Original-Test Mercedes 190 SL
Ein braves und robustes Automobil
Wir haben uns fünf Jahre nach Marktstart den 190 SL im Jahr 1960 nochmals angeschaut. Den Original-Test verfasste Reinhard Seiffert.
21.12.2023 Marcel SommerFast fünf Jahre sind vergangen, seitdem 1955 der Mercedes-Benz 190 SL in unserer Schwesterzeitschrift MOTOR-REVUE getestet wurde. Obwohl er sich seitdem kaum verändert hat, schien es uns nach der Zeitspanne von einem halben Jahrzehnt interessant zu sein, uns noch einmal mit ihm zu beschäftigen – zumal von vielen unserer Leser immer wieder der Wunsch nach einem 190 SL-Test geäußert wurde.
Wer den MOTOR-REVUE-Test von 1955 gelesen hat, wird wissen, dass der 190 SL darin nicht mit ungeteiltem Beifall bedacht wurde. Heute ist es eher noch schwieriger geworden, diesen Wagen gerecht zu beurteilen, denn er hat noch nahezu alle Schwächen von damals, erfreut sich aber andererseits einer so großen Beliebtheit, dass er wahrscheinlich noch für längere Zeit weitergebaut werden wird, da die Nachfrage eher zu- als abnimmt.
Obwohl nicht gerade billig, hat der 190 SL eine Popularität erreicht, die ihn mit anderen viel gekauften Sportwagen wie MG, Triumph, Jaguar, Alfa Romeo Giulietta oder den Porsche-Typen in eine Reihe stellt. Über 18.000 190 SL gingen seit 1955 in alle Welt.
Allerdings scheint es ein ganz bestimmtes Publikum zu sein, das den 190 SL bevorzugt. Seine Beliebtheit als Film-Requisit, als Hintergrund in Modejournalen, seine Häufigkeit in der Hand von Stars verschiedenster Schattierungen deuten die Richtung an – keineswegs immer zur ungeteilten Freude seiner Erzeuger. Aber es besteht wohl kein Zweifel, dass der 190 SL auf Boulevards mehr Zuhause ist als auf Rennpisten. Das gehört zu seiner Eigenart.
Äußere Vorzüge
Der 190 SL kommt nämlich dem uns allen angeborenen Renommierbedürfnis in besonders ausgeprägter Weise entgegen, weil er ein ungewöhnlich elegantes Auto ist, und zwar heute noch ebenso wie zur Zeit seiner Entstehung. Es sind in den vergangenen fünf Jahren auf der ganzen Welt viele hübsche Sportwagen gebaut worden, aber der 190 SL kann sich neben jedem von ihnen sehen lassen. Seine breiten, satt gerundeten und wohlausgewogenen Formen verraten, dass ihre Schöpfer sehr viel Gefühl für die äußere Wirkung eines sportlichen Automobils gehabt haben. Besonders in offenem Zustand lenkt der 190 SL heute wie eh und je die Blicke auf sich – neidvolle und bewundernde, kokette und eingeladen-werden-wollende, je nach Temperament und Geschlecht.
Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass diese äußeren Vorzüge einen großen Teil der Beliebtheit des 190 SL ausmachen, und zwar durchaus zu Recht. Man soll sich darüber gar nicht erhaben fühlen – wer möchte nicht gern in einem hübschen, offenen Wagen spazieren fahren und aus dieser Warte, geschmückt durch eine sportliche Mütze oder ein buntes Kopftuch, die Umwelt an sich vorübergleiten lassen? Die unbestreitbaren Vorzüge solchen Daseins vermittelt der 190 SL in vollendeter Weise, wirkungsvoll unterstützt durch das Emblem an Front, Heck und Radkappen: den Mercedesstern. Auch hierüber kein Streit- der Untertürkheimer Dreizack genießt unter den Markenzeichen der Welt ein ungewöhnliches Ansehen. Nicht selten werden Autos seinetwegen unbesehen gekauft und manche andere Automobilfabrik würde viel für ein Symbol von solcher Anziehungskraft geben. Dass dieser Ruf in langen Jahren durch Qualität erarbeitet ist, wird von Neidern gern übersehen. Dass er aber zugleich eine Qualitätsverpflichtung darstellt, bedarf ebenfalls keiner Frage.
So hat der 190 SL ungewöhnlich viele äußere Eigenschaften, mit denen ein Automobil für sich und seinen Besitzer einnehmen kann. Dazu kommen aber noch weitere Positiva, die sich im Gebrauch herausstellen. Der 190 SL ist dafür bekannt, dass er nicht kaputtzukriegen ist, so dass sich seine Besitzer fast niemals über ihn ärgern müssen. Er gehört nicht zu jenen Sportwagen, die ständig einer schonenden Hand und einer guten Reparaturwerkstätte bedürfen. Man Iässt ihn ab und zu durchsehen – das ist alles. Für Besitzer normaler Personenwagen mag das nicht sensationell erscheinen. Für Sportwagenkäufer in einem Land wie den Vereinigten Staaten, wo die Herstellerfirma und zumeist auch die nächste Vertragswerkstatt weit entfernt sind, ist es aber keineswegs selbstverständlich und von größtem Wert. Darum schützen die Amerikaner den 190 SL.
Wir fuhren den 190 SL Roadster, den wir der Coupéausführung ohne Roadsterverdeck unbedingt vorziehen würden. Denn erstens ist der 190 SL offen viel schöner zu fahren als geschlossen, zweitens aber ist das Roadsterverdeck von einer Güte, wie es außer in Sindelfingen nur noch an wenigen Orten der Welt gefertigt wird. Es ist nicht nur völlig wind- und wasserdicht, sondern man kann es auch innerhalb einer halben Minute öffnen oder schließen, wozu man, wenn man es heraus hat, nicht einmal auszusteigen braucht. Dieser jederzeit mögliche schnelle Wechsel zwischen offenem und geschlossenem Fahren ist ein weiterer großer Vorzug des 190 SL. Die Montage des auswechselbaren Coupédaches ist eine ziemliche Mühe, und man kann auch im Winter ohne es auskommen, zumal die Heizungsanlage sehr wirksam ist. Das Roadsterverdeck muss bei Montage des Coupédaches herausgenommen und in einer Spezialkiste aufgespannt aufbewahrt werden. Die Coupéausführung – ebenfalls mit abnehmbarem Dach – hat den Vorteil, dass die Trennwand zur Aufnahme des Roadsterverdecks wegfällt und dadurch mehr Raum zur Verfügung steht, aber das wiegt unserer Meinung nach den Verzicht auf die Möglichkeit des schnellen Wechsels nicht auf. Bei Roadster und Coupé Iässt sich ein hinterer Quer-Notsitz einbauen. Die Karosserie selbst ist nicht nur hübsch, sondern auch von ausgezeichneter Qualität. Man merkt das am präzisen Schließen der Türen und Fenster oder der vorderen und hinteren Haube ebenso wie an Kleinigkeiten, etwa der solide ausgeführten verschließbaren Klappe des Handschuhkastens und an der hervorragend verarbeiteten Innenausstattung. Aufbau und äußere Erscheinung des 190 SL verdienen also auch heute noch die Note 1.
Innere Eigenheiten
Menschen, die einen ausführlich hervorragenden Eindruck machen, haben es oft schwer, den Erwartungen, die in sie gesetzt werden, gerecht zu werden. So ist es auch mit dem 190 SL, denn man hat bei diesem Wagen offenbar mehr Aufmerksamkeit auf seine äußere Erscheinung verwendet als auf seine technische Konzeption. In diesem Punkt ist er etwas völlig anderes als sein größerer Bruder, der 300 SL, mit dem er außer den Formen und den zwei Buchstaben SL nicht viel gemeinsam hat. Während nämlich der 300 SL eine hochqualifizierte Spezialkonstruktion mit ebenso hochqualifizierten Eigenschaften ist, blieb man beim 190 SL in der Seriennähe der Vierzylinderproduktion. Der Motor des 190 SL ist eine auf höhere Leistung gebrachte Version des im 180 und im 190 verwendeten 1,9 Liter-Vierzylinders mit einer obenliegenden Nockenwelle, sein Fahrwerk basiert auf der "Rahmen-Boden-Anlage" dieser Modelle mit vorderem "Fahrschemel".
Zwar bieten sich der OHC-Motor und das Fahrwerk mit hinterer Eingelenk-Pendelachse zur sportlichen Verwendung geradezu an, aber das Ergebnis ist dennoch nicht ganz befriedigend. Der Motor, der schon im 190 nicht besonders kultiviert und laufruhig ist, zeigt sich im 190 SL von einer ziemlich rauen Seite, und die Fahrwerksauslegung scheint für einen offenen Roadster ebenfalls nicht überaus gut geeignet zu sein.
Wenn wir uns mit dem Motor nicht befreunden konnten, dann nicht etwa deswegen, weil er zu wenig Leistung hatte. Mit 105 PS bei 5.700 U/min vermag er zahlenmäßig durchaus sportlichen Ansprüchen gerecht zu werden. In der Praxis aber macht es nicht sehr viel Freude, diese Leistung auszunutzen, da der Motor schon bei niedrigen Drehzahlen innen und außen einen Lärm verursacht, der unserer Meinung nach unnötig ist. Schon bei harmlosen 3.000 U/min gibt er ein so giftiges Geräusch von sich, dass jedermann meint, es sei, wer weiß, was los – und es ist noch gar nichts los, denn in diesem Drehzahlbereich sind die Beschleunigungsleistungen noch durchaus zivil und werden von normalen Mittelklassewagen mit weniger Eklat erreicht. Da man ungern Aufsehen erregen und in den Geruch eines Rasers kommen will, gewöhnt man sich automatisch an, mit der Drehzahl unter 4.500 U/min zu bleiben. Dabei kommt man zwar recht gut vorwärts, aber ein großer Teil der 105 Pferde bleibt für die seltenen Fälle im Stall, wo man einmal auf freier Wildbahn den eigenen Wunsch nach Ruhe überwindet und die Nadel des Drehzahlmessers auf die 5.500 U/min-Marke oder darüber klettern Iässt. Der Motor erweist sich dabei als außerordentlich drehfreudig, er Iässt sich noch über die erlaubten 6.000 auf etwa 6.400 U/min drehen.
Andererseits ist – wie bei einem Vierzylinder mit 55 PS Literleistung nicht anders zu erwarten – das Temperament im unteren Drehzahlbereich nicht sonderlich eindrucksvoll; man geht ungern im IV. Gang unter 60 km/h (entsprechend ca. 2.000 U/min) herunter. Man befindet sich also in der seltsamen Lage, einen Motor von hohem Dreh- und Leistungsvermögen zur Verfügung zu haben, den man aber seiner Geräuschentwicklung wegen gewöhnlich nur in einem verhältnismäßig schmalen Drehzahlbereich ausnutzt. Beachtlich ist allerdings, dass der Motor unter 2.000 U/min zwar nicht mehr sehr kraftvoll, aber immer noch elastisch ist. Man kann im III. Gang bis unter 20 km/h, im II. bis unter 10 km/h heruntergehen und braucht nur selten in den (selbstverständlich synchronisierten) I. Gang zurückschalten.
Wie man fährt
Die Geräuschentwicklung des Motors in höheren Drehzahlbereichen, die übrigens noch durch Vibrationen in Kupplungspedal, Gaspedal und Schalthebel begleitet wird, ist sicherlich einer der Gründe dafür, dass man sehr selten einem temperamentvoll gefahrenen 190 SL begegnet. Ein weiterer Grund sind die Eigenschaften des Fahrwerks. Der 190 SL hat an sich eine durchaus angenehme Federung, die weicher ist als bei den meisten Sportwagen dieser Klasse. Besonders der Vorderwagen ist aber außerordentlich empfindlich auf Bodenunebenheiten und befindet sich auf jeder nicht ganz topfebenen Fahrbahn in ständiger leichter Unruhe, die bei stärkeren Bodenwellen in ein recht Iästiges Stocken übergeht. Die Stoßempfindlichkeit des Fahrwerks dürfte wohl darauf zurückzuführen sein, dass beim offenen 190 SL die Karosserie nicht im gleichen Umfang als mittragendes Element ausgenutzt werden konnte wie bei den Limousinen. Diese grundsätzlich bei jedem offenen Wagen bestehende Schwierigkeit scheint sich bei der Rahmen-Boden-Anlage besonders auszuwirken. Beim 300 SL mit seiner völlig anderen Rahmenkonstruktion gibt es jedenfalls solche Erscheinungen nicht. Ihre Beseitigung würde vermutlich beim 190 SL eine vollständige Änderung der Konstruktion bedingen, und dadurch ist es wohl zu erklären, dass sich in dieser Hinsicht trotz fünfjähriger Bauzeit nichts geändert hat.
Auf die Straßenlage wirken sich diese Dinge nicht aus. Der 190 SL liegt zwar für heutige Maßstäbe nicht sensationell gut, aber er hat saubere und sichere Fahreigenschaften. Er verhält sich gewöhnlich untersteuernd und geht erst bei extremen Kurvengeschwindigkeiten zu leichtem Übersteuern über, wobei er sich mühelos kontrollieren Iässt. Auch auf schlechter Straße bleibt dieses Verhalten unverändert – ein Vorteil der Einzelradaufhängung des 190 SL gegenüber den Starrachsern der britischen Sportwagenkonkurrenz. Auf nasser Straße ist das Fahrverhalten ebenfalls gut, wozu sicherlich auch die ausgezeichneten und sehr laufruhigen Dunlop B 7-Reifen beitrugen.
Außer mit diesen Reifen fuhren wir den gleichen Wagen auch noch mit Michelin X-Reifen, die auf Wunsch lieferbar sind, und zwar in der Ausführung mit Längsrillenprofil. Trotz dem notwendigen hohen Luftdruck (2,3/2,4 Atü) fährt sich der 190 SL mit X-Reifen weicher und komfortabler als mit normalen Sportreifen, die Straßenlage in Kurven ist ausgezeichnet. Dafür ist aber die Richtungs-Stabilität schlechter, bei hohen Geschwindigkeiten und Seitenwind fährt sich der Wagen mit X-Reifen nicht sehr angenehm, so dass wir für den 190 SL Normalreifen vorziehen wurden, obwohl sie härter sind.
Trotz der guten Straßenlage ist schnelles Kurvenfahren mit dem 190 SL ziemlich anstrengend. Wir führen das auf drei verschiedene Ursachen zurück: zum ersten ist die Lenkung zwar nicht schwergängig, aber sie hat eine sehr hohe Rückstellkraft, und das Lenkrad muss darum ziemlich krampfhaft festgehalten werden. Zweitens übertragen sich auf schlechter Straße die Stöße von der Fahrbahn auch auf Lenksäule und Lenkrad, so dass die Hände nicht ruhig liegen. Drittens schließlich bieten die Sitze zu wenig seitlichen Halt, so dass man sich mit dem Körper beim Lenken nicht abstützen kann, sondern sich sogar noch am Lenkrad festhalten muss. So benimmt sich der 190 SL unhandlicher, als man es bei Sportwagen gewohnt ist, und man fühlt wenig Anreiz, ihn Iängere Zeit forciert zu bewegen. Wenn man offen fährt – wir hatten dazu während der Testzeit bei warmem Sommerwetter reichlich Gelegenheit -, empfindet man dies nicht so sehr; offen fahren macht eben immer Spaß – wenn auch ein kleiner Selbstbetrug dabei ist, denn man kommt sich stets schneller, vor als man ist.
Hohes Autobahn-Reisetempo im offenen Wagen ist nicht jedermanns Sache, man fährt, wenn man die frische Luft genießen will – soweit davon auf belebten Autobahnen die Rede sein kann -, von selbst nicht allzu schnell. Aber auch mit geschlossenem Verdeck blieben wir bei einem mittleren Marschtempo, denn Wind- und Motorgeräusch steigen über 130 km/h stark an. Bekanntlich spielen sich verschiedene Wagen und Fahrer – freie Strecke vorausgesetzt – jeweils auf ein bestimmtes Tempo ein, und dieses Tempo lag bei uns mit dem 190 SL um die 130 km/h und damit um etliches niedriger als bei schnellen Limousinen wie etwa dem 220 S. Aber man kann natürlich auch schneller sein mit dem 190 SL – mit einer Spitze von 170 bis 175 km/h ist er nicht langsamer als ein 220 SE. In der Beschleunigung allerdings Iässt ihn der SE davon: die 35,0 Sekunden, die wir mit dem 190 SL über den stehenden Kilometer gemessen haben, holten wir auf eine ziemlich brutale Weise heraus, die jedem SL-Besitzer wehtun würde. Ein 220 SE aber benötigt nur 34,2 Sekunden.
Das Fahrverhalten bei hohen Geschwindigkeiten ist gut, auch hier ist an der Fahrsicherheit des 190 SL nichts auszusetzen. In Anbetracht der Tatsache, dass kaum jemand mit diesem Wagen ständig zwischen 150 und 170 km/h fahren wird, reichen die Bremsen aus, bei Stoppbremsungen aus der Höchstgeschwindigkeit allerdings zieht sich die Bremsstrecke nach anfänglich guter Wirkung spürbar in die Länge, wiederholte Bremsungen aus hohem Tempo ergeben deutlich verlängerte Bremswege – auch der guten Trommelbremse am 13 Zoll-Rad sind nun einmal Grenzen gesetzt, die selbst mit besten Belägen nicht aus der Welt geschafft werden können. Hier spürt man sie nur bei extremen Anforderungen, im normalen Fahrbetrieb machen die Bremsen einen ausgezeichneten Eindruck, arbeiten gleichmäßig, weich und wirksam und erfordern dank des eingebauten Bremsverstärkers wenig Fußdruck.
Wie man sitzt
Wir sagten schon, dass die Sitze für forciertes Fahren zu wenig seitliche Führung bieten. Im Übrigen aber sind sie bequem, die Vorzüge des echten Leders gegenüber dem Kunststoff als Bezugsmaterial konnten wir wieder einmal überzeugend studieren – auch bei heißestem Wetter gab es kein unangenehmes Transpirieren. Für die Lederausstattung müssen allerdings beim Roadster DM 780.- Aufpreis bezahlt werden. Die Sitzposition ist so, dass auch große Leute genug Bewegungsfreiheit haben, die Sitzlehnen lassen sich etwas verstellen. Das große Lenkrad liegt ziemlich hoch und stört manchen in der Sicht nach vorn, bei geschlossenem Verdeck sind die Sichtverhältnisse beengt, die Windschutzscheibe ist recht niedrig, und die Sichtbehinderung nach rechts bei etwas spitzwinkligen Straßeneinmündungen ist ein gemeinsamer Nachteil der meisten zweisitzigen Roadster und Cabriolets.
Vor sich hat der Fahrer eine höchst eindrucksvolle Instrumentenansammlung: Tachometer und Drehzahlmesser, beide gut im Blickfeld, und – weniger gut sichtbar – Benzinuhr, Kühlwasser-Thermometer und Ölmanometer. Der 190 SL hat noch die etwas antiquierte, nicht selbstrückstellende Blinkerbetätigung durch den Signalring. Die Uhr im Handschuhkastendeckel ging ständig falsch, sodass wir darauf verzichteten, sie aufzuziehen. Eine elektrische Uhr würden wir vorziehen. Erfreulich dagegen sind der zweistufige Scheibenwischer, die mit den Wischern kombinierte fußbetätigte Scheibenwaschanlage, die Leselampe (gleizeigt Innenbeleuchtung), die umschaltbaren Parkleuchten, die gepolsterten Sonnenblenden (rechts mit Spiegel) und die an Variationsmöglichkeiten reiche Heizungs- und Belüftungsanlage. Erwähnenswert ist, dass es kaum zieht, wenn man bei geschlossenem Verdeck ein Fenster ganz herunterkurbelt. Beim Kurbeln der Fenster kommt man etwas mit den als Ablagekasten ausgebildeten Armlehnen in Konflikt; die Armlehnen sind nicht sehr komfortabel, was man aber hinnimmt, weil die Kästen sehr praktisch sind. Unter den Knöpfen am Armaturenbrett befinden sich ein Kalt und ein Warm-Startzug. Wir brauchten beide nicht, weil der Motor kalt sofort und warm mit nicht allzu langer Verzögerung – bei voll durchgetretenem Gaspedal – ansprang. Der Mitteltunnel ist beachtlich flach, in der Breite hat man viel Platz und kann notfalls auch einmal zu dreien fahren. Der Einstieg ist für einen Sportwagen recht bequem, Gepäck-Unterbringungsmöglichkeiten hat man reichlich hinter den Sitzen und im nicht einmal kleinen Kofferraum.
Der Mittelschalthebel liegt günstig zur Hand. Er fasst sich eigentümlich weich an, zudem überträgt er außer den schon erwähnten Motorvibrationen auch die Eigenbewegungen des Motors und befindet sich dauernd in Bewegung. Dennoch kann man aufwärts sehr schnell schalten, die Synchronisierung arbeitet zuverlässig. Abwärts dagegen ist es nicht ganz einfach, den II. Gang hineinzubekommen. Man vermisst an der Schaltung die Exaktheit, die eigentlich der wichtigste Vorteil des Mittelschalthebels gegenüber der Lenkradschaltung ist.