Original-Test Alfa Romeo Spider 2.0
Zeitmaschine in die Vergangenheit
Im 24. Produktionsjahr wurde der Alfa Spider technisch und optisch überarbeitet. Zu seiner modifizierten Karosserie passt die Farbe Rosametallic nun besser als das klassische Alfa-Rot. Der Original-Fahrbericht erschien in der Ausgabe 01/1990 am 29. Dezember 1989.
23.02.2023 Eckhard EyblAls der vergangene Sommer so heiß war, dass den fest verlöteten Autos die Blechdächer wegschmolzen und Cabriolets, Roadster, Speedster und Spider wie Sonnenblumen im Bräunungsstudio wuchsen, schlängelte sich eine frohe Botschaft aus Italien über die Alpen: Alfa Romeo wird den Spider renovieren. Kein schwarzes Hartgummi-Geschwür in Spoilerform mehr an der Heckkante, der Zweiliter-Doppelnockenwellenmotor nicht mehr geknebelt und asthmakrank, ein neuer Innenraum und altmodisch verschnörkelte, verchromte Schriftzüge – das versprachen vertrauliche Informationen, die in unserer Fantasie die schönsten nostalgischen Feuerwerke zündeten.
Von allen ewig gebauten Automobilen, also von Rolls-Royce Corniche, Morgan, Porsche 911 und Spider, ist der Alfa die verlässlichste Zeitmaschine in die Vergangenheit. Rolls-Royce und Morgan haben ihre eigene Zeitebene: für immer Teezeit mit dem Aroma feuchter Nebel. Der Elfer ist stets auf Höhe der Bankkonten der Aufsteiger. Nur der Alfa Spider blieb ein zeitlicher Rückwärtsgang in die sechziger und siebziger Jahre, unabhängig von seinem Baujahr, unabhängig auch von Alter, Familienstand und mittlerem Haushaltseinkommen des Fahrers. Seit seinem Debüt 1966 ist der Alfa Spider unter den offenen zweisitzigen Sportwagen immer ein Teenager geblieben, dem auch die regelmäßigen Verjüngungskuren für den Berufsjugendlichen nichts anhaben konnten. Die Konstellation für eine große Spider-Renaissance war selten günstiger als jetzt, da das große Fiat-Geld einen prachtvollen Aszendenten zu Alfas Stern abgibt. Die ersten Erlkönig-Bilder übertrafen alle Hoffnungen. Hinter einer gut gelungenen Prototypen-Tarnung mit einer Heckpartie à la Alfa 164 und geschwollener Spoilerunterlippe vorne durfte sich jeder Fan sein Spider-Ideal vorstellen. Nun wird bei der offiziellen Präsentation Anfang Januar in Detroit enthüllt, dass dieser getarnte Prototyp das ungetarnte Serienmodell ist, dass der Spider ’90 mit seinem eigenen Erlkönig identisch ist. Hinter dieser raffiniertesten aller Tarnungen, der Offenheit und Wahrheit, verbergen sich die technischen Neuerungen einer Bosch-Motronic für den Zweiliter-Zweinockenwellen-Klassiker und einer ZF-Servounterstützung für die Lenkung.
128 PS bei 5.400 Touren
Die beste Nachricht zum überarbeiteten Spider ist die Zahl 128 für die in Pferdestärken gemessene Leistung, also moderne 94 Kilowatt. 128 PS waren bereits in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren eine angemessene Spider-Leistung mit 1.962 ccm Hubraum und zwei Solex-Horizontal-Doppelvergasern. Der Spider-Pilot von Welt fuhr mit 128 PS damals in 17 Stunden die Strecke Wien-Wolkersdorf oder auf die Insel Elba, die Leistung war also im besten Rolls-Royce-Sinne stets ausreichend.
Spätere Experimente mit Spica- und Bosch L-Jetronic-Einspritzungen, selbst mit Weber-Doppelvergasern ergaben nie wieder jenes achselfrische 128 PS-Deodorant aus Spitzenleistung, Drehmoment, Benzinverbrauch, gut verbrannten Abgasen und dem Brunftröhren des kanadischen Wapiti-Hirschs aus dem Alfa-Auspuff. Die neuen 128 PS beziehungsweise 94 kW bei 5.400 Touren entsprechen dem Geist der sauberen neunziger Jahre, also inklusive geregeltem Dreiwegekatalysator und exclusive Wapiti-Hirsch. Diese jüngere Leistungsstufe des Zweiliter-Triebwerks passt zwar besser in den Spider als die brustschwach wirkende 115 PS-Katalysatorversion des letzten Jahres, erspart Alfa Romeo aber nicht die Frage nach dem modernsten Zweiliter-Motor mit Doppelzündung. Also, warum nicht Twin Spark? Dieser Motor, mit zwei Zündkerzen pro Zylinder und Katalysator 143 PS stark, passt nicht zum Spider-Originalgetriebe, während umgekehrt das Twin Spark-Originalgetriebe nicht in den engen Motorraum des Spider passt. Auch die Servolenkung ist keine Neuentwicklung. Eine ZF-Hydraulik hilft Schnecke und Rolle bloß zusätzlich, hat also an der behäbigen und indirekten Lenkungscharakteristik nichts geändert.
Der Heckspoiler wurde ersatzlos gestrichen
Neben dieser technischen Modellpflege hat Alfa hauptsächlich die Spider-Karosserie modernisiert, also den aktuellen Design- und Produktionsmoden angepasst. Diese verlangen von praktischen Karosserien heute Integration. Also wurde beim Spider ’90 das stolze Alfa-Wappen vorne in den Kühlluftschlitz integriert, der seinerseits in den Stoßfänger integriert ist, der wiederum Blinker, Flankenschutz und Frontspoiler integriert.
Diese Integralgleichung gilt auch für die seitlichen Schweller zwischen den Radkästen und für den hinteren Stoßfänger. Die alte, noch immer klassische Karosserie ist ab Hälfte der Radkästen in einer Art Plastikwanne, allerdings in Wagenfarbe, verankert. Der Heckspoiler wurde ersatzlos gestrichen. Passend zum Facelift wurde auch das Heck im wörtlichen Sinn geliftet, wodurch aus dem früher abfallenden Bootsheck nun ein streng geradliniges Hinterteil geworden ist. Da Alfa Romeo den 164-Erfolg wohl dem schönen stilistischen Akzent des schmalen Heckleuchtenbandes zuschreibt, darf auch der neue Spider an dieser Errungenschaft teilhaben. Auf dem niedrigen Heck wirkt diese dunkelrote Banderole allerdings wie eine überdimensionierte Lichtorgel. Die neue Wucht des Hecks bezieht sogar das Auspuffendrohr mit ein, das nun stolz und kräftig aus der Heckschürze ragt.
Mit Lederausstattung streift er die 40.000 Mark-Grenze
Der Innenraum bleibt weitgehend unverändert und wurde nur für die in Detroit gezeigte Amerika-Version entsprechend adaptiert. Die Amis werden durch eine klobige Lenkrad-Prallplatte und einen gepolsterten Knieschutz unterhalb der Armaturentafel zusätzlich gesichert. Für Europa wird dieses Vierspeichen-Lenkrad durch ein sportlich kleineres Ledervolant ersetzt. Die weiteren Materialien bleiben innen wie gehabt Plastik und Kunstleder auf den körpergerecht gut konturierten Sitzen. Der Motor spielt seine 128 PS und das maximale Drehmoment von 181 Nm bei 4.000/min im laut Werksangabe 1.040 Kilogramm leichten Spider mit Vergnügen aus. Das neue Temperament küsst verlorene Tugenden aus dem Dornröschen-Schlaf. Der Spider hat wieder genügend Kraft, um mit dem Heck auf Lastwechsel zu reagieren. Beim scharfen Einlenken in enge Kurven ist das Gaspedal dabei eine größere Lenkhilfe als die neue Servopumpe. Sonst gelten alle gesammelten Spider-Regeln und -Erkenntnisse seit 1966, die im wesentlichen besagen, dass diese einzigartige pure Lust zuverlässig beim Fahren entsteht – allen Schwächen, Baujahren, Motoren, Facelifts und Servolenkungen zum Trotz.
In Deutschland wird der Alfa Romeo Spider für die neunziger Jahre im April auf den Markt kommen. Auch der Preis wird dann ein neues Jahrzehnt einläuten. Der Spider soll mit Lederausstattung die 40.000 Mark-Grenze elegant und knapp streifen. Wie immer wird das Deutschlandkontingent am Sommerende ausverkauft sein.