Original-Test Renault Clio RT 1.4
Ernsthafte Konkurrenz für VW Polo und Co.?
Clio heißt das Auto, das Renault als Nachfolger des Kleinwagens R 5 vorsieht. Auf großer Fahrt mit lauten Poltergeräuschen miesem Geradeauslauf. Der Original-Fahrbericht erschien am 15. Juni 1990 in Ausgabe 13.
14.12.2023 Marcel SommerDie Ziffern sollen peu á peu von richtigen Namen ersetzt werden – da ist erklärte Absicht bei der französischen Régie Renault. Zum ersten Mal wurde dies in die Tat umgesetzt beim Renault Clio, dem Nachfolger des Renault 5. "Untersuchungen in fünf europäischen Ländern haben ergeben, dass es wesentlich zweckmäßiger ist, Namen statt Zahlen einzusetzen. Wir erreichen damit eine wesentlich höhere Identifikation und Kundenanbindung", meint dazu eine Renault-Pressemitteilung.
Nun ist der Name Clio selbst in bodenständigen Fremdwörterbüchern selten aufzufinden – es handelt sich hier um einen Begriff aus der Mythologie, um die Muse der Poesie. Ob Renault allerdings alle internationalen Märkte zur Namensgebung durchforscht hat, mag bezweifelt werden. Denn in Japan ist Clio eine weitverbreitete Kleinwagenmarke von Honda. Renault versteht den Clio nicht als Attacke gegen Autos wie den VW Golf oder den Opel Kadett, sondern vielmehr als neue Herausforderung im "Bereich der kleinen Wagen wie Peugeot 205, Fiat Uno, Ford Fiesta oder Volkswagen Polo" (Renault-Pressetext). Mit dem Clio will die Régie so ein Segment versorgen, das 1989 mit immerhin 3,7 Millionen Zulassungen einen Marktanteil von 27 Prozent in Europa erreichen konnte. Insgesamt wird der Clio in 45 Motor- und Ausstattungsvarianten gebaut, von denen lediglich vier in alle Partnerländer von Renault gelangen. Die sogenannte Grande Exportation umfasst zwei Motorversionen mit 1,2 und 1,4 Liter Hubraum, dazu noch zwei Ausstattungspakete.
Der Clio soll in einer Tagesproduktion von 2.850 Autos in vier Renault-Werken gefertigt werden.
So ganz kommt Renault aber nicht von der alten Namensgebung weg. Dies verdeutlichen zumindest die Kürzel der drei Ausstattungsvarianten, die in RL, RN und RT, mit steigendem Komfortanspruch gegliedert wurden. Die höchste Stufe der Clio-Bestückung bietet das Modell RT, das mit allem lieferbar ist, was die französische Marke so für diese Klasse im Sinn hat. Dazu gehören elektrische Fensterheber genauso wie Zentralverriegelung oder, als Option, ein Antiblockiersystem und Servolenkung. Im Innenraum ist der Clio ein typischer Renault geblieben. Die Sitze sind komfortabel gepolstert, wenngleich die Sitzfläche ein wenig länger hätte ausfallen können. Die Instrumente und Schalter sind bekannte Größen, mit übersichtlichen Rundinstrumenten und griffgünstig angelegten Schaltern. Hier ist noch zu erwähnen, dass der Clio RT auch noch über eine geteilt umlegbare Heckbank verfügt, die das Ladevolumen beträchtlich erhöht. Überdies ist der Kofferraum glattflächig und ohne Ecken und Kanten gehalten.
In den Außenmaßen übertrifft der Clio den R 5 deutlich. Der Radstand beispielsweise stieg von 2.407 auf 2.472 Millimeter, die Länge von 3.591 auf 3.709 Millimeter. Auch in der Breite und Höhe verkündet der Clio die Botschaft künftig eine Stufe über dem Renault 5 stehen zu wollen – hier ist ein Wachstum von mehr als 50 und rund acht Millimetern festzustellen. Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Clio sowohl mit Zwei- wie auch Viertürer-Karosserie dieselben Außenmaße besitzt. Die Karosserie des neuen Renault ruht auf einem Fahrgestell, das in seinen Grundzügen vom Vorgänger übernommen wurde. Hier ist eine McPherson-Konstruktion an der Vorderachse zu erwähnen sowie die Verbundlenker-Achse hinten mit den zumindest beim R 5 Renault-typischen, extrem schräggestellten Stoßdämpfern. Die Bremsen des Clio: Vorn werden Scheiben eingesetzt, während hinten Trommelbremsen verwendet werden. Vier Scheibenbremsen und ein Antiblockiersystem von Bosch gibt es lediglich bei der nicht in Deutschland verkauften Clio-Version mit 1,7 Liter-Motor. Auf dem Deutschen Markt sind lediglich die 1,2 und 1,4 Liter großen Benzinmotoren mit Katalysator im Angebot, dazu ein Diesel mit 1,9 Liter Hubraum.
Die Schnauze ist nur zu erahnen
Rostschutz und Aerodynamik waren ebenfalls tragende Themen bei der Konstruktion des Clio. Fast 50 Prozent der Clio-Bleche sind verzinkt oder anderweitig galvanisch vorbehandelt. Und in Sachen Windkanal weist Renault dem Neuen einen Luftwiderstandsbeiwert von cw = 0,32 als Bestmarke zu, das wäre bei einem Auto dieser Abmessungen ein respektables Ergebnis. Die Nachteile einer im Windkanal geformten Karosse verdeutlicht aber auch dieses Modell. Die Schnauze des Wagens ist aus Fahrersicht nur zu erahnen, die sehr schräg gestellte Frontscheibe heizt den Innenraum bei Sonneneinstrahlung stark auf.
Der quer eingebaute 1.4-Liter-Motor mit 79 PS des Renault Clio RT macht das Auto zu einem lebendigen Teilnehmer am Straßenverkehr. Hier handelt es sich unbestritten um einen Drehmomentmotor, der seine stärksten Seiten bei mittleren Drehzahlen hat. Gleichwohl ist auch dieser Motor kein Wunder an Laufkultur – Dröhngeräusche stören den Gesamteindruck. Zum Trost besitzt dieser Renault aber ein Fünfganggetriebe, das geradezu japanische Schaltqualitäten besitzt. Das Fahrwerk des Clio ist ein Musterbeispiel auf der Suche nach einem Kompromiss zwischen Komfort und Sportlichkeit. So kam eine Abstimmung heraus, die durchaus noch typisch französische Qualitäten auf der Komfortseite besitzt, sportlichen Einsatz aber ebenfalls zulässt. Dass das Fahrwerk zuweilen laute Poltergeräusche an den Innenraum weitergibt, und der Geradeauslauf verbesserungswürdig ist, sollte noch ins Lastenheft der Clio-Konstrukteure geschrieben werden. In der Basismotorisierung knapp 16.000 Mark teuer, kommt der Clio im November 1990 nach Deutschland. Er wird mit Sicherheit eine ernsthafte Konkurrenz für VW Polo und Co.