Oldtimer Wertentwicklung 2014 bis 2024
Toyota Supra in 10 Jahren 258% teurer
Was macht einen Oldtimer wertvoll? Wie haben sich die Preise in fünf bis zehn Jahren entwickelt? Was macht der Markt? Wir geben Antworten auf diese Fragen.
24.10.2024 Michael OrthIm Frühsommer 2022 hat der Verkauf eines von zwei Uhlenhaut Coupé im Mercedes-Benz Museum eine neue Dimension eröffnet, und doch blieb vieles gleich. Weil singuläre Ereignisse zwar Sensationen sein mögen, aber deshalb ja Gesetzmäßigkeiten nicht umstürzen können. Das gilt für den Markt klassischer Automobile nicht weniger als für das gesamte Universum.
Bis in den Mai 2022 war ein Ferrari 250 GTO von 1962 der teuerste öffentlich gehandelte Gebrauchtwagen gewesen, nachdem er 2018 bei einer Auktion für 44,5 Millionen Euro einen neuen Besitzer gefunden hatte. Teuer war der Ferrari, weil nicht viele hergestellt worden waren, 36 nur. Weil er eine wichtige Rolle in der Automobil-, speziell in Ferraris Rennhistorie spielt und weil er technisch nicht weniger als ästhetisch herausragend ist. Damit erfüllt er praktisch alle wesentlichen Kriterien, die sich auf die Frage nennen lassen, was einen Oldtimer wertvoll macht, genauer: Was macht einen Oldtimer zu einem wertvollen Oldtimer?
Es kommt hinzu: eine besondere individuelle Geschichte respektive ein Ausnahmezustand. Also etwa: Diesen hat der Kaiser von China schon mal berührt, jener hat nur 18 Kilometer auf der Uhr. Da ist es mit alten Autos nicht anders als mit Devotionalien jedweder Art: die Unterhose, die Armstrong trug, als er den Mond betrat, zum Beispiel. Falls der da denn überhaupt eine Unterhose anhatte. Der Pinsel, mit dem die Mona Lisa gemalt wurde, das Messer, mit dem van Gogh sich das Ohr abschnitt, das Fahrrad, auf dem Eddy Merckx zum ersten Tour-Sieg strampelte, oder der Schaltknauf aus dem 917, mit dem Porsche 1970 endlich in Le Mans gewann.
Wert ist eine Zuschreibung
Was macht man mit dem Plunder? Er ist nutzlos, wer will schon einen Astronautenschlüpfer tragen, wer auf einem weichen Stahlrahmen die Berge hochpumpen oder mit einer inzwischen stumpfen und rostigen Klinge Obst ins Müsli schnippeln? Einen Wert hat alles nur, weil wir ihm diesen Wert zuschreiben. Oder nicht. Und so kommt denn auch der eine Klassiker über sparsam vierstellige Beträge niemals hinaus und kostet im Unterhalt mehr, als ein Verkauf je erwirtschaften könnte, während die Preise anderer Modelle durch die Decke gehen.
Was beide eint und im selben Markt zusammenbringt: Im einen wie im anderen Fall braucht es Idealismus. Anders ausgedrückt: einen Irren, der blecht, entweder 13.000 für einen guten Opel Olympia Rekord oder 135 Millionen Euro für ein Mercedes 300 SLR Uhlenhaut Coupé.
Und damit sind wir in der eingangs erwähnten neuen Dimension: 135 Millionen. Alle Fragen erübrigen sich: Wer hat so viel Geld für ein Auto? Wieso soll ein Auto so viel kosten? Was könnte man mit dem Geld nicht alles korrigieren in dieser schlechten Welt? Wenn das Auto so viel kostet, was will denn der Besitzer damit, doch nicht etwa fahren? In all diesen Fragen schwingt ein moralischer Unterton mit. Doch geht es hier ums Geld, und bei dem soll ja sogar die Freundschaft enden. Die Liebe jedoch, möchte man entgegnen, und nicht nur die zum Oldtimer, finanziert es, das Geld.
Und da liegt das Problem: Große Gefühle und große Summen sind, wenn gleichzeitig im Spiel, schwer nur kalkulierbar. Je weniger Kalkulation, desto mehr Spekulation. Willkommen also auf dem Markt klassischer Automobile. Dessen Struktur eigentlich nur eine goldene Regel kennt: Das Geld muss Ihnen egal sein. Ausnahmen wie etwa die Ferrari oder das Uhlenhaut Coupé bestätigen wie einige andere sichere Banken diese Regel. Um es etwas weniger drastisch auszudrücken: Wer seine Dividende allein in Zahlen fassen möchte, wird von klassischen Automobilen vielleicht in Versuchung geführt, sollte aber, wenn nicht ein wirklich ordentlicher Batzen Kapital verfügbar ist, lieber die Finger davon lassen.
Nicht in Geld zu messen
Natürlich war in den vergangenen zehn Jahren zu beobachten, dass sich der Wert eines VW Polo beinahe verdoppelt hat, und eine Rendite von zehn Prozent pro Jahr ist verglichen mit übrigen Anlageformen so schlecht ja nicht. Doch muss der Polo untergestellt, von Zeit zu Zeit gar bewegt, manchmal auch repariert werden. So kommt man schnell zum Ergebnis, dass des Polos Wert nicht in Euro zu messen ist. Streicht man die Freude aus der Gleichung, lohnt sich die Investition in einen Altwagen nur dann, wenn es sich um ganz spezielle Exemplare handelt – siehe die oben angeführten Kategorien.
Doch ist man auch mit exquisiten, mit seltenen, auffälligen und leistungsstarken Vehikeln im Top-Zustand nicht automatisch auf der sicheren Seite. Schnellte doch ein Ferrari Testarossa ab 2013 von rund 55.000 auf über 130.000 Euro, nur um bis 2017 wieder einzuknicken, mittlerweile gleichwohl das einstige Hoch sogar zu übertreffen. Ein Lamborghini Countach LP 400 kletterte bis 2016 in nur zwei Jahren von knapp 370.000 um sagenhafte 1,1 Millionen Euro im Wert, um gleich darauf wieder eine halbe Million einzubüßen und sich bis heute knapp unter der Millionenmarke zu stabilisieren.
Was, ließe sich anmerken, ist das Problem? In allen Fällen bleibt doch Wertzuwachs, und zwar substanziell. Stimmt. Das wissen wir heute. Bevor die Preise anzogen, ließ es sich bestenfalls raten. Zudem dümpeln viele andere Karren in Preisbereichen, die sie seit 20, 30 Jahren besetzen. Womit wir uns einer zuvor getroffenen Aussage von der anderen Seite aus, der idealistischen nämlich, nähern: Das Geld muss Ihnen egal sein.
Ein Klassiker ist über Jahre hinweg günstig zu haben, und daran wird sich wohl auch nichts ändern? Prima. Man muss nicht mehr als ein Fünftel dessen investieren, was ein Neuwagen kosten mag, und darf sich jedes Mal freuen, wenn die Hand übers Velours gleitet, das Fenster heruntergekurbelt werden möchte, der Innenraum riecht, der Schaltstock Führung braucht und der Kaltstart Gefühl am Gas. Mit keinem Geld der Welt ist das zu bezahlen, die Rendite in Zahlen nicht auszudrücken. Erst dort aber, wo das Geld keine Rolle spielt, darf das alte Auto sein, was es ist: überflüssig, so wie jedes Kulturgut überflüssig ist.
Frank Wilke, Geschäftsführer des Marktbeobachters und Analysten Classic-Analytics über die aktuelle Marktentwicklung.
Wilke: Allgemein lässt sich das nicht prognostizieren. Denn den Oldtimer-Markt an sich gibt es so schon lange nicht mehr. Er hat sich immer mehr in Segmente differenziert, etwa nach Fahrzeug-Kategorien, Alter, Herkunft, Zustand, Marke, Preisniveau und so weiter. Und Preise vorhersagen zu wollen, war noch nie ein seriöser Anspruch.
Was sich sagen lässt, ist, dass die Stimmung auf dem deutschen wie den benachbarten Märkten gerade abwartend, abwägend und zurückhaltend ausfällt. Das heißt nicht, dass es an Kaufinteresse fehlt, aber die Kaufstimmung ist eben nicht da. Das mag an den auf hohem Niveau stabilen Preisen liegen, hat wohl aber auch mit zwei Kriegen zu tun, die gerade sehr präsent und nicht weit weg sind. Darüber hinaus geht, was ich Zustandsschere nenne, weiter auseinander. Zweier-Autos werden teurer, während dasselbe Modell im Zustand vier eher an Wert verliert, wenn es sich wirtschaftlich nicht lohnt, das Auto zu restaurieren.
Haben nicht klassische Autos als Geldanlage auch für Broker und Fonds zunehmend an Relevanz gewonnen, und wie hat sich das auf den Markt ausgewirkt?Wilke: Wenn diese Akteure überhaupt in nennenswerter Zahl unterwegs waren, haben sie sich aus dem Markt weitgehend wieder zurückgezogen. Dass jemanden das Auto gar nicht interessierte, es sei denn als Anlage, das gab es, meine ich, so nicht. In erster Linie ist der Markt für klassische Autos nach wie vor einer, in dem eben das Objekt eine zentrale Rolle spielt und nicht zum Mittel zum Zweck degradiert wird. Es ist immer noch ein Markt für Autofans, weniger einer für Investitionsgetriebene.
Nehmen wir an, ich habe 10.000 Euro über. Sollte ich dann nicht sofort einen Klassiker kaufen, um mich auf zwangsläufigen Wertzuwachs zu freuen? Ein Beispiel: Der Saab 900 Turbo war 2014 für 8000 Euro zu haben, heute ruft man fast 10.000 Euro mehr für den Sonderling auf. Kann man da nicht alles kaufen und sich gleich die Hände reiben?Wilke: Das kann man schon machen, wenn man nicht meint, das Händereiben stehe automatisch für massive Gewinne. Der Saab ist tatsächlich: nur ein Beispiel. Und es gibt andere. Was man nicht machen darf, ist, den eigenen Maßstab auf die vielen anderen zu übertragen. Entscheidend für die Wertentwicklung eines Wagens ist ja nicht, was ich als Einzelner denke, sondern was die vielen anderen denken. Die bestimmen die Richtung, nicht ein einzelner Geisterfahrer. Sowohl der Lamborghini Diablo als auch der Fiat 132 wurden von Marcello Gandini entworfen. Wer allein daraus den Schluss zieht, dass der 132-mal ein ähnlich gesuchtes Sammlerstück wird wie der Diablo, ist wahrscheinlich auf dem Holzweg.
Ohnehin ist das mit dem Oldtimer als Wertanlage ernsthaft nur ein Thema, wenn man schon über einiges an Kapital verfügt. Die Faustregel ist ansonsten: Das richtige Modell im richtigen Zustand kaufen, es Oldtimer-typisch bewegen, sagen wir 2000 bis 4000 Kilometer im Jahr, dann lassen sich die Betriebskosten über die Wertsteigerung decken und vielleicht ein kleiner Gewinn erzielen. Mit geringen Summen sehr Spekulatives zu machen, zahlt sich normalerweise nicht aus, sondern geht schief.
Welche Klassiker-Kategorien sind zurzeit angesagt, welche fallen hinten runter? Setzt sich etwa der positive Trend sportlicher Autos aus den 1980er- und 1990er-Jahren fort?Wilke: Der Trend besteht fort. Viele japanische Sportler haben preislich deutlich zugelegt. Ein prominentes Beispiel ist hier der Supra mit der Hecktheke. Der Toyota war neu ja auf wenig Gegenliebe gestoßen. Sein Wert hat sich in den letzten Jahren etwa verdoppelt. Diese positive Tendenz zieht sich durch alle Preissegmente, gilt also auch für deutlich günstigere Modelle wie etwa einen Mitsubishi Starion. Stark tendieren aber vor allem auch sportliche JDM-Modelle, Autos also, die ursprünglich dem japanischen Markt vorbehalten waren.
Angesagt sind derzeit auch Kleinserien und Sondermodelle der letzten sozusagen analogen Supersportwagen mit, wichtig, Schaltgetriebe. Kommen diese Autos, gefertigt in sehr kleiner Stückzahl und einst nur ausgewählten Kunden angeboten, auf den Markt, stößt das auf das Interesse solventer Käufer, die sich nun mit diesen exklusiven Dingen schmücken wollen, und dieser Luxus-Status beflügelt die Preise. Auf der anderen Seite sind da Modelle, die ihren Zenit überschritten haben, Vorkriegslimousinen zum Beispiel, der 190 SL, aber auch die Pagode. Da gibt es momentan keine Anzeichen, dass die noch mal einen Aufschwung erfahren.
Das Klima! Wir müssen es retten. Diese Meinung änderte an der Akzeptanz von Oldtimern lange nichts. Inzwischen aber verzeichnen auch Klassiker Sympathieeinbußen. Beobachten Sie, dass sich das auf dem Markt niederschlägt?
Wilke: Nein. Wenn die Diskussion um ein, wie das fälschlich ja oft bezeichnet wurde, "Verbrenner-Verbot" auf die Markt-Laune gedrückt haben sollte, hat die sich inzwischen wieder erholt und wird eher besser. Nach meinem Dafürhalten ging und geht die Stimmung auch nicht wirklich gegen Oldtimer. Mir scheint eher, dass bei manchen Behörden sich Vorbehalte etablieren und ein vorauseilender Gehorsam, zum Beispiel bei Durchfahrten von Rallyes, nach dem Motto: lieber nicht, hinterher beschwert sich einer. Auf Preise, Struktur und Trends des Markts hat das aber keine Auswirkungen. Gleichwohl hat es in der Geschichte des Markts, nicht nur des Klassiker-Markts, selten Zeiten gegeben, in denen er so von einer empfundenen Stimmung beeinflusst wurde wie in den vergangenen Jahren.