Porsche 911 Carrera 3.0 RSR (1974) Artcurial
Millionen-Porsche mit Renngeschichte
Artcurial versteigert im März während der Rétromobile einen der erfolgreichsten RSR. Der 911 mit Renngeschichte soll etwa 2 Millionen Euro kosten.
22.02.2022 Dirk JohaeIm kräftigen Rot wirkt der Porsche 911 Carrera RSR 3.0 fast unscheinbar, ohne die vielen bunten Sponsorlogos und Startnummern. Dabei posiert hier einer der erfolgreichsten RSR mit reicher Renngeschichte. Erstbesitzer war das GELO-Rennteam. Nach 36 Jahren in einer Sammlung wird für ihn am 18. März in Paris ein neuer Besitzer gesucht.
Legende mit Renngeschichte
Vor 50 Jahren stellte Porsche mit dem Carrera RS eine Legende auf die Räder. Ab 1974 ist dann der Dreiliter-RSR als Gruppe-4-Renner die Krone der GT-Schöpfung. Diese vom Werk ausschließlich für Privatiers aufgebaute RSR sind echte Raritäten, die heute zu hohen Preisen gehandelt werden. Je prominenter die Renngeschichte, desto höher der Wert – wenn die Historie nachweisbar ist.
Damals der teuerste 911
Mit einem Kaufpreis von rund 80.000 Mark war der 911 Carrera RSR 3.0 damals der teuerste, frei käufliche 911. Die Angaben zu den genauen Stückzahlen schwanken je nach Quelle. Insgesamt sollen 56 originale Dreiliter-RSR für die Gruppe 4 vom Werk aufgebaut worden sein. Andere Darstellungen nennen etwas kleinere Stückzahlen von 50 bis 54 Autos. Auf jeden Fall waren es weniger als 60 Autos. Darin enthalten ist eine kleine Serie von zehn bis zwölf RSR, die noch für die Saison 1975 aufgebaut wurde.
Heute sind allerdings weltweit wahrscheinlich weit über hundert Carrera RSR im Einsatz. Einige der im historischen Motorsport eingesetzten Carrera RSR sind jedoch erst nachträglich aufgebaute Exemplare, auch wenn sie der Spezifikation der 70er-Jahre entsprechen sollten. Originale Autos vor allem mit prominenter Rennhistorie zählen zu den besonders begehrten Raritäten.
Carrera RSR in Eigenregie
Zusätzlich schwierig wird die genaue Bestimmung der genauen Stückzahlen ein weiteres Detail der RSR-Geschichte: Einige Autos entstanden bei Teams wie Kremer Racing oder dem Franzosen Louis Meznarie in Eigenregie auf Ersatzkarosserien. Dazu zählt beispielsweise der Kremer-Porsche mit der Chassisnummer 005 0004, mit dem der Niederländer Cees Siewertsen 1975 startete.
Jetzt steht ein Exemplar der Gruppe-4-Legende zum Verkauf, das bei Porsche aufgebaut wurde und sich seit knapp 36 Jahren in einer Sammlung befindet. Es ist der RSR, den das Team des Kölner Geschäfts- und Lebemanns Georg Loos 1974 als zweites, eigenes Einsatzauto kaufte und in Läufen der Markenweltmeisterschaft, der GT-Europameisterschaft und der Deutschen Rennsportmeisterschaft einsetzte. Das GELO-Team leistete es sich, seine Autos direkt vom Werk betreuen zu lassen, so auch den jetzt angebotenen RSR mit der Chassisnummer 911 460 9077. Für die Auktion am 18. März im Rahmen der Rétromobile in Paris ist ein Preislimit von 1,8 bis 2,4 Millionen Euro gesetzt.
16 Rennen in einer Saison
Das Auto wurde zum ersten Mal Ende April 1974 beim WM-Lauf in Monza mit den Fahrern Jürgen Neuhaus, Jürgen Barth und dem Teamchef selbst eingesetzt. Als Gesamtelfte belegte das Trio den dritten Platz in die GT-Klasse. Mehr Erfolg hatten John Fitzpatrick und Jürgen Barth wenige Wochen später auf dem Nürburgring: Beim 1.000-Kilometer-Rennen gewannen sie die GT-Kategorie. Wie ihre Teamkollegen Tim Schenken und Rolf Stommelen im August in Paul Ricard.
1975 setzte GELO das Chassis 9077 weiter vor allem in den Läufen zur Marken-Weltmeisterschaft in Europa und der GT-Europameisterschaft ein. In drei EM-Läufen startete der ehemalige australische Formel-1-Fahrer Tim Schenken mit diesem RSR und gewann das Rennen in Misano, an der Spitze des Dreifacherfolgs für sein Team. Schenken wurde am Ende der Saison Vizemeister, nur knapp geschlagen mit drei Punkten Rückstand. Außer dem Australier bestritten weitere namhafte Fahrer mit diesem Auto EM-Läufe: Toine Hezemans (2. in Hockenheim), John Fitzpatrick (3. in Jarama) und Manfred Schurti.
Seit 1985 in einer Sammlung
Nach der Saison mit insgesamt 16 Renneinsätzen verkaufte Loos diesen RSR laut dem Auktionskatalog von Artcurial an den Italiener Mario Balestra. Er setzte den Porsche unter dem Teamnamen "Renato Balestra", einem Modedesigner, bei nationalen Veranstaltungen ein. Stammfahrer Franco Bernabei gewann bei einem Rennen in Monza die Gruppe-5-Kategorie und in Pergusa auf Sizilien die Gesamtwertung. Beim Giro d’Italia für Automobile wurde er zusammen mit Andrea Borgia Gesamtzweiter.
Danach geriet dieser altgediente Carrera RSR aus der Erfolgsspur. 1979 kaufte der Italiener Bruno Rebei den betagten 911 und rüstete ihn auf einen Turbomotor vom Typ 934 um. Danach wurde der Porsche bei einem Unfall beschädigt und samt den Originalbauteilen (Motor, Getriebe und Felgen) an einen schwedischen Fahrer verkauft. Der neue Besitzer versetzte den RSR wieder in einen originalgetreuen Zustand. Über eine weitere Station, den Italiener Gabriele Gottifredi, gelangte der Ex-Loos-RSR im September 1985 schließlich in die Sammlung von Ernst Schuster.
Loos vs. Kremer
Er ließ den roten Carrera von Juni 1987 bis Juni 1991 bei Dr. Siggi Brunn restaurieren. In dieser Zeit wurde auch der Motor mit der Nummer 684 0095 eingebaut, der sich auch jetzt noch im Auto befindet. Dieses Triebwerk befand sich ursprünglich im RSR des Schweizers Edy Brandenburger, der später für die Saison 1977 in ein Gruppe-5-Auto umgebaut worden war. So zumindest die Angabe des aus England stammenden Experten John Starkey, auf dessen Angaben zur Wettbewerbsgeschichte sich das Auktionshaus stützt.
Beinahe wäre es im März zu einem Auktionsduell zwischen dem Ex-Loos-RSR und einem Schwestermodell vom Erzrivalen Kremer gekommen. Die Feindschaft von Kremer und Loos aus der Domstadt ging als "Kölner Porsche-Krieg" in die Motorsportgeschichte ein. Ihre Fehde setzte sich auch über die RSR-Ära hinaus fort. In den USA kommt bereits am 5. März bei Gooding in Amelia Island ein Carrera RSR unter den Hammer, der auf den Seiten große Kremer-Schriftzüge trägt. Dieses Auto mit der Chassisnummer: 911 460 9110 gehört seit 2016 zur US-amerikanischen Lloyd Hawkins Collection in New Orleans.
55 Motoren in einer Saison
Die Arbeitsweise von Kremer Racing unterschied sich stark vom Rivalen GELO, der sich für viel Geld die technische Betreuung vom Werk einkaufte. Erwin und Manfred Kremer hingegen legten immer größten Wert auf Eigenständigkeit. Selbstbewusst tauften sie ihre Gruppe-4-Renner Carrera RSK – K für den Familiennamen der Brüder. Über den Einsatz der Autos hinaus gehörte auch das Tuning von Motoren zur Erfolgsgeschichte. Die Zeitschrift sport auto berichtete, dass die Kremers in ihrer Firma allein in der Saison 1975 insgesamt 55 Porsche-Triebwerke vorbereiteten.
Der in Amelia Island angebotene RSR galt lange Zeit als Kundenauto der Kremer-Brüder. Ursprünglich war auch der Sammler Lloyd Hawkins davon ausgegangen, dass es sich um das ehemalige Auto des Kölners Privatfahrers Josef Brambring handeln muss. Aber der auch von Artcurial zu Rate gezogene John Starkey identifizierte jetzt einen anderen Erstbesitzer für diesen Renn-Elfer: den italienischen Grafen Girolamo Capra, einen Rechtsanwalt und Gentleman Driver aus Vicenza. Als er den RSR Ende 1975 zugunsten eines neuen 934 verkaufte, blieb das Auto zunächst in Italien. Später gehörte es nacheinander den Sammlern Ernst Schuster, Albert Obrist und laut der Aufstellung von Gooding ab 1992 auch Bernie Ecclestone.
Beim Preislimit hat der Ex-Loos-RSR gegenüber dem Ex-Capra-Auto einen Vorsprung von rund einer Million Euro. Ob das die Bieter genauso sehen?
Die Carrera RSR 3.0-Story
Mit dem 911 Carrera RSR 3.0 gelang Porsche ein Meisterstück. Alle Erfahrungen, die das Werksteam 1973 mit dem Einsatz seiner Autos in der Marken-Weltmeisterschaft gesammelt hatte, flossen in die Entwicklung ein. Den größten Erfolg verbuchte das Martini-Racing-Team mit dem Gesamtsieg und dem dritten Platz bei der Targa Florio. Beide Prototypen verfügten über einen Sechszylinder mit drei Liter Hubraum. Die Gruppe-4-Versionen der ersten RSR-Generation mussten sich dagegen mit 2,8 Litern begnügen.
Bei der Zulassung des Carrera RSR 3.0 agierte Porsche sehr geschickt. Die 74er-Generation stellten die Techniker als Evolution des Vorgängers vor. Somit brauchte die bestehende Homologation lediglich erweitert zu werden. Auf eine weitere Sonderserie von mindestens 1000 identischen Autos konnte verzichtet werden. Es reichten insgesamt 109 Exemplare des Carrera RS 3.0. "Deutschlands stärkstes Stück" titelte auto motor und sport im Mai 1974 beim Test des 230 PS starken Elfer-Königs.
Zwar war der damals kräftigste Porsche-Spross schon im seriennahen Gruppe-3-Trimm eine Waffe. Aber zur Legende wurde er als lupenreine Rennsportversion RSR. Dafür sorgte der verbesserte Dreiliter-Sechszylinder aus dem Fitnessstudio des Werks 1 in Zuffenhausen. Der Zaubercode 911/75 stand für offiziell 330 standhafte PS in der Rundstreckenversion. Mit schärferen Nockenwellen, der Drosselschieberanlage, der Doppelzündung und der Trockensumpfschmierung wurde der vergrößerte luftgekühlte Sechszylinder-Boxer für den Rennbetrieb fit gemacht. Über das Kurbelgehäuse aus Aluminium verfügte bereits der zahmere RS-Motor.
Für die Sprintrennen der Deutschen Rennsportmeisterschaft wurden offiziell sogar 345 PS aus dem Triebwerk gekitzelt. Das reichte jedoch nicht, um sich gegen den Ford Capri RS (1974) oder den BMW 3.5 CSL (1975) im Kampf um die Spitze in der Division 1 des Championats durchzusetzen. Allerdings dominierten die Carreras in der GT-Europameisterschaft und die GT-Kategorie in der Markenweltmeisterschaft. Auch am Berg waren die RSR eine Macht.
Um den RSR in Form zu bringen, musste auch Gewicht abgespeckt werden, um auf 900 Kilogramm zu kommen. Die leichtesten RSR wogen allerdings nicht weniger als 920 Kilogramm. Neben dem Verzicht von allem überflüssigen Ballast bis hin zur Zeituhr und zum Handschuhfachdeckel im Interieur kam großflächig Kunststoff zum Einsatz. Die Stoßfänger vorn (samt Spoiler) und hinten, die mächtigen hinteren Kotflügelverbreiterungen und die Motorabdeckung mit dem großen Heckspoiler wurden in dem Leichtbaumaterial gefertigt. Im vorderen Stoßfänger fand zentral der große Ölkühler Platz, flankiert von je einem Lufteinlass zur Kühlung der Vorderradbremsen.
Die Kotflügelverbreiterungen boten den breiten Gummiwalzen Platz: 1974 zunächst vorn 10,5 Zoll und hinten 14 Zoll mit einem Durchmesser von jeweils 15 Zoll. Die Fünfspeichenfelgen mit Zentralverschluss aus einer Magnesiumlegierung entsprachen dem 917-Standard. Kremer Racing setzte allerdings auf dreiteilige BBS-Felgen und ab 1975 bei der Trockenbereifung sogar mit 16 Zoll Durchmesser und in der Breite vorn 11 und hinten 14,75 Zoll. Die Scheibenbremsen mit den quergerippten Vierkolbensätteln aus Aluminium stammten vom erfolgreichen 917. Das Fahrwerk wurde beim RSR auf Schraubenfedern (Stahl oder Titan) vorn und hinten umgestellt.
Internationale Erfolge
Die Liste der Erfolge für den Dreiliter-RSR ist lang und reicht von nationalen Meisterschaften wie der französischen GT-Meisterschaft über die GT-Europameisterschaft und Gesamtsiegen in der IMSA Camel GT-Trophy bis zum GTS-Sieg bei den 24-Stunden von Le Mans 1975.
Der letzte große Erfolg eines Carrera RSR im modernen Rennsport stammt übrigens aus dem Jahr 1988. Da gewannen Edgar Dören, Gerhard Holup und Peter Faubel das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Dieser RSR war nach dem Gruppe-H-Reglement vorbereitet. Unter dem Motordeckel mit dem ausladenden Heckflügel sorgte ein 3,4 Liter großer Sechszylinder-Boxer für eine standhafte Leistung von 340 PS. Selbstverständlich luftgekühlt.