Hochgeschwindigkeits-Vergleichstest von 1988, bei dem der Ferrari F40, der Mercedes AMG 6.0 32 V, der Porsche 959 und der Ruf-Porsche CTR in Nardo gegeneinander antreten mussten.

Ferrari F 40, Mercedes AMG 6.0 32 V, Porsche 959, Ruf-Porsche CTR, Hochgeschwindigkeits-Vergleich 1988 Foto: Wolfgang Drehsen 19 Bilder

Die Reise der Superschnellen begann mit Tempo 80. Auf dem upper deck eines Autotransporters hatten ein Mercedes-Coupé von AMG und ein Porsche 959 Platz genommen, ein Stockwerk tiefer reiste ein Ruf Porsche mit Turbomotor. Das Ziel: ein Treffen mit dem stärksten Sportwagen, den Italien derzeit aufbieten kann, dem F40 von Ferrari. Den Bogen von einem für die Straße kaum gezähmten Rennwagen wie dem Ferrari zu einem luxuriös ausgestatteten Coupé wie dem AMG-Mercedes spannen elegant die exorbitanten Preise des Quartetts. Zusammen gut 1,5 Millionen Mark teuer, kostet schon das billigste Modell immerhin 328.000 Mark. Eine solche Summe für ein Auto auszugeben, das konnte noch vor wenigen Jahren allenfalls in Form des teuersten Rolls-Royce gelingen. Genannt wurden derartige Preise, nach feiner britischer Art, nie: Auf Anfrage, hieß es stets, weil die Summe nur noch Interessenten betraf, für die ihre Höhe ohnehin keine Rolle mehr spielt.

Preislich keine Zurückhaltung

Mit so dezenter Zurückhaltung ist es längst vorbei. Porsche warf herkömmliche Wertvorstellungen mit dem Technik-Wunder 959 über den Haufen und kassierte pro Stück 420.000 Mark, ohne dabei auch nur im Entferntesten kostendeckend zu wirtschaften. Und Ferrari setzte, weil der stärkste und schnellste Sportwagen schließlich nur aus Maranello kommen darf, noch eins drauf: 444.000 Mark für den F40; die Gewinnmarge ist dabei, so Ferrari-Direktor Giovanni Razelli, genauso groß wie bei jedem anderen Ferrari. Was sollte er auch anderes sagen? Man muss allerdings nicht Ferrari oder Porsche heißen, um so kräftig hinzulangen. Zum Hersteller gereifte Tuner tun das ebenfalls.

Ferrari F 40, Mercedes AMG 6.0 32 V, Porsche 959, Ruf-Porsche CTR, Hochgeschwindigkeits-Vergleich 1988 Foto: Wolfgang Drehsen
Der Porsche 959 mit 515 PS heißt werkintern 959 S - auto motor und sport fuhr ihn 1988 rekordverdächtige 339 km/h schnell.

300 km/h als Visitenkarte

Hans-Werner Aufrecht, das A von AMG, will für sein Spitzenmodell, ein mit einem sechs Liter großen Vierventil-V8 ausgerüstetes CE Coupé, 335.500 Mark, Porsche-Veredler Alois Ruf zeigt Zurückhaltung nur insofern, als er auf Anfrage zunächst einen Preis von 288.000 Mark nennt, um dann in einem Nebensatz die Unvermeidlichkeit der gesetzlichen Mehrwertsteuer anzudeuten. 328.000 Mark also für seinen Elfer mit der Bezeichnung CTR und einem auf 469 PS erstarkten Biturbo-Motor in der schmalen 911-Karosserie. Die stärksten Autos der Welt sind somit hier versammelt und damit natürlich auch die schnellsten. 300 km/h gelten mittlerweile als Visitenkarte der Superschnellen, auch wenn dieses Tempo zwangsläufig zu einer abstrakten Größe wird, tauglich vor allem, um das Ego der Käufer zu befriedigen und in der Praxis von vergleichbarer Bedeutung wie die Brillanten an der Rolex mancher Besitzer. Auf der Promenade des Anglais in Nizza oder dem Berliner Kurfürstendamm stimmt die Kulisse für derartige automobile Extravaganzen, von denen es weltweit nur eine Handvoll gibt.

Test auf Hochgeschwindigkeits-Kurs in Nardo

Für auto motor und sport allerdings war der Treffpunkt weit weniger prominent: Nardo, das ist tiefstes Apulien, das Ende Italiens, wo nach dem Abzug der Touristen selbst die Straßenköter an Langeweile einzugehen drohen. Die Bedeutung der Region liegt in einem Kreisel, der sich auf topografischen Karten ausnimmt wie ein gigantischer Teilchenbeschleuniger. Fiat hat hier im Jahr 1970 eine Umlaufbahn errichtet, 12,6 Kilometer lang, mit fünf Fahrbahnen, deren progressive Überhöhung bis 12,68 Grad extreme Geschwindigkeiten erlaubt. Über 400 km/h wurden bei Weltrekordfahrten in Nardo schon erreicht, mit speziellen Rekordautos, versteht sich. Tempo 300 mit Straßensportwagen sind aber selbst in Nardo nicht ganz problemlos. Die Querbeschleunigung g (g = Erdbeschleunigung 9,81 m/s2) liegt dann, trotz der Überhöhung, bei knapp 0,2; der Ruf-Porsche beispielsweise lastet dann mit 1.300 Kilogramm auf der Fahrbahn – Werte, die bei den Reifenspezialisten für Alpträume gut sind. Porsche empfahl deshalb zwei langsame Auslaufrunden zur Abkühlung nach jedem Höchstgeschwindigkeits-Versuch. Alois Ruf hatte einen separaten Reifensatz eigens für die Messungen reserviert. Allein Ferrari stand dem Test mit der ganzen Nonchalance langjähriger Formel-1-Erfahrung gegenüber. Reifenprobleme? Keine, wenn man nur die Anweisung befolgt, die in jedem F 40 an der Frontscheibe klebt: 3,0 bar Reifendruck für Geschwindigkeiten über 300 km/h.

Ferrari F 40, Mercedes AMG 6.0 32 V, Porsche 959, Ruf-Porsche CTR, Hochgeschwindigkeits-Vergleich 1988 Foto: Wolfgang Drehsen
Der Ferrari F 40 war 1988 Renntechnik für die Straße - 1988 schaffte er im Test von auto motor und sport 321 km/h.

Anpressdruck kostet ein paar km/h

Das Aufpumpen der vier Pirelli Zero war denn auch mehr oder weniger die einzige Vorbereitung, die sich Ferrari vor dem Test genehmigte. Entsprechend serienmäßig sah das Resultat aus: Als Höchstwert zeigten die Lichtschranken bei Kilometer sechs 321 km/h an, drei km/h weniger als die offizielle Werksangabe von 324 km/h. F40-Kunden müssen deshalb nicht gleich reklamieren. Der Anpressdruck unter Nardo-Bedingungen erhöht den Rollwiderstand und kann deshalb einige km/h kosten. 321 km/h wären jedenfalls genug gewesen, um einen serienmäßigen Porsche 959 zu übertrumpfen. Aber Porsche ging das Projekt Nardo an, als gelte es, in Indianapolis Trainingsbestzeit zu erzielen.

Ferrari F 40, Mercedes AMG 6.0 32 V, Porsche 959, Ruf-Porsche CTR, Hochgeschwindigkeits-Vergleich 1988 Foto: Wolfgang Drehsen
342 km/h: Der Ruf-Porsche CTR hängt beim Hochgeschwindigkeits-Vergleichstest alle seine Gegner ab.

959 mit mehr Leistung

Der 959 wird in Weissach längst als rollendes Versuchslabor angesehen, zurzeit erforscht man die Extrembereiche der Turboaufladung und des Ansprechverhaltens. Der Sechszylinder erhielt größere Lader aus dem 944 Turbo Cup und ein modifiziertes Überdruckventil für einen maximalen Ladedruck von 1,1 bar (Serie: 0,8 bar). Die Leistung stieg dadurch auf 515 PS, das Drehmoment auf 561 Nm. Dazu wurde der sechste Gang für den Nardo-Test länger übersetzt. Das schmetternde Trompeten, das dieser spezielle 959 bei voller Beschleunigung hören ließ, unterstrich den Porsche Anspruch deutlich: Hier handelt es sich um den stärksten 959, der je das Entwicklungszentrum in Weissach verließ. Auch Fahrwerk und Aerodynamik wurden für den Nardo-Versuch optimiert. Um zwei Zentimeter tiefergelegt und mit auf null Grad korrigiertem Sturz der Hinterräder kam der Porsche auf 339 km/h und war damit gut 20 km/h schneller als beim auto motor und sport Test von 1987.

Ruf CTR fährt 342 km/h

Das hätte locker gereicht für den Titel des schnellsten Straßensportwagens der Welt, hätte nicht auch Alois Ruf für Nardo noch ein paar zusätzliche Pferdestärken gefunden. Offiziell nennt er für seinen CTR (Carrera Turbo Ruf) 469 PS. Aber spätestens, nachdem der gelbe Porsche die Lichtschranke mit 342 km/h passiert hatte, war klar, dass hier tiefgestapelt wurde. Selbst wenn man ungeprüft davon ausgeht, dass die aerodynamischen Verbesserungen der Karosserie durch Frontspoiler und fehlende Regenrinnen den Luftwiderstand auf das Niveau des neuen Carrera 4 (cW 0,32) drücken, sind für Tempo 340 deutlich über 500 PS notwendig.

Ferrari F 40, Mercedes AMG 6.0 32 V, Porsche 959, Ruf-Porsche CTR, Hochgeschwindigkeits-Vergleich 1988 Foto: Wolfgang Drehsen
Für ein Luxus-Auto unheimlich schnell: Der Mercedes AMG 6.0 32 V schafft im Test 288 km/h.

Mercedes AMG 6.0 32 V fast 300 km/h schnell

Bei derartigen Kraftakten hinkt das Mercedes-Coupé von AMG mit seinem Saugmotor zwangsläufig hinterher. Die 385 PS seines Achtzylinders erscheinen glaubhaft, sie beschleunigen den Mercedes bis auf 288 km/h – beachtlich genug für ein so stattliches Automobil. Ohne die dicken Kotflügel gehört auch der AMG zu den 300 km/h-Autos, aber Hans Werner Aufrecht findet sein Auto in dieser Form "einfach schöner". Schließlich kassiert er dafür auch noch 41.000 Mark extra. Fast 300 km/h schnell fährt man im AMG mit allem Luxus: mit Automatik, Klimaanlage, Wurzelholz und feinem Leder. Laut ist sein Achtzylinder dabei schon, aber verglichen mit dem Turbo-Konzert des 959 gibt sich der Mercedes so kultiviert wie eine gepflegte Reiselimousine.

Zweiter Lader für Leistungs-Explosion

Auch der Ruf-Porsche, obwohl mindestens 70 Prozent stärker als ein serienmäßiger 911 Turbo, hat sich die Laufkultur des Serienmodells weitgehend bewahrt. Charakteristisch für seinen Biturbo-Motor ist das hochfrequente Singen der Lader bei Volllast, das beim Gaswegnehmen von einem hörbaren Aufatmen des Überdruckventils abgelöst wird. Im Gegensatz zum 959, bei dem die beiden Lader sehr aufwendig in Registeranordnung nacheinander einsetzen, arbeitet Ruf mit konventioneller Laderanordnung – und damit wirkt die Leistungsentfaltung des 3,3 Liter-Motors erheblich harmonischer. Während beim 959 ab 4.000/min beim Einsetzen des zweiten Laders die Leistung geradezu explosionsartig zunimmt, hat der Ruf-Motor schon bei niedrigen Drehzahlen so viel Dampf, dass der Übergang in den Vollastbereich weicher und damit besser kontrollierbar erscheint. Ein spürbares Turboloch ist trotzdem geblieben; beim Lastwechsel lassen sich die Turbinen etwas Zeit, bis wieder der volle Ladedruck von 1,1 bar erreicht ist. Im Zusammenspiel zwischen Ladedruck und Leistung werden die beiden Porsche vom Ferrari F40 klar übertrumpft. Schon bei niedrigen Drehzahlen hängt der V8 erstaunlich gut am Gas, oberhalb von 3.500/min bewirkt das Öffnen der Drosselklappen einen so schnellen Anstieg des Ladedrucks, dass die Leistung ähnlich spontan zur Stelle ist wie bei einem Saugmotor. Für ein Triebwerk mit einer spezifischen Leistung von 163 PS pro Liter steht so ein ungewöhnlich breiter nutzbarer Drehzahlbereich zur Verfügung.

F40 mit Rennauto-Geräuschkulisse

In krassem Gegensatz zur geschmeidigen Kraftentfaltung des Achtzylinders steht allerdings die Geräuschkulisse, die dem Ferrari-Fahrer stets und eindrucksvoll klarmacht, dass er hier eigentlich in einem Rennauto sitzt. Vom Cockpit nur durch eine dünne Kunststoffwand getrennt, entfesselt der Ferrari-Motor eine ohrenbetäubende Mischung aus Ansaugen, Auspuffen und all den metallischen Geräuschen seiner aufwendigen Mechanik, untermalt vom Tosen des Fahrtwindes, von den harten Schlägen des Fahrwerks und dem Abrollgeräusch der Reifen, die mit der Dimension 335/35 ZR 17 an der Hinterachse nicht weit von dem entfernt sind, was auch in Le Mans aufgezogen wird. Die infernalische Geräuschkulisse bleibt hier der nachhaltigste Eindruck der 320-km/h-Tour. Ansonsten ist der Umgang mit höchsten Geschwindigkeiten von der Technik her eher problemlos; mehr noch als der Porsche 959 zeigt der Ferrari, dass er ohne Kompromisse für diese Gangart ausgelegt ist. Der beim 959 noch in Ansätzen vorhandene Federungskomfort blieb dabei ganz auf der Strecke, der Kontakt mit der Fahrbahn ist von einer unverblümten Direktheit. Selbst winzige Unregelmäßigkeiten der Piste werden ungefiltert an den Fahrer weitergegeben, was in diesem Fall fraglos den Eindruck hoher Fahrsicherheit noch steigert. Selbst auf Bodenwellen ändert sich nichts an dem mustergültigen Geradeauslauf dieses Ferrari.

Sammelwürdig

Ähnlich stabil zeigt sich nur der präparierte 959, während der AMG-Mercedes etwas sensibel auf Längsrillen reagiert. Der Ruf-Porsche läuft trotz seines Heckmotor-Konzepts ordentlich geradeaus, solange die Fahrbahn eben ist. Unebenheiten bringen allerdings eine gewisse Unruhe in Vorderbau und Lenkung, die zumindest subjektiv die Fahrstabilität negativ beeinflusst. Für die meisten Ruf-Kunden dürfte dies freilich ebenso belanglos sein wie der Preis. Sie sehen in einem solchen Sportwagen ein Sammlerstück – wie eine 72-jährige Schweizerin, die unlängst ein Exemplar aus der zunächst auf zehn Stück begrenzten CTR-Serie erworben hat. Wären Porsche 959 oder Ferrari F40, für die schon jetzt der doppelte Neupreis geboten wird, nicht die bessere Wertanlage gewesen? Bestimmt, aber sie gehören bereits zum Fuhrpark der Dame.