Paul Pietsch Classic 2015

Durch Elsass und Schwarzwald

Im elsässischen Molsheim baute einst Ettore Bugatti die erfolgreichsten Rennwagen seiner Zeit. 70 Jahre nach Kriegsende trafen sich vor dem Bugatti-Schlößchen St. Jean VW Käfer und Renault 4CV: Zwei Volks-Wagen auf den Spuren der deutsch-französischen Freundschaft und der 4. Paul Pietsch Classic unterwegs in Elsass und Schwarzwald.

VW Käfer, Renault 4CV Foto: Dino Eisele 21 Bilder

Der gebürtige Schwarzwälder Paul Pietsch, einstiges Grand-Prix-Ass und 1946 Mitbegründer der Motor Presse Stuttgart, hatte seit früher Jugend zum Elsass stets eine leidenschaftliche, persönliche Beziehung: Dort fertigte Ettore Bugatti die erfolgreichsten Rennwagen der 20er und frühen 30er Jahre. Molsheim, ein Städtchen unweit von Straßburg, gehörte 1909 mal wieder zum Deutschen Reich. Bugatti kam von De Dietrich in Lothringen und zog dort nach Stippvisiten bei Mathis in Straßburg und Deutz in Köln in die nicht eben prunkvollen Gebäude einer einstigen Textilfärberei.

Hier begann er bald mit dem Bau kleiner, sportlicher Vierzylinder-Automobile, die aufgrund ihrer hohen Fertigungsqualität weniger Ausfälle als die Konkurrenz erlitten. Bei internationalen Wettfahrten wurden sie in Weiß lackiert, der alten deutschen Rennwagenfarbe. Erst als das Elsass 1919 wieder an Frankreich fiel, verwandelte sich die Rennfarbe der Bugattis in Blau.

Wer kauft mit 20 einen Bugatti?

Paul Pietsch konnte als 20-Jähriger bereits über einen Teil seines Erbes verfügen, was ihn prompt zu einer Reise ins Elsass motivierte. Bei Bugatti angekommen, entdeckte er im Winkel einer Halle einen weiß lackierten T 35, den Rennwagen des deutschen Piloten Heinrich-Joachim von Morgen. Pietsch kaufte ihn vom Fleck weg; wenig später betrat der berühmte Patron die Halle.

Der aus Mailand stammende Konstrukteur wollte, so erinnerte sich Pietsch stets mit einem Lächeln, „unbedingt den 20-Jährigen sehen, der sich einen seiner Rennwagen leisten konnte“. Der Kauf brachte die Vollgaskarriere des späteren Verlegers schwunghaft ins Rollen: Am 28. August 1932 holt sich Pietsch beim Bergrennen von Oberschreiberhau im Riesengebirge unangefochten den ersten Siegerkranz.

Die seit jenen nun fernen Tagen zwischen deutschen Rennfahrern und französischen Rennwagenherstellern etablierte deutsch-französische Freundschaft spiegelt sich auch bei der vierten Paul Pietsch Classic wider. Die Klassiker, mit denen wir uns auf die Strecke begeben, stammen aus dem rund 250 Fahrzeuge umfassenden Fundus des Autostadt-Museums ZeitHaus in Wolfsburg.

Zum einen hat der Autostadt-Chef Otto Ferdinand Wachs seinem rallyefahrenden Oldie-Mechaniker Dennis Weber den schwarzen Brezelkäfer Jahrgang 1951 aus der Zeithaus-Sammlung anvertraut. Aus vier Zylindern, luftgekühlt und in Boxer-Anordnung, schöpft der Typ 11 immerhin 25 PS aus 1.131 Kubikzentimetern. Die Trommelbremsen funktionieren schon hydraulisch, aber das Gaspedal besteht noch aus dem frühen Rollenhebel der Urserie. 100 km/h soll er laufen, aber auf den idyllischen Wegen der Rallye-Route belassen wir es bei höchstens 80 km/h.

Zum anderen hat sich ein französisches Pendant zum Käfer gesellt. Der Renault 4 CV, nicht nur von konditornden Damen liebevoll „Cremeschnittchen“ gerufen, lief zwischen 1946 und 1961 von den Bändern. Anders als im Käfer werkelt hinter seinem Rücksitz ein wassergekühltes Vierzylinder-Reihenmotörchen mit 750 Kubikzentimetern Hubraum, das 21 PS an ein Dreiganggetriebe liefert. Ebenso wie der Käfer läuft der 4CV laut Werk 100 km/h Höchstgeschwindigkeit, aber auch dieser Viersitzer tut sich schwer damit, den Wert auf den hügeligen Landstraßen heute noch zu erreichen. Beim elsässischen Landstraßenlimit von 90 km/h schwimmen der 55-jährige Renault und der Käfer im Verkehr noch einigermaßen mit.

Vom guten Wein nach Bugatti-Art

An der Molsheimer Rue de Saverne 60 geht die Familie Klingenfus seit Generationen der Weinherstellung nach. Heute geführt von Robert, geht die Verbindung zu Bugatti auf seinen Großvater Charles zurück. Der war mit dem Patron befreundet und avancierte zum Hauswinzer. Sein Enkel Robert erinnert sich: „Ettore Bugatti liebte kräftige Weine, um die 14 Prozent Alkohol, mit klaren Geschmacksnoten. Er verlieh meinem Großvater das Recht, auch auf die anderen Rebsorten wie Muskat, Riesling oder Sauvignon ein Etikett mit einem blauen Bugatti 35 zu kleben. Bei jedem Rennsieg musste mein Vater Antoine mit dem Handwagen Wein und Himbeergeist zum Feiern in die Hostellerie karren.“

Von Molsheim aus geht es nach Dabo, die Stadt der Glaskünste, über den Col de Valsberg. Dann folgt der Rocher du Dabo, mit der Kapelle zu Ehren des deutschstämmigen Papstes Leo IX. (1002−1054). Der war sozusagen der erste deutsche Reisepapst, wandelte das Kardinalskollegium zu einem politischen Instrument und besuchte häufig auch Landstriche jenseits der Alpen. In Schaeferhof fällt eine Avia-Tankstelle mit angeschlossener Werkstatt auf. Der Inhaber besitzt nicht weniger als sieben Facel Vega, vom Facel 2 über den Facel 6 und den HK 500 bis hin zur Facellia.

Die Pässe im weiteren Verlauf der Elsass-Runde wie etwa der Col du Donon und der Odilienberg sind zwar bisweilen lang, aber nicht besonders steil und somit auch von Vorkriegs-Automobilen zu bewältigen. Der Käfer und sein französischer Freund namens 4CV haben sich jedenfalls auf alle Gipfel geschwungen.

Ziel im Schwarzwald

Durch den Schwarzwald führt der zweite Rallye-Tag. Auch er beginnt in Offenburg vor dem Kulturforum, berührt Orte wie Sankt Peter, Sankt Märgen, Furtwangen und Schönwald nahe dem Triberger Wasserfall. Gegen 15 Uhr werden am Sonnabend die ersten Rallye-Fahrer im Ziel auf dem Offenburger Marktplatz erwartet. Das Elsass, seine Genusskultur und seine PS-Zauberer liegen hinter uns. Bis zum nächsten Mal.