Opel Corsa wird 40 Jahre alt
Der erste Fahrbericht von 1982
Der Corsa war 1982 Opel Kleinster und im Verkauf später ein ganz Großer. In auto motor und sport erschien 1982 der erste Fahrbericht.
26.08.2022 Klaus WestrupDer kleinste Opel aller Zeiten, mehr noch: das kleinste General Motors-Automobil, das es bislang gab, hört auf einen international gut aussprechbaren Namen. Corsa heißt das jüngste Opel-Produkt, nicht Junior, wie noch vor wenigen Monaten in Zeitschriften zu lesen war.
Der neue Name im teilweise betont traditionellen Opel-Namensregister, wo die Bezeichnungen Kadett und Rekord seit immerhin 46 beziehungsweise 29 Jahren geführt werden, ist so neu wie das Auto, zu dem er gehört. Entwickelt bei Opel in Rüsselsheim und produziert im spanischen Zaragoza, wo General Motors eigens für dieses Automobil eine Fabrik aus dem Boden stampfte, soll der Zwerg weltweite Verbreitung finden. Die Zeichen dafür stehen grundsätzlich gut; der Corsa, Opels Winzling mit nur 3,62 Meter Länge, wird in eine Welt mit generell hohen Treibstoffpreisen und knapper werdenden Haushalt-Budgets geboren, in der die Akzeptanz von Autos in dieser Größenordnung zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Opel entwickelte den Corsa in Rüsselsheim
Für Opel und mithin die mächtige amerikanische Mutter General Motors war diese Perspektive die wichtigste – wichtiger selbstverständlich als der Zweitwagen-Ausblick, der sich mit einem Auto wie dem Corsa natürlich ebenfalls ergibt. Doch wie auch immer: Ein gutes Auto sollte der Corsa, der in rund fünfjähriger Entwicklungszeit entstand, in jedem Falle werden, und da lag es für die Konzernmanager nahe, die Aufgabe ins Hessische zu delegieren. Opel in Rüsselsheim entwickelte den automobilen Welt-Zwerg, der – was Wunder – bis in die letzte Faser Opel-Charakteristika trägt.
Die ersten Fahreindrücke, die auto motor und sport mit dem Corsa sammeln konnte, unter mauern dies deutlicher als das Erscheinungsbild des kleinsten und jüngsten Opel-Produkts. Denn formal ist der Corsa besonders in der kleidsameren Schrägheck-Version kein besonders typischer Opel, sondern eher ein formal gekonnt gemachtes Allerweltsauto, das mit einem für kleine Autos ungewöhnlich günstigen Luftwiderstandsbeiwert gesegnet ist (cW 0,36 beim Schrägheck-Corsa und 0,38 bei der Stufenheck-Version namens TR) und das mit seinen Kotflügelverbreiterungen ein wenig keß in die Runde schaut.
Der Stufenheck-Corsa, nicht zuletzt deshalb entstanden, weil ein großes Kofferraum-Volumen in südlichen Ländern auch bei sehr kleinen Autos gefragt ist, wirkt formal vergleichsweise eingeschlafen und dürfte in der Bundesrepublik wohl kaum der Renner im Corsa-Geschäft werden. Eine Schätzung der Marketing-Experten von Opel gibt dieser Vermutung recht; man rechnet hierzulande mit 20 Prozent Anteil.
Stufenheck-Corsa in Deutschland eher weniger gefragt
Bei den ersten Versuchsfahrten folgte denn auch auto motor und sport dem Massengeschmack und bestieg den Schrägheck-Corsa, der sich von seinem üppiger dimensionierten Bruder nur durch eine geringere Länge (3,62 Meter statt 3,95), ein bescheideneres Kofferraumvolumen (275 Liter statt 450) und eben das insgesamt doch glücklichere Erscheinungsbild unterscheidet.
Eindruck Nummer eins und nun doch ganz typisch Opel im guten Sinne: Hier hat alles seine Ordnung. Das Instrumentarium geriet übersichtlich, die Bedienungshebel wurden so angeordnet, daß man auf Anhieb mit ihnen zurechtkommt. Erfreulicherweise, und dies ist nun keine Selbstverständlichkeit bei Autos im Mini-Format, bietet der Corsa zumindest auf den gut profilierten Vordersitzen ein gutes Raumgefühl, das einen nahezu ganz vergessen läßt, wie klein das Auto tatsächlich ist. Es mangelt auch nicht an Ellenbogenfreiheit, und ganz ausgezeichnet ist die Sitzposition. Ein ausreichendes Abrücken vom sympathisch schlicht gestylten Lenkrad läßt den Knieraum auf der Rücksitzbank natürlich so schrumpfen, daß dort von dem erwähnten guten Raumgefühl nur noch ein Hauch bleibt. Immerhin aber ist der Fond-Raum im Corsa so bemessen, daß zwei Erwachsene auf der mit sehr viel Sitz tiefe gesegneten Bank auf kürzeren Strecken mit Anstand unterzubringen sind. Die Köpfe ließen sich gar auf Langstrecken bequem transportieren; der Corsa bietet diesbezüglich mit einer stattlichen Kopffreiheit ein eher reichliches Maß.
Im übrigen zeigt die neue Karosserie zumindest in Schrägheck-Version jenes Maß an Variabilität, das mittlerweile zu einer Art Norm bei Autos dieser Art geworden ist. Durch Umlegen der Rücksitzlehne und Aufgabe der beiden Sitzplätze läßt sich das Kofferraum-Volumen auf stattliche 845 Liter (nach VDA-Norm) erweitern, wenn bis unter das Dach geladen wird. Der Corsa TR mit Stufenheck kann da natürlich nicht mit, aber er hat da für den Vorzug, bei besetztem Fond-Abteil die größere Transport-Kapazität zu bieten. Wie üblich bei Opel, gibt es auch den Corsa mit verschiedenen Ausstattungspaketen, denn neben der Grundversion werden die Zutaten-Pakete" Luxus", "Berlina" und ,,SR" angeboten.
Basismotor aus dem Kadett A
Bei der Auswahl der Motorisierung tut man gut daran, mehr Gedanken anzustellen. Doch auch ohne das ist es unmöglich, einen groben Fehler zu machen, denn einen schlechten oder unzureichenden Motor bietet Opel im neuen Corsa gar nicht erst an. Drei Möglichkeiten gibt es, und alle haben etwas für sich. Möglichkeit eins ist der Oldie im Motorenprogramm von Opel, jener unter der Bezeichnung "Bochum-Motor" geführte Einliter-Vierzylinder, der im Kadett A 1961 debütierte und der es inzwischen auf eine Stückzahl von rund sieben Millionen Exemplaren gebracht hat. Leicht modifiziert (Verdichtungserhöhung auf 9,2:1, anderer Vergaser, neue Nockenwelle) leistet der dreifach gelagerte Veteran im Corsa 45 PS (33 kW) und entwickelt ein maximales Drehmoment von 68 Nm bei 3.200/min.
Daß er ganz der alte ist, wird auch im Corsa schnell deutlich. Die Geräuschentwicklung des Stoßstangen-Triebwerks wirkt ungemein vertraut, und die Art und Weise, wie sich der Corsa mit diesem Spar-Motor bewegt, ist am besten mit dem Begriff wacker charakterisiert. Die Werksangaben versprechen eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 19,5 Sekunden und 140 km/h Spitze. Angenehm fiel auf, daß der Einliter kein unangenehmes Geräuschbild verursacht – mit das Ergebnis einer recht langen Gesamtübersetzung.
Neuer Motor in zwei Größen
Möglichkeit zwei stellt zweifellos die harmonischste Corsa-Motorisierung dar. Es handelt sich dabei um einen Ableger der in Kadett und Ascona debütierenden neuen Motorengeneration mit fünffach gelagerter Kurbelwelle, obenliegender Nockenwelle und hydraulischem Ventilspielausgleich. Ableger bedeutet in diesem Falle eine Hubraumreduzierung auf 1.200 Kubikzentimeter, eine Leistung von 54 PS (40 kW) bei ebenfalls 5.600/min und ein maximales Drehmoment von 90 Nm bei nur 2.200 Umdrehungen.
Tatsächlich erweist sich dieser Zwölfhunderter im Corsa als besonders elastisch und durchzugskräftig. Gefühlsmäßig liegt er, speziell im Antritt, ganz klar über dem kleinen Einliter. Auch dieser Vierzylinder zeichnet sich durch eine angenehm unaufdringliche Geräuschkulisse aus und vermeidet damit jenes kleinwagenhafte Getöse, das – nicht zuletzt durch lange Übersetzungen – der Vergangenheit anzugehören scheint. Dies gilt ganz besonders für die Fünfgang-Version, die – ebenso wie schon beim Einliter – gegen Mehrpreis lieferbar ist.
Möglichkeit drei darf bei einem Wagengewicht von nur 750 kg schon als üppig betrachtet werden. Es handelt sich hier um den aus Ascona und Kadett bekannten Dreizehnhunderter mit serienmäßigem Fünfganggetriebe, der im Corsa 69 PS (51 kW) bei 5.800/min erreicht und für ein Drehmoment-Maximum von 101 Nm bei freilich erst 3.800/Umdrehungen sorgt. Er ist dem 1,2-Liter, wie auch die Werksangaben zeigen, in den Fahrleistungen überlegen, aber er ist nicht so überlegen wie der Zwölfhunderter dem Tausender. In der Geräuschkulisse unterscheidet er sich nicht vom 1,2-Liter. Im Gegensatz zur Konkurrenz hat sich Opel beim Corsa für eine generelle Super-Auslegung aller drei Motoren entschieden. Die DIN-Verbrauchswerte verheißen zeitgemäß geringen Konsum: Der Einliter verbraucht im Drittelmix 6,6 Liter pro 100 km, der Zwölfhunderter 6,9 Liter, der Dreizehnhunderter ebenfalls nur 6,6 Liter.
Fahreindruck: ausgewogen und nicht übermäßig handlich
Doch nicht nur die drei durch weg sympathischen Motoren sorgen dafür, daß das Fahren mit dem Corsa eine vergnügliche Angelegenheit wird. Auch die Fahrwerksqualitäten sind so, daß hier von einem sehr ausgewogenen Ergebnis gesprochen werden kann. Zunächst einmal fällt allerdings auf, daß der winzige Corsa nur eine unterdurchschnittliche Handlichkeit erreicht, weil er – wie Opel-Fahrwerks-Experte Herbert Oberhaus erläuterte – mit einer Lenkcharakteristik versehen wurde, die zu nervöses Reagieren bei eventuellen Hindernissen ausschließen und speziell bei höherem Tempo ein "Verreißen" unmöglich machen soll. Die Fahrwerks-Ingenieure von Opel hatten diesbezüglich den Polo von VW im Visier und machten es anders.
Tatsächlich also fehlt dem Corsa Agilität um die Mittellage. Beim Fahren muß man sich darauf einstellen; der Corsa verlangt relativ viel Lenkarbeit, läßt sich dann aber exakt dirigieren. In Kurven zeigt sich ein klar untersteuerndes Grenzbereichsverhalten, die Lastwechselreaktionen bleiben gering. Man wollte ein wahrhaft unproblematisches Auto bauen, ein "forgiving car", und dies ist auch gelungen.
Erfreulicherweise konnten die Fahrsicherheits-Qualitäten zusammen mit einem insgesamt recht guten Federungskomfort erreicht werden. Der Corsa schluckt Unebenheiten bemerkenswert gelassen, wobei dies besonders für die ohne zusätzliche Stabilisatoren an Vorder- und Hinterachse versehenen Einliter- und 1,2 Liter-Versionen gilt. Der Dreizehnhunderter mit Stabilisatoren wirkt insgesamt steifer, so daß sich die Frage stellt, ob das Plus an Straßenlage und im Grunde unerheblichem Kurventempo im richtigen Verhältnis zur Einbuße beim Komfort steht.