Pontiac Aztek - das hässlichste Auto im Fahrbericht
Heisenbergs Youngtimer aus "Breaking Bad"
Der Pontiac Aztek galt als revolutionäres Freizeit-Automobil. Doch der Vorläufer für Crossover floppte - weil er so hässlich war. Dank Walter White avanciert der Design-Unfall zum Gebrauchtwagen-Star. Wir wagen die Probefahrt mit dem SUV-Youngtimer.
29.04.2016 Roman Domes, Franz-Peter HudekAls Pontiac den Aztek im Jahr 2005 einstellte, hofften die Amerikaner, die Sache mit dem Crossover-SUV würde so schnell wie möglich in Vergessenheit geraten; 2010 wurde dann auch noch die Marke Pontiac eingemottet. Und die Welt sollte vor Autos wie dem Aztek verschont bleiben. Falsch gedacht: Denn der Pontiac Aztek erlebt als Auto von Walter White alias Heisenberg aus der beliebten Fernsehserie "Breaking Bad" ein Comeback ungeahnten Ausmaßes.
Der Pontiac Aztek Prototyp überzeugte
Bei der Vorstellung des Aztek-Prototyps auf der Detroit Motor Show waren die Marketing-Leute von General Motors (GM) richtig stolz auf den gelben Flitzer, der in seiner Grundform an den BMW X6 erinnerte. Pontiac, die dynamischste Marke aus dem GM-Markenverbund, präsentierte 1999 einen Crossover zwischen SUV und Van mit der Vielseitigkeit eines Schweizer Armeetaschenmessers: sparsam, wendig, geräumig und mit vielen Ausstattungsoptionen für Sport und Freizeit, die auch für das 2001 eingeführte Serienmodell übernommen wurden.
Die Kundschaft sollte "jung, hip, mit einem sehr attraktiven Lifestyle sein", so der Pressetext. Doch irgendwie klappte das nicht. Anstatt der jährlich geplanten 75.000 Einheiten fanden zunächst nur rund 27.000 Aztek einen Käufer. Im letzten Produktionsjahr 2005 sank die Zahl schließlich auf 5.020 Stück. Hatte der epochale Crossover etwa ein Design-Problem?
Pontiac Aztek, hässlichstes Auto aller Zeiten
Heute wissen wir mehr: Der Aztek hat nicht nur die eine oder andere Design-Schwachstelle, sondern gilt schlichtweg als das hässlichste jemals gebaute Automobil. Die Leser des "Daily Telegraph" wählten 2008 den buckligen Pontiac zur Nummer eins der "100 hässlichsten Autos aller Zeiten". Das "Time Magazine" fahndete bereits 2007 nach dem "schlechtesten Auto aller Zeiten". Zu den zehn Kandidaten der Epoche 1990 bis heute gehörte auch der Aztek.
Sogar "Spiegel Online" musste 2009 noch einmal nachtreten und den bereits gepeinigten Aztek zusammen mit Fiat Multipla, Mercedes Vaneo, Ford Orion und anderen zu einem der "zehn hässlichsten Autos aller Zeiten" deklarieren.
Aber sieht der praktische Pontiac mit dem fast unhörbar leise laufenden V6-Motor wirklich so schlimm aus? Oder ist der immerhin 188 PS starke Ampelsprinter etwa das unschuldige Opfer einer perfiden Medienkampagne? Sagen wir mal so: Im Vergleich zum eher sportlich niedrig und mit fließender Dachlinie angetretenen Aztek-Prototyp von 1999 hat sich das Serienmodell stark verändert.
Designschwächen des Pontiac Aztek lassen nicht leugnen
Aus der einstigen Gazelle wurde ein schwerfälliges Nashorn, in dessen kantig verbreiterten Radhäusern sich viel zu kleine Räder versteckten. Auch das schräge Wagenheck, das weder zu einem Kombi noch zu einem Coupé so richtig passt, wirkt alles andere als dynamisch. Und die hohe, asiatisch anmutende Frontpartie scheint von zwei verschiedenen Fahrzeugen zu stammen, weil die Motorhaube ebenfalls zwei schmale Kühlluftschlitze und kleine seitliche Leuchteinheiten besitzt. Karl Brauer, US-amerikanischer Automobil-Journalist, meinte damals treffend zum Aztek: "Er sieht aus wie ein Kombi, in dem eine Bombe hochgegangen ist."
Unser Fotofahrzeug von 2002 besitzt das Facelift aus dem gleichen Jahr. Erkennbar an den in Wagenfarbe lackierten Rundum-Plastikverkleidungen, die sich beim Urmodell als graue oder schwarze Rammschutzelemente deutlich von der Karosserie abhoben. An Eleganz hat der noch immer optisch schwerfällig auftretende Aztek kaum dazugewonnen – auch nicht im festlichen Champagner-Gold.
Pontiac Aztek, perfektes Partymobil
Trotzdem ist Manuel Schmidt-Bratzel ziemlich stolz auf sein ungewöhnliches Automobil. Während der Aztek-Besitzer bequem wie bei einem Pickup auf der unteren Ladeklappe des Kofferraums sitzt, nennt er dafür mehrere Gründe. "In dem Auto stecken viele interessante Ausstattungsideen", beginnt Manuel.
So könne man bei einer Tailgate-Party (Ladeklappen-Party mit mehreren SUV oder Pickups) die Pioneer-Musikanlage auch vom Heck aus regeln. Außerdem gibt es viel Zubehör wie eine herausnehmbare Kühlbox als vordere Mittelkonsole, eine riesige ausfahrbare Kofferraumschublade, eine maßgeschneiderte Luftmatratze und ein Anbauzelt, das den Pontiac zum Zweimann-Campingmobil umfunktioniert.
Junge Käufer wollen den Pontiac Aztek
Zudem liege der Pontiac Aztek derzeit voll im Trend. "Nachdem ich meinen im Internet ersteigert und zugelassen hatte", berichtet der in Hagen wohnende Automobilkaufmann, "musste ich für Kunden noch zwei weitere Aztek besorgen." Ein nach England verschlagener Linkslenker wurde von seinem Besitzer sogar bis nach Dover gebracht, berichtet der Spezialist für außergewöhnliche Youngtimer und Klassiker (www.unique-vehicles.de). So ist es eben: "Die einen hassen den Aztek, die anderen lieben ihn."
Und wenn man sich die US-Gebrauchtwagen-Statistik anschaut, stellt man fest, dass nicht die Generation X (Jahrgänge ca. 1965 - 1976) den Pontiac Aztek kauft, für die er eigentlich konzipiert war. Sondern die heute etwa 20 bis 30 Jahre alten "Millenials". 26 Prozent der Käufer, die sich für einen gebrauchten Aztek entscheiden, gehören der Generation Y an. Das ist weit über dem Durchschnittswert von 17 Prozent, ermittelte das US-Portal "Edmunds.com". Allgemein scheinen sich gerade junge Familien nicht für Limousinen oder Kombis zu interessieren, sondern für Vans und SUVs. Das deckt sich mit den Erfahrungen hierzulande.
Gebrauchtwagen-Star in den USA
Der Pontiac Aztek gehört seit fünf Jahren zu den Top-10 der Gebrauchtwagen mit der höchsten Millenials-Käuferquote. Neben dem Aztek findet man dort Ungetümer wie den Chevrolet TrailBlazer, oder auch den Chrysler Pacifica. Die haben mit dem Aztek eins gemeinsam: den sehr günstigen Preis. Der Aztek kostet im Schnitt nicht einmal 5.000 US-Dollar. Wenig Geld für viel Auto, das zu allem Überfluss auch noch als recht zuverlässig gilt, schenkt man Portalen wie "Edmunds.com" oder "cars.com" Glauben.
Der heimliche TV-Star
Die TV-Serie "Breaking Bad" machte den Pontiac-SUV auch in Europa bekannt. In fast jeder Episode der ersten von insgesamt fünf Staffeln fuhr der todkranke Chemielehrer und Crystal Meth produzierende Serienheld Walter White einen Pontiac Aztek. Das Auto passte gut zu seinem ziemlich angeschlagenen Besitzer. Dauernd ist am Pontiac auch irgendetwas zu Bruch gegangen, meistens war es die Windschutzscheibe. Auf jeden Fall hat die Serie stark dazu beigetragen, dass man sich an den schrägen SUV wieder erinnerte und ihn plötzlich sogar auch besitzen wollte.
Der Pontiac Aztek fährt wie eine Eins
Nicht zuletzt fahre sich der Aztek einfach auch "ganz wunderbar", wie Manuel meint. Und wir dürfen das jetzt nach den Fotofahrten ausprobieren. Es folgt der Fahrerwechsel bei laufendem Motor. Wirklich? Weder von innen noch von außen ist von dem hummelartig summenden V6 viel zu hören. Nur das typisch-amerikanische "Bing-bing-bing-bing" als Warnsignal für die offenen Türen macht auf Panik.
Die hohe Sitzposition und der reichliche Platz in dem fast 1,9 Meter breiten Crossover-SUV gefallen auf Anhieb. Auch an den runden Instrumenten und am T-förmigen Automatikwählhebel in der Mittelkonsole ganz im Stil des damals noch produzierten Sportmodells Firebird gibt es nichts zu mäkeln. Natürlich dominiert im Innenraum neben dem weichen Veloursstoff der Sitze vor allem rundlich geformtes Plastik – von den schuhlöffelartigen Türöffnern bis zu den hellgrauen, ordentlich in Reih und Glied angeordneten Bedienknöpfen der Musikanlage.
Zäher V6 im Pontiac Aztek
Und genauso weich und rund fährt sich auch der Aztek – sogar mit einer relativ zielsicheren Lenkung und einem knackig gedämpften Fahrwerk. Sein 3,4-Liter-V6 zeigt beim Ampelstart kurz die Zähne und lässt den 1,7-Tonner energisch bis auf Innerortstempo beschleunigen. Die 188 PS wirken bei gelassener Fahrweise mehr als ausreichend, benötigen bei Überholsprints auf der Landstraße aber gelegentlich höhere Drehzahlen. Dann klingt die Maschine wie das Heizungsgebläse auf Höchststufe und wirkt dabei etwas missmutig.
In der Summe seiner Eigenschaften ist der Aztek also kein schlechtes Auto. Es gab auch ein konventionell gestyltes Schwestermodell von Buick mit gleicher Technik, das ebenfalls kein Verkaufsrenner wurde. Vielleicht lag es am Namen: Rendezvous.
Und so kommt es, dass Geschöpfe wie der Pontiac Aztek, denen man einst nichts sehnlicher wünschte, als dass sie schleunigst aus dem Gedächtnis der Bevölkerung gelöscht werden, eines Tages gefragter denn je sind. Auch wenn der Hersteller schon lange nicht mehr existiert und selbst die Erfolgsserie "Breaking Bad" ihr Finale längst gefeiert hat.