Original-Test: Karmann GF
Der Buggy für die Bundesrepublik
auto motor und sport fuhr 1970 den Karmann GF. Der Original-Fahrbericht erschien in Heft 2/1970.
20.01.2023 Klaus Westrup, Marcel SommerDas Angebot an lustigen oder originellen Autos ist ziemlich mager und stammte, bis vor kurzem, ausschließlich aus dem Ausland: Die italienische Klein-Fabrik Siata offerierte den nach Oldtimer-Manier entwickelten Spring, die Gamine auf Fiat 500-Basis entstand, aus England kam der (mittlerweile nur noch in Australien gebaute) Mini Moke von Austin, schließlich rundeten Mehari von Citroën und Plein Air von Renault eine Kollektion von Automobilen ab, der sich — neben ihrer Zweitwagen-Funktion — vor allem eines nachsagen lässt: Fröhlichkeit.
Ein Auto aber, dass schon von der Fasson her gute Laune verspricht und seinem Betrachter anhaltendes Schmunzeln abverlangt, ist in ernsthaft denkenden und nüchtern kalkulierenden Automobilfabriken kaum der Überlegung wert. Selbst der Umstand, dass sich hier eine wenn auch kleine Marktlücke auftut, vermag die Männer in Vorstand und Entwicklung nicht zu beeindrucken.
Chance genutzt
Der Umstand, dass auf diesem Gebiet bisher nichts geschah, machte zunächst die Hamburger Exportfirma Kühn auf ein zu erwartendes Geschäft aufmerksam. Wohl wissend, dass der strenge Technische Überwachungsverein mit einem amerikanischen Original-Buggy vom Schlage eines Meyers Manx niemals einverstanden sein würde, stellten die Hamburger Buggy-Pioniere in Zusammenarbeit mit der renommierten Schiffswerft Blohm& Voß einen TÜV-freundlichen deutschen Buggy auf die Räder, der freilich so hässlich war, dass sich Karosserie-Retuschen kaum vermeiden ließen. Das Problem wurde damit offensichtlich: Der Buggy für die Bundesrepublik musste zunächst formal glücken, und zum zweiten den Segen des TÜV bekommen — ein Problem, dem sich vor rund einem Jahr die VW-Zeitschrift "Gute Fahrt" mit allem zur Verfügung stehenden Eifer annahm.
Das Produkt der Bemühungen war neben dem "Imp" des Autohauses Südhannover auf der IAA in Frankfurt zu sehen — und dies sogar in seriöser Umhüllung des Karmann-Standes: Ein proper aussehendes und stilistisch sauberes Auto, selbstverständlich ohne Türen und mit Reifen auf den hinteren Felgen, auf denen üblicherweise ein Mercedes 600 rollt. Namen dieses deutschen Buggys: Karmann GF.
Schwieriges Unterfangen: TÜV-Überprüfung
Bis es soweit war, hatten die Gute Fahrt-Leute intensive Arbeit geleistet. Abgesehen davon, dass es nicht einfach war, die verschiedensten Firmen für die Produktion diverser Buggy-Teile zu gewinnen, gestaltete sich auch der Entwurf der Plastik-Wanne unter dem Eindruck der zu erwartenden TÜV-Überprüfung zu einem schwierigen Unterfangen. Weit weniger große Mühe machte die Verkürzung der Käfer-Bodenplatte: Hier griff das Gute Fahrt-Team auf Erfahrungen des Volkswagenwerkes zurück und verkürzte das Chassis genau an der Stelle, die nachher — beim Verschweißen der beiden Restplatten — die größtmögliche Fertigkeit verspricht. In der Tat bemängelte der TÜV Rheinland in Köln, bei dem auch Mustergutachten für diverse exotische Serienautos angefertigt werden, nur Kleinigkeiten, so dass der GF Buggy nach geringfügigen Retuschen die Typprüfung bestand. Auf ihre persönlichen Eindrücke angesprochen, äußerten die probefahrenden Beamten, am meisten habe sie die geringe Seitenwindempfindlichkeit beeindruckt – wirklich erstaunlich für einen Volkswagen.
Was bis zu diesem Zeitpunkt nur ernsthaftes Spiel war, artete wenig später ins Kommerzielle aus: Zahlreiche Anfragen veranlassten die Gute Fahrt-Redakteure, ihr "aufregendstes Auto der Gegenwart" der Firma Karmann in Osnabrück anzuvertrauen. Hier, wo die Ghia und die viersitzigen VW-Cabrios entstehen, zeigte man Interesse und beschloss, den Bausatz für knapp 3.000 DM anzubieten. Man einigte sich auf den Namen Karmann GF.
Betontes Heck
Wohl kaum ein anderes Serienauto der Gegenwart kann mit einem derart imposanten Hinterteil aufwarten wie ein solcher Buggy. Schuld an diesem Eindruck haben weniger die ausladenden Kotflügelpartien als vielmehr die sich darunter verbergenden Sechseinhalb-Zoll-Felgen, auf denen Reifen des Formats 225 — 15 montiert sind. Je weiter man den Buggy freilich nach vorne verfolgt, umso stärker wird das Missverhältnis zwischen Front- und Heckpartie deutlich: In der Bug-Gegend wirkt die Plastik-Bombe zwar immer noch extrem ungewöhnlich und originell, doch gleichzeitig relativ zierlich. So wie er ist, mit regulären VW-Felgen und den dazugehörigen Pneus vorne, vermag der Buggy auch abgebrühte Betrachter in Erstaunen zu versetzen, und zwar einfach deshalb, weil Bug und Heck in sehr reizvoller Weise nicht zusammenpassen. Diese Diskrepanz überträgt sich interessanterweise sofort auf den Buggy-Piloten, der im Umgang mit dem skurrilen Gefährt stets unter dem Zwang steht, den ohnehin schon zur Genüge verblüfften anderen Verkehrsteilnehmern unverzüglich das breite Hinterteil zu zeigen — weil es schlicht eindrucksvoll ist. So ist es auch erklärlich, dass man den Buggy im Gegensatz zu anderen, nicht minder komischen Spaßautos immerzu sehr schnell bewegt und stets Überholchancen wahrnimmt.
Von der optischen Erscheinung einmal ganz abgesehen, bietet das leichte und gut liegende Auto dazu überhaupt ordentliche Ansätze. Der Testwagen, den auto motor und sport fuhr, war mit einem 1,6 Liter-Käfermotor ausgestattet, der zwar nur 47 PS Leistung hat, aber bereits in den unteren Drehzahlbereichen mit gutem Drehmoment aufwartet und dem 600 Kilo-Mobil zu zügiger Beschleunigung verhilft. Vom Stand auf 100 km/h benötigte der 1.600 ccm-Floh nur 17,6 Sekunden, die den Buggy zu einem der schnellsten Volkswagen machen. Der Höchstgeschwindigkeit setzt die zügige Karosserieform dagegen deutlichere Grenzen. Immerhin brachte es der Testwagen auf 130,5 km/h und damit auf eine Geschwindigkeit, die auch standfesten Buggy-Fahrern ausreichen dürfte.
Windig, windiger, Buggy
Ohnehin ist der Buggy kein Auto, das zu längerer Autobahnbenutzung animiert. Schon bei Geschwindigkeiten jenseits von 80 km/h werden die Winde, die die seitwärts völlig offene Plastik-Schale erreichen, ziemlich vehement, und bei mehr als 120 km/h gar herrscht in der Kabine kräftigstes Gebrause. Von den eindringenden Lüften ist dabei zweifellos das linke Knie des Fahrers am meisten betroffen, denn schon nach kurzer Fahrzeit stellt sich an diesem Körperteil intensive Abkühlung ein. Angenehm warm bleiben dagegen selbst bei kühler Witterung Rücken und Oberschenkel des Piloten: Hier machen sich die den Körper dicht umschließenden Schalensitze positiv bemerkbar, die auch scharfen Windböen zuverlässig den Zutritt zu exponierten Stellen verwehren.
Überhaupt stellen gute Schalensitze im Buggy eine echte Notwendigkeit dar, und zwar weil sie verhindern, dass sich die Buggy-Besatzung bei rascher Kurvenfahrt sukzessive ins Freie entleert. Kurven umrundet das possierliche Auto nämlich mit Querbeschleunigungen, die einwandfrei über dem liegen, was man mit regulären Limousinen erreicht. Das Fahrverhalten kann in Anbetracht der hohen möglichen Geschwindigkeiten als gutmütig bezeichnet werden: Während der Buggy aufgrund geringer Vorderachsbelastung und schmaler Vorderreifen in Kurven zunächst untersteuert und zusätzliche Lenkeinschläge verlangt, ändert sich diese Phase, sobald man — in engen Biegungen — mit dem Gaspedal nachhilft.
Hart und hoppelig
Der Testwagen war mit einem Sperrdifferential ausgestattet, das gerade dann zu einer etwas eckigen Fahrweise führte, das Auto aber im übrigen harmlos erscheinen ließ. Lediglich plötzliches Beschleunigen auf schlüpfrigem Untergrund ließ das dicke Heck spontan ausschwenken, aber auch dann macht die ungemein direkt wirkende Lenkung das Korrigieren zum mühelosen Unterfangen. Auch am Geradeauslauf gibt es nichts auszusetzen: Selbst bei höheren Geschwindigkeiten ließ sich das witzige Plastikauto mit minimalen Lenkradkorrekturen auf der Bahn halten und überraschte durch verblüffende Seitenwind-Unempfindlichkeit.
Ein Wunder ist das nicht: Eventuell aufkommender Wind pfeift ungestört durch den Buggy hindurch und kann nur insofern Unheil stiften, als er für die nächste Erkältung des Fahrers Sorge trägt. So sehr die Fahreigenschaften zu gefallen vermochten, so sehr haperte es mit der Karosserie-Stabilität. Auch wenn man berücksichtigt, dass der auto motor und sport-Testwagen ein Prototyp und sogar der erste Karmann GF überhaupt war, muss man sich auch bei einem neuwertigen Exemplar darauf gefasst machen, dass sich die Karosserie beim Befahren schlechter Straßen kräftig verwindet. Der Testwagen half über diesen Eindruck hinaus mit Geräuschen deutlich nach: Immer dann, wenn Buggy und Besatzung Kopfstein-Passagen oder ähnlich Schlimmes überquerten, machte das Dünen-Auto durch ächzende und klappernde Geräusche auf seinen Unmut aufmerksam. Insofern ist der Buggy manchen englischen Roadstern nicht unähnlich. Auch an den Komfort darf man keine allzu großen Ansprüche stellen: Der Buggy ist hart und hoppelig und lässt seine Besatzung nie darüber im Unklaren, wie schlecht die Piste gerade ist.
Spaß, auch wenn er nur herumsteht
Dass dies den zukünftigen Buggy-Eigner wenig stören wird, kann allerdings kaum bezweifelt werden. Denn der Buggy macht sogar schon dann Spaß, wenn er nur herumsteht. Wo immer dies auch sein mag, stets äußern sich die passierenden Menschen wohlwollend zu dem breitbeinigen Unikum — ganz gleich, welchen Alters oder Geschlechts sie auch sind. Dass die Schau auch lästig werden kann, muss der Buggy-Besitzer verschmerzen lernen, denn auch dann, wenn er sein Selbstgefühl bereits zu höchster Blüte entwickelt hat, hält die Bewunderung von außen verständlicherweise unvermindert an.
Während aufsehenerregende Autos normalerweise stets teuer in Anschaffung und Unterhalt sind, ist beim Karmann GF genau das Gegenteil der Fall. Ausgerüstet mit der Mechanik des VW-Käfers, verlangt er nicht mehr Pflegeaufwand als dieser und ist — im Falle der Not — ebenso leicht zu reparieren. Auch der Geldbetrag, den man zur Anschaffung benötigt, ist bescheiden zu nennen , wobei man wissen muss, dass gerade dieser Betrag nicht exakt festgelegt werden kann. Immerhin kann man rechnen, dass der Buggy — im do-it-yourself-Verfahren und auf eine vorhandene Käfer-Bodenplatte mit Motor aufgebaut — rund 3.500 DM kostet, während derselbe Buggy, beim Volkswagenhändler in Auftrag gegeben (ohne Anlieferung eigener VW-Teile), auf einen Betrag von ca. 4.500 DM kommt.
Wenn man weiterhin berücksichtigt, dass ein Buggy hinten auf breiten Felgen und Reifen rollen und mit einem 1,6 Liter-Motor versehen sein sollte, lässt sich der Circa-Preis von etwa 5.300 DM veranschlagen — und das ist wohl kaum zu viel für ein offenes , dazu sehr lustiges Auto. Bestellungen nehmen bereits über 700 deutsche Volkswagenhändler entgegen, und dass das Geschäft im kleinen Rahmen floriert, erkennt man daran, dass die Firma Karmann pro Arbeitstag 10 Bausätze ausliefert. Ganz offensichtlich entwickelt sich der Buggy zum Familiensportwagen: Er ist als Viersitzer zugelassen und trägt stattliche 400 kg Nutzlast. Nur Wohnanhänger darf er nicht ziehen — darauf hat der TÜV Rheinland mit Nachdruck hingewiesen.