Kippt die Altersgrenze fürs H-Kennzeichen?
Debatte um Oldtimer-Besteuerung
Sind zu viele Oldtimer mit H-Kennzeichen im Alltag unterwegs? Damit hat sich der Bundestag beschäftigt und das Finanzministerium zum Handeln aufgefordert.
05.07.2023
Andreas Of-Allinger
Foto: Patrick Lang
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Der Auto-Jahrgang 1993 ist 2023 alt genug für das H-Kennzeichen. Alle Premieren in alphabetischer Reihenfolgen. Dezentes Feuerzeug für solvente Familienväter: Audi S2 Avant, R5-Turbo, 220 PS, Allradantrieb.
Foto: Achim Hartmann
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Ideal für eine Landstraßen-Tour im Sommer: BMW 3er E36 Cabrio. Premiere hat der offene Viersitzer als 325i mit 192 PS starkem M50-Reihensechszylindermotor, später folgen 320i und 318i. Beide sind recht häufig in gutem Zustand zu finden. Bei 325i und 328i wird es schon schwieriger.
Foto: Ingolf Pompe
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Feine Mittelklasse-Limousine mit Bertone-Design und Hydropneumatik. Solide, komfortabel und günstig zu haben. Mehr als 5.000 Euro kosten nur seltene Varianten – wie der Activa mit Wankausgleich und V6-Motor.
Foto: Citroën
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Der Punto löste im November 1993 den Uno ab. Mit rundlicher statt kantiger Karosserie, die in alle Richtungen gewachsen war, und breiter Motorenpalette taugte der Kleinwagen gerade auch mit vier Türen als Erst- und Einzigauto.
Foto: Fiat
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Pininfarina zeichnete mit dem Ferrari 456 GT einen Gran Turismo, dessen Linie an den GTB/4 Daytona erinnert. Die Rundungen der 4,73 Meter langen Aluminium-Karosserie wirken harmlos, doch mit der Kraft seines 5.474 Kubikzentimeter großen V12-Motors beschleunigt das Coupé in 5,2 Sekunden von null auf 100 km/h und bei Bedarf weiter bis 301 km/h.
Foto: Ferrari
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Ford konzipiert den Sierra-Nachfolger Mondeo als Weltauto mit etwas flutschigem Design und Quermotor samt Frontantrieb als Vernunftoption in der Mittelklasse. Es gibt eine Limousine, ein Fließheck und einen Kombi. Rost rafft den großen Ford früh dahin, heute scheint kaum noch einer zu existieren.
Foto: Ford
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Mit dem Explorer aus dem US-Programm bedient Ford das Interesse an komfortablen Geländewagen. Der Vierliter-V6 kommt aus Köln.
Foto: Ford
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Jeep findet mit dem Grand Cherokee zielsicher eine Lücke zwischen dem kleineren Cherokee und dem viel teureren Range Rover. Weil er leicht und stark ist, geht er gut ohne zu saufen, wühlt sich bei Bedarf durch wüstes Gelände, zieht Hänger von der Wiese oder erledigt Alltagstransportdinge.
Foto: Jeep
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Mercedes macht 1993 mit der ersten C-Klasse manches anders, aber nicht alles besser als beim 190. Der wirkt im Vergleich zum zwei Jahre zuvor erschienen BMW 3er E36 arg bieder, überlebt aber seinen schnell rostenden Nachfolger in Sachen Karosseriehaltbarkeit locker.
Foto: Mercedes
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Ebenfalls 1993 führt Mercedes beim W 124 mit der zweiten Modellpflege die Baureihenbezeichnung E-Klasse ein und stellt die Typenbezeichnung um. Aus dem 500E wird so der E 500. Gleichzeitig kommen neue Vierventil-Dieselmotoren zum Einsatz.
Foto: Mercedes
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Nissan erobert mit dem Micra die Herzen stolzer Autofahrenden.
Foto: Nissan
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Opel landet mit dem Corsa B einen Treffer. Im Vergleich zum kantigen Vorgänger wird der Kleinwagen nun rundlicher, komfortabler und geräumiger.
Foto: Opel
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Das Astra F Cabrio bietet bügelfreien Offen-Fahrspaß für vier Personen. Wo sind nur all die bezahlbaren Cabrios hin?
Foto: Opel
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Peugeot macht dem VW Golf III mit dem sachlich gestalteten 306 Konkurrenz. Komfort und die Dieselmotoren sind gute Argumente für den französischen Kompakten.
Foto: Peugeot
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Porsche steckt 400 Millionen Mark in die Weiterentwicklung des luftgekühlten 911. Der 993 ist 1993 der beste 911 aller Zeiten: 272 PS stark, mit sechs statt fünf Gängen und neuer Hinterachse fährt er schneller, komfortabler und sicherer. Danach kommt der wassergekühlte 996, was den 993 praktisch aus dem Stand zum Klassiker macht.
Foto: Porsche
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One-Box-Design und Kulleraugen lassen den Renault Twingo niedlich wirken, doch das Design bleibt über die lange Bauzeit von 14 Jahren frisch. Die verschiebbare Rückbank vergrößert Beinfreiheit oder Kofferraum - je nachdem.
Foto: Renault
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Mit dem Ibiza kommt Seat auch technisch im Volkswagen-Konzern an. Der Kleinwagen bietet für etwas weniger Geld etwas mehr Platz als ein Polo.
Foto: Seat
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Viel mehr Platz für etwas mehr Geld: Dieses Angebot macht VW Golf-Käufern ab 1993 mit dem formal gelungenen Variant.
Foto: Volkswagen
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Spritsparer erfreut der erste Golf TDI: 90 PS und 202 Newtonmeter machen Schluss mit der Diesel-Trägheit alter Wirbelkammerzeiten.
Foto: Volkswagen
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Familien können ab 1993 den Volvo 850 Kombi kaufen. Technisch geht die Marke mit quer eingebautem Fünfzylinder und Frontantrieb neue Wege.
Foto: Volvo
Nachdem Sebastian Schäfer (Grüne) laut "The Pioneer" gesagt hatte: ""Wir müssen die Oldtimer-Besteuerung wieder auf historisch wertvolle Fahrzeuge beschränken", hatte Carsten Müller (CDU) dem Finanzpolitiker "Kenntnislosigkeit" vorgeworfen. Schäfer hatte das Beispiel eines 93er Volkswagen Passat genannt, der laut Müller "in der regulären Fahrzeugbesteuerung sogar günstiger besteuert als mit dem Pauschalbetrag bei einer Zulassung mittels H-Kennzeichen." Müller hat den Parlamentskreis "Automobiles Kulturgut" 2009 mitgegründet ist seit 2014 dessen Vorsitzender.
CDU: fehlerhafter Bericht
Einen Bericht des Bundesrechnungshofs von April 2023, der kritisierte, dass eine "rasante Zunahme" von Fahrzeugen mit H-Kennzeichen Steuer-Mindereinnahmen von 170 Millionen im Jahr verursache und den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung widerspreche, nannte Müller "fehlerhaft".
SPD: H-Kennzeichen verdreifacht
Martin Gerster (SPD), der sich als Vorsitzender im Rechnungsprüfungsausschuss mit dem Bericht des Bundesrechnungshofs beschäftigt hat, sieht "durchaus Handlungsbedarf". Dazu bedürfe es "aber zusätzlicher Daten u.a. zur Quantifizierung der Alltagsnutzung von Oldtimern."
Foto: VDA
Der Bestand von Autos mit historischem Kennzeichen steigt.
Das Alter allein als Kriterium für das H-Kennzeichen sieht Gerster als "zu kurz gegriffen". Die aktuelle Regelung führe dazu, dass "jedes Jahr mehr potenzielle H-Kennzeichen vergeben werden können – zunehmend auch an Autos, die viel im Alltag bewegt werden. So hat sich die Zahl der H-Kennzeichen seit 1997 verdreifacht."
Dass auch im Alltag genutzte Fahrzeuge von der Steuerbegünstigung profitierten und in Umweltzonen fahren dürften, sei so vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Der Rechnungsprüfungsausschuss hat das Finanzministerium einstimmig aufgefordert, bis 31. Oktober 2023 zu prüfen, ob eine Änderung der Zulassung von Oldtimern "nötig und möglich ist".
FDP: Oldtimer fahren wenig
Karsten Klein (FDP), erklärt zum selben Thema: "Der Bundesrechnungshof hat auf eine Entwicklung zur Alltagsnutzung von Oldtimern hingewiesen, die man betrachten kann. Die Folgerungen, die der Hof daraus zieht, beruhen jedoch auf Indizien, die zunächst zu prüfen sind."
Allein schon weil Versicherer durch die Beschränkung der Fahrleistung und die Voraussetzung eines Erstfahrzeugs die Alltagsnutzung ausschließen würden, lägen der Emissionsbeitrag von Oldtimern im einstelligen Prozentbereich, so Klein weiter.
Linke: Erhalten ist nachhaltiger
Gesine Lötzsch (Linke) ist selbst "ab Mitte der Neunzigerjahre bis 2013 einen Renault Clio gefahren: "So sehr ich an ihm hing, würde ich ihn nicht als schönen Oldtimer bezeichnen."
Lötzsch findet, dass jemand, der sein Auto 50 Jahre lang fahre, nachhaltiger unterwegs sei als jemand, der sich alle 5 Jahre ein neues zulege. Dass seit 2007 auch Inhaber von älteren Alltagsfahrzeugen ein H-Kennzeichen erhalten könnten, findet sie ungerecht. Die Steuerausfälle, die der Bundesrechnungshof mit 170 Millionen Euro im Jahr beziffert, empfiehlt Lötzsch in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu investieren.,
AfD: Kfz-Steuer abschaffen
Peter Boehringer von der AfD findet, "dass die Kfz-Steuer abgeschafft und bei einem haushalterischen Bedarf die Energiesteuer entsprechend angepasst werden soll."