Original-Test BMW 2002 (1968)
Leistung durch Hubraum
Der kraftvolle Motor des viertürigen 2000 und die schlichte Karosserie des kleineren 1600-2 ergeben im sportlich-schnellen 2002 ein reizvolles Ganzes. auto motor und sport testete 1968 den BMW 2002.
02.03.2023 Manfred Jantke, Marcel SommerEr kommt etwas aus heiterem Himmel, der neue BMW 2002, denn nach den Typen 1600-2 und 1600 TI stand ein weiterer kleiner BMW mit TI-Leistung nicht zu erwarten. Eingeweihte sagen, dass BMW ihn nur als Notnagel braucht, nämlich für die USA, wo der 1600 TI mit zwei Vergasern Schwierigkeiten mit der Abgaskontrolle hat, und für den Sport als Basis für einen Renn-Tourenwagen der Gruppe 5.
Uns scheint, dass auch überzeugendere Gründe für dieses Auto sprechen, denn es ist nach der neuen, mutigen Formel gebaut:
- Hohe Fahrleistungen durch 1 Liter Hubraum pro 500 kg Wagengewicht
- Kompaktheit und Leichtigkeit durch Verzicht auf die Prestigezentimeter der Zweiliterklasse
- Beschränkung der spezifischen Leistung im Interesse von Wirtschaftlichkeit und Motorkomfort
- Günstiger Preis durch schlichte Ausstattung und Verzicht auf sportliche Finessen
So lässt sich der neue BMW skizzieren, der die Bayern freilich nicht viel mehr kostet als einen Griff in ihren Autobaukasten: Sie setzen den 2002 aus dem 1600-2 und dem Motor des 2000 zusammen.
Leistung durch Hubraum
Diese Kombination ergibt einen weiteren kleinen BMW mit der Leistung des 1600 TI, aber einem grundverschiedenen Charakter. Obwohl der Einvergasermotor des 2002 nur 8,5 : 1 verdichtet ist (1600 TI: 9,5), nur 100 PS bei 5.500 U/min leistet (1600 TI: 105 bei 6.000) und sich mit einer spezifischen Leistung von 50 PS pro Liter Hubraum begnügt (1600 TI: 66,7), verleiht er dem Wagen ziemlich genau die gleichen Fahrleistungen: Wir registrierten 173 km/h Höchstgeschwindigkeit, 10,3 s von null bis 100 km/h und einen stehenden Kilometer in 31,8 s (1600 TI: 175,5 km/h, 10,4 s und 31,8 s), also praktisch jene guten Sportwagenwerte, die dem 1600 TI so viele Freunde gebracht haben. Doch was der durch Drehzahlen holt, das schafft der 2002 mit Drehmoment: Dank größerem Hubraum leistet er 16 mkg (157 Nm) bei 3000/min gegenüber 13,4 mkg (131 Nm) bei 4.500/min im 1600 TI, und daran scheiden sich die Charaktere der beiden Typen.
Die Fahrleistungen des 1600 TI erschließen sich vor allem dem aktiven Fahrer, der mit Drehzahl und Drehzahlmesser fährt und an den richtigen Stellen vom Schalthebel Gebrauch macht. Der 2002 hingegen vermittelt sie willig auch bequemeren Piloten, die sich gern einmal das Zurückschalten sparen und lieber hineintreten ins volle Drehmoment. Während beim 1600 TI 6.500/min noch gängiger Fahrbereich sind, lohnt es beim 2002 praktisch nicht, über 5.500/min zu drehen.
Dass der 2002 trotzdem schnell ist, liegt an einer extrem langen Antriebsübersetzung von 3,64:1 (1600 TI: 3,9; 1600-2: 4,11). Sie erlaubt ein wirtschaftliches und motorschonendes Fahren, denn im direkten Gang bestreitet man 120 km/h mit 4.000 und 150 km/h mit 5.000 Motorumdrehungen pro Minute. Es überrascht daher nicht, dass der größere Motor im gleichen Auto bei praktisch gleichen Fahrleistungen weniger Benzin verbraucht: Wir ermittelten einen Testverbrauch von 12,3 Liter/100 km beim 2002 gegenüber 13,6 Liter/100 km beim 1600 TI. Es ist also durchaus kein Naturgesetz, dass größere Motoren immer durstiger sein müssen.
In scharf gefahrenen, engen Kurven beobachteten wir mehrfach Motoraussetzer, deren Ursache wohl im Vergaser zu suchen ist. Hier sollten BMW und Solex noch entsprechende Korrekturen anbringen. Zu den Geschwindigkeits-Drehzahl-Verhältnissen sei gerechterweise hinzugefügt, dass der 1600-TI-Motor nicht nur höher drehen muss, sondern dass er es auch besser kann.
Im 2002 wird dieser Mangel allerdings durch die lange Hinterachsübersetzung elegant überspielt, da sie einen nur selten in solche Drehzahlhöhen vorstoßen lässt. Das Fahrgeräusch ist daher gegenüber dem ebenfalls angenehm leisen 1600 TI in allen Fahrbereichen noch um ca. 2 Phon leiser: Bei 160 km/h entwickelt der 2002 mit 80 Phon nicht mehr Innengeräusch als der für seine Laufruhe stark gepriesene NSU Ro 80.
Sicher durch Leistung
Die Kombination "kleines Auto – großer Motor" lässt sich mit gutem Gewissen freilich nur verwirklichen, wenn man ein entsprechend fahrsicheres Auto besitzt. Mit dem 1600-2 stand BMW ein geradezu ideales Objekt zur Verfügung: ein kompaktes Auto von Volkswagen-Größe mit einem hoch entwickelten, für hohe Fahrleistungen ausgelegten Fahrwerk.
Durch den Zweilitermotor ändert sich an den Fahreigenschaften praktisch nichts, denn er ist nur ca. 5 kg schwerer als die 1,6-Liter-Maschine. Die Gewichtsverteilung bleibt also fast unverändert, nur Federkennung und Stoßdämpfung wurden beim Zweilitertyp durch geringfügige Änderungen der höheren Leistung angepasst. Und weil der 2002 kein Sporttyp sein soll, wird er serienmäßig ohne Querstabilisatoren und Gürtelreifen geliefert.
Unser Testwagen hatte allerdings beides und lag so hervorragend wie ein 1600 TI. Mit diesem bescheidenen Trimm, der einen Mehrpreis von ca. 150 DM ausmacht, ist der 2002 ein souverän zu fahrendes Auto mit nahezu perfekter Bodenhaftung und gutartigem Kurvenverhalten. Wem die Vorzüge dieser zeitgemäßen Konzeption einleuchten, muss vor dem Kauf aber noch prüfen, ob er sich mit einem so kleinen Zweiliterauto nicht einen zu engen Anzug anzieht.
Bekanntlich ist die kleine BMW-Limousine ein gerade ausreichender Viersitzer mit nur zwei Türen und mäßigem Einstieg nach hinten. Die Rücksitzpassagiere dürfen nicht einmal groß sein, um auf langen Strecken bequem zu sitzen, und auch der Zuladung (Familien-Urlaubsreisen) sind bei dieser Wagengröße engere Grenzen gesetzt als in einem Zweiliterwagen üblicher Größe. Den viertürigen, immerhin 27 Zentimeter längeren 2000 kann der 2002 also keinesfalls ersetzen.
Kompaktform
Desgleichen darf man keinen Ausstattungsluxus erwarten. Gegenüber dem 1600-2 hat der 2002 lediglich einen Bremsservo, ein Holzlenkrad und ein Zweiklanghorn voraus. Allerdings ist der Innenraum recht komplett und hübsch gemacht und harmoniert gut mit dem vernünftigen Charakter des Wagens. Uns gefallen vor allem die praktischen Ablagen und die übersichtliche Anordnung der Bedienungseinrichtungen.
Gleichwohl sollte das Werk einem 9.500-Mark-Auto wohl noch Liegesitze und einen ordentlichen Beifahrer-Haltegriff über der rechten Tür spendieren. Ferner würden wir vorschlagen, die Servowirkung an der Fußbremse etwas zu verstärken, da die Bremse im Verhältnis zu den übrigen Bedienungshebeln zu viel Bedienungskraft erfordert. Die Türklinken innen hat BMW jetzt durch einen Stoßschutz gegen unbeabsichtigtes Öffnen gesichert – eine wichtige Verbesserung.
Neu ist auch das schwarze Instrumentenbrett, das uns besser gefällt als das silberne der anderen Typen. An der Karosserie, an deren Form und Übersichtlichkeit nichts auszusetzen ist, gibt es verschiedene kleine Mängel, die wir in früheren Tests schon mehrfach erwähnt haben. Da ist das Abheben der Seitenfenster bei hohem Tempo; um Zischgeräusche zu vermeiden, ist eine genaue Einstellung der Scheiben notwendig. Im Kofferraum gibt es seit einiger Zeit kleine Stoßleisten, die Gepäckstücke daran hindern sollen, Beulen in das Seitenblech zu stoßen; dieser Stoßschutz sollte höher sein. Schließlich registrierten wir auch beim 2002 wieder kleine Rappeleien hinter dem Armaturenbrett.
Der 2002 wie übrigens auch der Opel Kadett mit 1,9-Liter-Motor repräsentieren eine neue Art von Zweiliterautos, die zeitgemäß, weil verkehrsgerecht sind. Zwangsläufig können sie nicht jedem passen, denn im Platz- und Komfortangebot liegen sie etwa in der Mitte zwischen sportlichen 2+2-Sitzer-Coupés und großen Familienlimousinen.
Aber wem sie passen und wer nicht am üblichen Zweiliter-Prestige hängt, dem geben sie mehr als unsere stattlichen Europa-Limousinen durchschnittlicher Prägung.