Porsche 911 T 2.2 Targa im Fahrbericht
Betörender Sport-Klassiker
Noch vor Serienanlauf des 911 Coupé im September 1964 werkelte Porsche an der offenen Version, die 1965 präsentiert wurde. Worin liegt das Erfolgsgeheimnis des Targa mit dem charakteristischen Bügel aus gebürstetem Edelstahl?
10.01.2015 Hans-Jörg GötzlSchon gut, schon gut, es ist ja wahr: Ich habe unrecht getan. Vor einigen Jahren brachte ich einen guten Teil der Elfer-Gemeinde – laut Verkaufszahlen rund 40 Prozent – schwer in Rage, als ich heftig gegen den Porsche 911 Targa wetterte und meine Tirade mit den Worten schloss, echte Sportwagen hätten nun mal kein Loch im Dach.
Der Neunelf im Targa
Heute sehe ich das anders, teilweise jedenfalls. Ich bleibe dabei, dass Ferdinand Alexander Porsche seinen eigenen, 1963 präsentierten Jahrhundertentwurf namens 911 nicht wirklich verbesserte, als er daraus bereits 1964 den Targa formte. Das Coupé ist einfach schöner – Kinder zeichnen bis heute, wenn sie einen Porsche malen sollen, ein 911 Coupé, niemals den Targa. Und dass der geschlossene 911 steifer ist, merkt jeder, der in einem Porsche 911 Targa eine schnelle Runde auf der Nordschleife hinlegt.
Andererseits muss ich nach vielen offenen Kilometern in diversen Targa-Modellen zugeben, dass das Targa-Fahren schon sehr viel Schönes hat. Das liegt zunächst einmal natürlich daran, dass auch ein Porsche 911 Targa vor allem eines ist: ein Neunelf – und damit eine faszinierende Fahrmaschine, die die Sinne weckt und betört wie kaum ein zweiter Serienwagen in diesem Universum.
Porsche 911 Targa mit unverwüstlichem Motor
Das beginnt beim Motor, diesem Meisterstück des genialen Konstrukteurs Hans Mezger, der auch den 917 geschaffen hat. Das gelassene Grummeln des gebläsegekühlten Sechszylinder-Boxers erinnert bei Leerlaufdrehzahl gerade genug an den Käfer, um dem Fahrer zu signalisieren, dass ein normal gewarteter 911-Motor immer läuft: im Schneesturm, in der Wüste, auf der Rennstrecke oder beim Brötchenholen. Er lässt einen nie im Stich.
Schon bei kurzen Gasstößen fällt auf, wie leicht der Motor hochdreht. Ab 80 Grad Öltemperatur darf richtig Gas gegeben werden, er mag das, und dann wird aus dem Grummeln schnell ein Brüllen und bald ein heiseres Kreischen, das auch im geöffneten Porsche 911 Targa alles übertönt und den Piloten in Ekstase versetzt. Dazu kommt die Elfer-typische, ansatzlose Beschleunigung durch das Motorgewicht auf der Antriebsachse – als würde der Gasfuß ohne Umwege über die Drosselklappen direkt auf die Hinterräder wirken.
Ein Leben lang
Das dazu passende Fahrwerk zeigt sich ebenso sensibel und mitteilsam wie der Antrieb: Die Lenkung ist so leichtgängig wie präzise und mit glasklarer Rückmeldung, der Fahrer spürt genau, wie die Reifen an Temperatur zunehmen und Haftung aufbauen – oder wie sich der Grip bei einsetzendem Regen drastisch verringert.
Wer jetzt in Kurven gefühllos oder zu früh das Gaspedal runtertritt, darf sich nicht wundern, wenn er durchs Unterholz bricht. Könner indes genießen es, den Porsche 911 Targa auch jetzt an der Haftgrenze zu balancieren und damit Dinge zu tun, die man sonst nur mit einem richtigen Rennwagen anstellen kann. Es ist diese Nähe zum Rennsport, dieser Dialog zwischen Mensch und Fahrmaschine, den in dieser Form nur der Neunelf beherrscht – und der einen ein ganzes Leben lang glücklich machen kann.
Was nun den Porsche 911 Targa vom Coupé unterscheidet – und was ich selbst erst spät entdeckt habe –, ist die genussvolle Komponente. Wenn das Dach zusammengefaltet unter der vorderen Haube verschwindet (wobei dennoch genug Gepäckraum für die große Reise übrig bleibt) und die Fenster heruntergekurbelt sind, dann ist der Targa so offen, wie man es sich nur wünscht.
Porsche 911 Targa mit 125 PS
Über den typischen Elfer-Geruch legt sich nun der Duft von frisch gemähtem Gras, von Wiesenblumen und von Wald; der Pulsschlag des Fahrers verlangsamt sich, die Seele findet wieder ihre Balance. Und während man sich unterm Blechdach gerne die stärker motorisierten Varianten wünscht, reichen im Porsche 911 Targa die 125 PS wie in diesem 2,2-Liter-Basismodell vollauf. Mehr braucht kein Mensch, schon gar nicht in der Schweiz, wo für die 80 km/h auf Landstraßen zur Not fast der zweite Gang genügt.
„Der 911 ist mein erster Klassiker, ich wollte unbedingt einen aus meinem Geburtsjahr 1971, und es musste ein Targa sein, weil ich offen fahren möchte“, sagt Besitzer Rüdiger Müller, gebürtig im Hunsrück, der in Zürich als Redakteur arbeitet. „Ich fahre oft von Zürich aus an den Säntis, das ist etwa eine Stunde entfernt. Wenn ich dann eine Weile mit dem Elfer hier unterwegs war und zurückkomme, fühlt es sich an, als wäre ich im Urlaub gewesen.“
Vielleicht liegt genau darin das Erfolgsgeheimnis des Porsche 911 Targa, und das gilt für alle Modellreihen: Auch er ist ein typischer 911, der geschlossen hohe Reiseschnitte ermöglicht und fahrdynamisch in einer höheren Liga spielt als die meisten anderen Sportwagen. Offen aber entführt der Targa einen bei jeder noch so kleinen Fahrt ein Stück weiter weg vom Alltag, als es das Coupé vermag. In der idealen Garage stehen ohnehin beide – der Trend geht klar zum Zweit-Elfer.