Porsche 911 Carrera RS RS 2.7, 3.8 und 993
Der ultimative RS-Generationen-Vergleich
Leicht, stark und leider ziemlich selten: Porsche Carrera RS zählen zu den faszinierendsten 911-Modellen. Drei von ihnen stehen heute für eine (schnelle) Ausfahrt bereit: ein Carrera RS 2.7, ein Carrera RS 3.8 (Typ 964) sowie ein Carrera RS (Typ 993).
02.07.2016 Michael SchröderOkay, vergessen wir für einen Moment jene exorbitante Preisentwicklung, die aus diesen drei Elfern längst ziemlich renditeträchtige Anlageobjekte gemacht hat. Schwamm drüber, dass gerade jene ikonenhaft verehrte Ur-Version, der Porsche Carrera RS 2.7, demnächst wohl nur noch für siebenstellige Beträge den Besitzer wechseln und dann ziemlich wahrscheinlich ausschließlich in privaten Sammlungen anstatt auf der Straße zu sehen sein wird.
Seinen Nachfolgern ergeht es übrigens nicht anders – oder wann haben Sie zuletzt einen von insgesamt nur 55 (!) gebauten Porsche Carrera RS 3.8 der Baureihe 964 gesehen? Sammler verzehren sich längst auch nach dem jüngsten Modell dieses Trios, einem Porsche Carrera RS, Typ 993, bei dem es sich mit nur 1.014 gebauten Exemplaren auch nicht gerade um ein Auto handelt, das an jeder Ecke parkt – vom Ur-RS sind immerhin 1.580 Fahrzeuge produziert worden.
Die Zeiten preiswerter Porsche RS-Modelle sind lange vorbei
Aber das macht die Sache natürlich nicht besser, wenn man zu denjenigen gehört (wie der Autor dieser Zeilen beispielsweise), die es vor zehn Jahren schlicht verpasst haben, sich ein solches Modell zu einem vergleichsweise schmalen Tarif in die Garage zu stellen: Bei 78.000 Euro lag in Motor Klassik 3/2006 die Preiseinschätzung für einen Carrera RS 2.7 Touring im guten Zustand – da hätten viele Hausbanken womöglich noch problemlos mitgespielt.
Nun gut, reden wir nicht weiter von verpassten Chancen. Sondern lieber darüber, warum gerade der Porsche Carrera RS 2.7 gerne als Antwort auf die Frage nach dem wahren Elfer genannt wird, obwohl es sicherlich viel wildere Porsche 911 gibt (für die man zudem nicht gleich Haus und Hof verpfänden muss).
Der erste Porsche 911 RS mit nur 210 PS
Nein, es ist natürlich nicht nur die aus heutiger Sicht fast schon bescheiden anmutende Leistung von 210 PS, die zählt, es ist vielmehr das Gesamtpaket, welches in dieser Form – Nicht-Elfer-Fans mögen es mir verzeihen – doch relativ einmalig ist: ein Rennwagen mit Straßenzulassung, gebaut als Homologationsmodell für die Gruppe 4 (Spezial GT) – und dort unter den Fahrern genauso geschätzt wie als zuverlässiger Privatwagen für die oft zitierten Fahrten in den Urlaub oder zum Brötchenholen.
Formal trägt er immer noch das alte Elfer-Kleid. Trotz der dezenten Kotflügelverbreiterungen, des Frontspoilers sowie des markanten Heckspoilers wirkt das Auto wie aus einem Guss, schlank und pur. Alles ist hier auf Tempo ausgelegt, von der Hubraumerweiterung von 2,4 auf 2,7 Liter bis zur konsequenten Umsetzung der (hauseigenen) Leichtbau-Philosophie: dünneres Blech, Dünnglas und kein Dämmmaterial.
Der 200-mal gebaute Porsche RS Sport verzichtet auf eine Sonnenblende für den Beifahrer, auf Zierleisten oder herkömmliche Türöffner – eben ein Schnellfahrgerät, bei dem so ziemlich alles richtig gemacht wurde.
Auch Porsche 911 RS-Kunden wollen Komfort
Ganz so spartanisch wollten die meisten RS-Kunden ihr Auto dann allerdings doch nicht. Sie entschieden sich 1.308-mal für das Touring-Paket, welches auch das sepiabraune Fotomodell (nur 19 Exemplare in dieser Farbe!) schmückt. Offensichtlichster Unterschied: gepolsterte Sitze wie in einem herkömmlichen Elfer anstelle karger Wannen. Damit war der Wagen zwar 2.500 Mark teurer, ist 100 Kilo schwerer und 0,6 Sekunden langsamer beim Standardsprint, aber immer noch ziemlich konkurrenzlos.
Pures, ungefiltertes Fahren im Porsche RS
Man muss sich am Steuer des RS nicht einmal lange an das Auto gewöhnen. Okay, der Zündschlüssel sitzt natürlich links und der Drehzahlmesser mittig – Porsche-Fahrer schätzen diese Anordnung bis heute. Und wissen ohnehin ganz genau, was jetzt passiert. Wie dieser Boxer im Heck ab 3000 Touren verschärft mit dem Fahrer kommuniziert, auf jeden Gasbefehl lauert und diesen unmittelbar umsetzt.
Wie die Nadel im Drehzahlmesser mir nichts, dir nichts in Richtung der 6000er-Marke und freudvoll darüber hinausschießt, wie dieses unnachahmliche Schreien, heiser und zornig, dir endgültig den Verstand raubt. Pures, ungefiltertes Fahren. Ja, das käme der Sache wohl am nächsten.
Nur 55 Porsche RS 3.8 wurde gebaut
20 Jahre liegen zwischen dem Ur-RS und dem speedgelben Carrera RS 3.8, Typ 964, der seine 300 PS starke Boxertechnik unter der pausbäckigen Turbokarosserie mit dem verstellbaren Doppeldecker-Heckspoiler verbirgt. Nur 55 RS (sowie 35 RSR) wurden in der Motorsportabteilung in Weissach für das Modelljahr 1993 als Basis für den GT-Cup produziert, wohl auch als eine Art Zugabe an all diejenigen, denen ein herkömmlicher 964-RS mit dem 260 PS starken 3,6-Liter-Triebwerk immer noch zu schwach ist.
Das Leistungsplus kommt – neben dem Hubraumaufschlag – durch ein neues Ansaugsystem mit sechs Ansaugrohren sowie eine höhere Verdichtung (11,6 : 1) zustande. Dass es sich bei dem Fotomodell um einen einstigen Werksprototypen, Jahrgang 1992, handelt, sei nur am Rande erwähnt. Die Spuren einiger Tausend Testkilometer, unter anderem gefahren von Walter Röhrl, sieht man diesem Fahrzeug nicht an.
Konsequenter Leichtbau beim Porsche RS
Porsche bleibt sich natürlich auch bei diesem RS treu. Türen und Kofferdeckel sind aus Aluminium, die hinteren Sitze fehlen, ebenso ein Unterbodenschutz, und auf eine Innenraumdämmung verzichten RS-Piloten ebenso gerne wie auf elektrische Fensterheber oder komfortable Ledersitze – der Verzicht sorgt für ein Gewicht von nur 1.249 Kilo.
Optisch jedoch hat sich dieser auf Leistungssport getrimmte Bolide ziemlich weit von der unschuldig wirkenden Elfer-Ur-Form entfernt, er liegt vier Zentimeter tiefer auf der Straße als ein herkömmlicher Carrera und dürfte so manchen Betrachter mit seinem aggressiven Auftritt provozieren.
Porsche 911 RS sind für die Rennstrecke gemacht
Das Platznehmen in den spartanisch gepolsterten Sitzschalen ist zugegebenermaßen etwas umständlicher als der Einstieg in einen Ur-RS mit seiner aufrechten Garnitur. Ein Blick genügt jedoch, um sich auch in der 964er-Welt zurechtzufinden. Zündschloss links, fünf Rundinstrumente und der Drehzahlmesser natürlich in der Mitte, also alles wie gehabt. Oder fast: Der Schalthebel ähnelt im Vergleich zu dem ellenlangen Stock im ersten Porsche RS nun vielmehr einem Joystick.
Zornig fällt der gelbe Porsche Carrera RS im nächsten Moment über die Straße her, selbst die fetten 285er-Walzen scheinen der Kraft dieses Sport-Boxers kaum noch gewachsen zu sein. Langsam fahren? Ja klar, kein Problem. Aber dieses Auto ist nun einmal für den Leistungssport konstruiert worden, lässt seinen Fahrer sofort spüren, wohin es streng genommen gehört – auf die Rennstrecke. Die Lenkung verlangt nach einem ziemlich harten Griff, und das Bremspedal könnte auch als Wadentrainer durchgehen.
Doch dieser Extrem-Elfer revanchiert sich auf der Stelle. Hält souverän die Spur, folgt präzise und neutral jeder Lenkbewegung, bleibt lange beherrschbar. Der nur zaghaft gedämpfte Klang des Boxers pusht obendrein – oder schützt, ganz wie man es sieht: Man braucht nicht einmal wirklich schnell zu sein, um sich schnell zu fühlen.
Konsequenter Leichtbau im Porsche RS 993
Der rivierablaue Porsche RS 993 wartet bereits. Dessen Heckflügel wirkt im Vergleich zum Monster-Leitwerk des Vorgängers fast schon zierlich. Doch für den 993 als lupenreinen RS, so wie ihn Porsche für das Modelljahr 1996 entwickelt hat, steht und fällt die Daseinsberechtigung mit seiner Renntauglichkeit. Dafür wurde, logisch, wieder einmal kräftig abgemagert: Dünnglasscheiben, eine Fronthaube aus Aluminium, um 30 Kilo leichtere Sportsitze, keine E-Fensterheber, keine hinteren Notsitze und nur Schlaufen anstelle von Türöffnern. Airbags oder Zentralverriegelung? Sind ebenfalls nicht vorgesehen, was am Ende für rund 100 Kilo weniger auf den Rippen im Vergleich zu einem herkömmlichen Carrera sorgt.
Heiser und aggressiv röchelt der von 3,6 auf 3,8 Liter aufgebohrte, 300 PS starke Boxer im Standgas, so, als wolle er seinen Piloten schon vor der Fahrt einschüchtern (was ihm auch ein wenig gelingt, aber das bleibt natürlich unter uns). Grollend rollt er gleich darauf vom Hof, nimmt Tempo auf, sucht seine Spur auf einer Landstraße irgendwo östlich von Düsseldorf. Die fetten 18-Zöller sorgen für ein spontanes Einlenken, die straffen Federn und Dämpfer unter der um vier Zentimeter tiefergelegten Karosserie vermitteln einen recht intensiven Kontakt zur Fahrbahn. So muss es sein.
Natürlich ist dieser RS schnell. Aber dann doch irgendwie nicht schnell genug: Trotz aller Maßnahmen kann er einen 993er-Carrera von der Stange weder ausbeschleunigen (5,1 zu 5,2 Sekunden von 0 bis 100) noch ihm davonfahren (277 zu 276 km/h). Der Faszination Carrera RS tut dieser rein akademische Wert jedoch keinerlei Abbruch. Ehrenwort.