Porsche 356 B, 911 Carrera und 944 Turbo Cabriolet
Welches Porsche Cabrio überzeugt restlos?
Rockt der 356, muss es ein 911 sein oder genügt ein 944? Wir klären die Frage mit Königswellen-Carrera, G-Modell und 944 Turbo. Auf zum Vergleich der Ikonen.
30.05.2020 Michael SchröderNein, mit so einer exklusiven Besetzung hatten wir selber nicht gerechnet. Geplant war eine Ausfahrt mit drei Porsche-Cabriolets, einem 356, einem 911 und einem 944. Und nun, so scheint es, blickt unser applausverwöhnter 911 Carrera wahrhaftig leicht vergrämt drein. Weil ihm trotz seines faszinierenden Wesens innerhalb dieses Trios heute die Rolle eines, sagen wir, Volkssportwagens zufällt und die beiden anderen Modelle allein schon aufgrund ihrer Exklusivität unter Kennern womöglich mehr Blicke auf sich ziehen könnten, als es ihm insgeheim lieb wäre. Sich obendrein an der hochkarätigen Rennsporttechnik eines 356 Carrera 2 messen zu lassen, fällt ihm naturgemäß besonders schwer.
Da wäre jetzt natürlich eine Erklärung hilfreich. Die blau-weiß-roten Cabriolets stammen aus der Sammlung des Porsche Museums, und – Hand aufs Herz – der Autor dieser Zeilen hatte im Fall des 356 nach einem handelsüblichen B-Modell gefragt, aber am Tag der Ausfahrt den Schlüssel zu einem 2000 GS Carrera 2 Cabriolet in die Hand gedrückt bekommen, einfach so. Keine Erklärung, keine Ermahnung, kein gar nichts. Als sei es das Normalste der Welt, diesen sündhaft teuren Zweiliter-Königswellenmotor-Sportwagen, von dem in seiner Cabriolet-Version nur 34 Exemplare gebaut wurden, für eine Ausfahrt herauszugeben. Und dass ein 944 Turbo Cabriolet mit 528 produzierten Exemplaren auch nicht gerade an jeder Ecke herumsteht, sei hier ebenfalls erwähnt. Dass uns diese Auswahl natürlich sehr gefällt, steht außer Frage, und wir bedanken uns an dieser Stelle herzlichst für das entgegengebrachte Vertrauen aus Zuffenhausen.
Der Jahrhundertmotor
Also gut, ein ultrarares 356-Königswellen-Carrera-Cabriolet. Aber damit einfach vom Hof und durch die Stadt hinaus aufs Land fahren? Nein, ganz so einfach ist die Sache dann doch wieder nicht, diesem Auto näherst du dich besser mit Ehrfurcht. Weil in dessen Heck dieser von Dr. Ernst Fuhrmann aufwendig konstruierte Boxermotor Typ 547 sitzt, mit vier obenliegenden, von Königswellen angetriebenen Nockenwellen, halbkugelförmigen Brennräumen mit V-förmig hängenden Ventilen und Doppelzündung. Fuhrmann hat 1953 dem trägen Käfer-Stoßstangenkonzept abgeschworen und für den Mittelmotor-Rennwagen 550 Spyder sämtliche Register des damaligen Motorenbaus gezogen. Sein ultrakurzhubig ausgelegtes und sehr drehzahlfestes 1,5-Liter-Aggregat leistet 110 PS und gilt als Jahrhundert-Vierzylinder. Während der kompromisslose 550 Spyder reihenweise Rennerfolge sammelt, reift bei Porsche die Idee, diesen Motor auch in einen Straßensportwagen einzubauen.
Auf der IAA 1955 ist es dann so weit, im Scheinwerferlicht steht ein 356 A mit einem 100 PS starken, 1,5-Liter-Fuhrmann-Königswellen-Motor, es handelt sich obendrein um den ersten Porsche, der den kraftvollen Beinamen Carrera trägt.
1958 wächst der Hubraum auf 1,6 Liter, die Leistung auf 115 PS. Der bisweilen kritisierten Zuverlässigkeit des Hightech-Motors begegnet Porsche mit einigen technischen Änderungen wie Gleit- anstelle empfindlicher Rollenlager für Kurbelwelle und Pleuel sowie einem optimierten Ölkreislauf mit zwei hintereinandergeschalteten Ölkühlern unter den Scheinwerfern. 1962 zündet Zuffenhausen die nächste und zugleich letzte Ausbaustufe des Fuhrmann-Motors, der nun aus zwei Litern Hubraum 130 PS bei 6.200/min zaubert. Äußerlich erkennt man einen Königswellen-Carrera an seinen fehlenden Stoßstangenhörnern, an den gitterlosen Öffnungen in der Wagenfront zur Belüftung der Ölkühler sowie an dem mit Längsschlitzen versehenen Abschlussblech unter der Heckstoßstange.
130 wilde Renn-PS
Eine aufrechte Sitzposition, eine hohe Seitenlinie und drei schöne große Uhren mit einem Drehzahlmesser in ihrer Mitte – im Cockpit des offenen Carrera herrscht klassisches 356-Ambiente. Dass der Tacho bis 250 km/h reicht und der rote Bereich im Tourenzähler erst bei 6.100/min beginnt, fällt erst beim zweiten Blick auf. Aber so etwas schürt natürlich Vorfreude, wie auch der leicht zornig-tiefe Unterton dieses herrlichen Rennmotors, der sofort anspringt und nach ein paar Streicheleinheiten mit dem Gasfuß in einem gleichmäßigen Leerlauf verharrt.
Gut 30 Minuten später, Stuttgart ist da längst aus den Rückspiegeln verschwunden und das Öl mit 90 Grad wohltemperiert, darf der Carrera endlich in den Sportmodus wechseln. Nicht schlecht, wie dieser Zweiliter-Königswellen-Boxer selbst bei niedrigen Drehzahlen genügend Leistung entwickelt, um unerwartet zügig aus Kurven herauszubeschleunigen. Aber sein wahres Wesen zeigt der Carrera mit seinem Hochleistungsmotor, wenn du als Fahrer erst bei knapp 6.000 Touren hochschaltest und ihn auf einer freien Landstraße nicht unter die Vier im Drehzahlmesser fallen lässt. Dann wird auch diese käferhafte Rumheulerei des Kühlgebläses endgültig von einem angriffslustigen Grollen übertönt.
Jeglicher Trägheit beraubt, überrascht dieser königliche 356 urplötzlich mit einer Dynamik, die manche seiner pummeligen VW-Anmutung dann auch nie zugetraut hätten. Der tiefe Schwerpunkt, die stabile Grundkonstruktion und eine nahezu perfekte Balance tun ihr Übriges, lassen dich als Fahrer mit diesem Auto förmlich verwachsen, aber diese Disziplin beherrschen herkömmliche 356-Modelle natürlich auch. Gleiches gilt für die bei abrupten Lastwechseln schon mal zickig reagierende hintere Pendelachse, aber wenn man deren Verhaltensweise kennt, lässt es sich gut damit umgehen. Dass Porsche bei diesem Carrera erstmals bei einem Straßensportwagen alle vier Räder mit Scheibenbremsen versehen hat, verbucht man als durchaus sinnvolle Maßnahme bei 130 wilden Renn-PS.
Solide wie eine Burg
Der 911 steht abfahrbereit auf einem schattigen Waldparkplatz, ein spätes G-Modell Jahrgang 1984 in Grandprix-Weiß, welches sein aufgeschlagenes Verdeck nach uralter Käfer-Manier noch wie einen Kragen huckepack unter einer Persenning trägt. Eine Etage tiefer wartet ein längst warm gefahrener, 231 PS starker 3,2-Liter-Sechszylinder-Boxer auf seinen Einsatz, dessen hoher Reifegrad samt Leistungsentfaltung von Elfer-Freunden ganz besonders geschätzt wird. Und ja, Cabrio-Fans mussten 20 Jahre lang warten, bis Porsche 1983 endlich wieder ein offenes Modell auf den Markt brachte.
Trotz geöffneten Verdecks fühlt man sich in einem G-Modell auf Anhieb so sicher wie in einer Burg. Schon der satte Klang, wenn die Türen ins Schloss fallen, schafft Vertrauen, ebenso die wie bei einem 356 hohe Seitenlinie. Das Zündschloss befindet sich natürlich ebenfalls links, doch anstelle von drei Rundinstrumenten informieren im 911 traditionell fünf funktionale Uhren über Ölhaushalt, Tempo, Drehzahl und Uhrzeit.
Die Instrumente sitzen allerdings nicht mehr in einem metallenen Armaturenbrett, sondern in einem Kunststoff-Cockpit. Auch das Lenkrad ist wesentlich kleiner und nicht mehr holzumrandet, es kommt inzwischen natürlich längst ohne Hupring aus. Kopfstützen und Sicherheitsgurte sind weitere Attribute, die einen Elfer aus den 80ern im direkten Vergleich zu einem Porsche 356, der seine Wurzeln in den 50er-Jahren hat, zu einem Automobil der Moderne stempeln.
Famoser Flat-Six
Der Sechszylinder-Boxer im Carrera Cabriolet meldet sich mit seinem unnachahmlichen Bellen sofort zur Stelle, der erste Gang findet gleich darauf seinen Weg, aber du spürst schon jetzt, dass die Schaltwege in diesem Elfer untypisch lang für einen Sportwagen dieser Liga sind. An die stehenden Pedale hattest du dich als Fahrer allerdings schon im 356 gewöhnt, ebenso an den Ausblick nach vorn, weil beide Modelle die Straße zwischen ihren Kotflügelkuppeln fest in ihre Mitte nehmen.
Zweiter, dann dritter Gang, noch herrscht keine Eile, aber selbst in ruhiger Gangart klingt dieser Leichtmetall-Sechszylinder betörend schön. Ruckfreies Beschleunigen aus dem Drehzahlkeller? Kein Problem, sogar in der vierten Gangstufe bei 1.500 Touren begeistert die Leistungsentfaltung des 3,2-Liter-Boxers. Doch erst bei 3.500 Touren beginnt dieser famose Flat-Six dort hinten im Heck zu fauchen und zu fordern, ab der Vier wird es richtig laut, und jenseits der 5.000er-Marke übertönt dessen entfesseltes Kreischen selbst die bei geöffnetem Dach lauten Windgeräusche. Ein Porsche 911 Cabriolet ist eine ziemlich mitteilsame Angelegenheit, eine lustvolle obendrein.
Beim Blick auf den Tacho ist man dann immer wieder selber überrascht, wie flott man am Steuer dieses 911 unterwegs ist. Aber das Auto macht es einem mit seiner direkten, sehr gut ansprechenden Lenkung auch nicht sonderlich schwer, eine präzise Spur auf den Asphalt zu zaubern, wohl auch, weil das Fahrwerk in Kurven förmlich nach Tempo giert. Selbst das im Grenzbereich mild einsetzende Übersteuern lässt sich durch leichtes Gegenlenken entschärfen. Mit seinem direkten Wesen teilt dir der Elfer jederzeit mit, woran du bist, fast scheint es, als kommuniziere dieses Auto mit dir.
Der Herausforderer
Ob ein 944 da überhaupt mithalten kann? Oder mithalten darf? Eine Frage, die in der Porsche-Szene seit Einführung dieser Transaxle-Baureihe 1982 leidenschaftlich diskutiert wird. Schließlich haben sie in Zuffenhausen beim 944 alles anders gemacht: Motor vorn, die Zylinder in einer Reihe, obendrein Wasserkühlung und dann auch noch das Zündschloss auf der falschen Seite – nämlich rechts. Der Job der neuen Frontmotor-Porsche war es, den altmodischen Heckmotor-Elfer in Rente zu schicken, ab 1985 mit zusätzlicher Turbo-Power. Viele haben das dem 944 bis heute nicht verziehen.
Unser blaues 944 Turbo Cabriolet scheint sich aus dem ganzen Gerede nichts zu machen, es kennt seine Stärken, weiß genau, dass es zu den begehrtesten 944-Modellen zählt: Porsche fertigt 1991 nur 528 Exemplare des aufgeladenen, offenen Sportwagens, mit dem die Produktion der 944-Baureihe schließlich endet. Seinerzeit ist dieses Modell mit dem 250 PS starken 2,5-Liter-Vierzylinder bereits vor seiner offiziellen Ankündigung nahezu vergriffen.
Mit seinen üppig ausgestellten Radhäusern und den Lufteinlässen für den Ladeluftkühler im Bug kündigt dieser 944 sein schnelles Wesen schon mal im Stand an. Nur auf den großen schwarzen Kunststoffspoiler, sonst auffälligstes Kennzeichen aller Turbo-Versionen dieser Baureihe, hat Porsche beim Cabriolet verzichtet. Nicht aber auf den vollen Komfort inklusive elektrisch verstellbarer und beheizbarer Recaro-Sportsitze, Klimaanlage und elektrischer Fensterheber. Das ovale Cockpit mit vier großen Rundinstrumenten versprüht zusätzlich einen Hauch des feinen 928.
Bärenstarker Vierzylinder
Kaum auf der Straße, packt er dich, dieser bärenstarke 944 Turbo. Mit seiner Lässigkeit, mit der er bereits ab 2.000 Touren seine Kraft ausspielt, ohne dabei hektisch zu wirken oder mit einem krawalligen Motorklang auf sich aufmerksam machen zu müssen. Ab 3.000 Touren schlägt der Turbo dann ernsthaft zu, und der 944 schiebt voran, wie man es von einem Vierzylinder wohl nie erwartet hätte. In diesem Moment hat sogar unser 3,2-Liter-Carrera keinen leichten Stand, in Sachen Drehmoment ist er eindeutig unterlegen: 274 Nm bei 4.800 zu 343 Nm bei 4.000.
Das Fahrwerk verkraftet locker diese enorme Leistungsausschüttung, es begeistert ferner durch sein nahezu neutrales Kurvenverhalten mit gut kontrollierbarem leichtem Übersteuern. Die speziell für die Turbos der 944-Baureihe entwickelte Bremsanlage muss damals eine kleine Sensation gewesen sein, denn sie überzeugt tatsächlich heute noch. Im direkten Vergleich zum G-Modell ist so ein potenter 944 wahrhaftig viel müheloser schnell zu fahren. Aber er bindet dich spürbar weniger ins Geschehen ein. Und unser 356 Cabriolet? Das spielt ohnehin in einer ganz anderen Liga.