Gefälschte Oldtimer, Zertifikate, Chassisnummern
Warum ein Gutachten nicht vor Fälschern schützt
Wann ist ein Oldtimer original und wie ist eine Fälschung zu enttarnen? Wir klären die Begriffe und die möglichen Methoden. Sicher ist: Ein Gutachten reicht nicht.
17.06.2023 Dirk JohaeDie Nachrichten über die vermeintliche Fälschung eines Mercedes 300 SL Roadster haben die Kraft einer Sensation. Erst recht, wenn ein weltweit renommierter Restaurierungsbetrieb betroffen ist. In allen Medien wird der Fall aufgegriffen. Vergleichbar mit den News über ein enttarntes Kunstwerk oder einen entlarvten Fälscher wie vor Jahren Wolfgang Beltracchi oder der Hitler-Tagebuch-Fälscher Konrad Kujau.
Ist mein Oldtimer echt?
Wie geht es Ihnen mit diesen Nachrichten? Denken Sie auch daran, ob ihr Klassiker möglicherweise gar nicht echt ist? Fürchten Sie, solchen Fälschern und Betrügern schutzlos ausgeliefert zu sein? Ganz so schwarz muss man nicht malen. Man kann sich davor schützen, Betrügern auf den Leim zu gehen. Ob ein angebotenes Auto tatsächlich sein Geld wert ist, lässt sich überprüfen. Allerdings braucht man Zeit dazu und sollte bei Bedarf auch bereit sein, in die Überprüfung zu investieren.
Die Originalität
Zuvor ein wichtiger Hinweis: Strenggenommen ist der Begriff "Original" für ein Auto, das eigentlich als Gebrauchsgegenstand gebaut wurde, nicht angemessen. Letztlich geht es um die Frage, ob das Auto mit seinen Abnutzungen dasjenige ist, das mit der Chassisnummer gebaut wurde und mit dieser Identität bis heute existiert. Wurde das Auto zumindest einmal restauriert, lässt sich das kaum noch belegen. Leider existiert keine Festlegung, wieviel von der ursprünglichen Substanz noch erhalten bleiben muss, um die Identität fortzuführen.
Der Weg der Überprüfung führt zunächst über eine möglichst genaue Beschreibung des Autos: welches Bau- bzw. Modelljahr, welcher Auslieferungszustand, welche möglicherweise zusätzlichen, auch später zugefügten Ausstattungsdetails? Passen all diese Informationen zusammen?
Daten und Zertifikate helfen
Woher bekommt man diese Informationen? Zu manchen Baureihen wie beispielsweise dem Mercedes 300 SL oder dem Porsche 911 Carrera RS gibt es einschlägige Literatur. Damit lässt sich zumindest überprüfen, ob die angegebene Chassisnummer (auch FIN: Fahrzeugidentifizierungsnummer) zum Modell und Modelljahr passt. Entscheidend: Am besten mehrere unterschiedliche Quellen vergleichen.
Einige Hersteller bieten Zertifikate zu den von ihnen gebauten Autos, die über den Auslieferungszustand informieren. Das Problem: Ein solches Zertifikat wird nur dem aktuellen Eigentümer des Fahrzeugs ausgestellt. Außerdem bestätigt das Dokument nur den ursprünglichen Zustand ab Fabrik. Veränderungen am Auto und Besitzerwechsel können nicht aufgeführt werden.
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Das möglichst umfassende Informationsgerüst sollte stehen, bevor das Auto zum ersten Mal besichtigt wird. Bei der Weitergabe der Informationen zeigt sich auch, wie kooperativ der Verkäufer ist und wie transparent die Aussagen zum Auto sind.
Auto-Forensiker und Hersteller-Gutachten
Sind Zweifel am Zustand oder auch an der dargestellten Geschichte angebracht, gibt es weitere Möglichkeiten zur Prüfung. Auto-Forensiker bieten an, die Prägungen des Autos mit magneto-optischen Prüfverfahren zu durchleuchten. Per Spektralanalyse wird die Zusammensetzung bestimmter Metalle ermittelt. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf deren Alter ziehen. Umgeschlagene Chassisnummern lassen sich mit Säure ermitteln. Die Materialstärke lässt sich per Ultraschall überprüfen. Mit einem Röntgengerät kann man Veränderungen am Material und verborgene Schweißnähte aufspüren.
Eine solche Prüfung ist aufwendig und kostenintensiv. Gewissheit erlangen sie jedoch nur, wenn die richtigen Fragen gestellt und entsprechend den Antworten objektiv und wissenschaftlich geliefert werden. Daher ist es insbesondere bei besonders wertvollen Fahrzeugen empfehlenswert, eine unabhängige und wissenschaftliche Expertise erstellen zu lassen. Neben unabhängigen Experten bieten auch Hersteller wie Mercedes-Benz diesen Service an. Die Kosten liegen dann aber im mittleren fünfstelligen Bereich.
Das lohnt sich natürlich nur beim entsprechenden Wert des Autos. Die Ergebnisse der Untersuchungen ergänzen die Dokumentation zum Wagen. Sie sollte auch möglichst lückenlos die Geschichte des Autos belegen. Dazu gehören Kaufverträge ebenso wie Reparaturrechnungen oder auch die umfangreiche Dokumentation einer Restaurierung. Überall, wo Zeiträume nicht belegt werden können, ist Vorsicht angebracht. Besonders kritisch ist meist der Zeitraum vom Ende der Nutzungsphase bis zum Beginn der Sammlungsphase.
Vorsicht bei Lücken in der Historie
Lassen sich diese Lücken auch durch recherchieren nicht zufriedenstellend schließen, ist Vorsicht geboten. Dabei kann es helfen, Experten einer Marke oder Baureihe zu fragen, ob ihnen das zum Verkauf stehende Auto bekannt ist. Sie können aber natürlich keine Garantie geben.
Nicht helfen bei der Frage nach der Herkunft des Autos Gutachten zur Wertermittlung. Auch sie geben keine Information oder gar Garantie zur Echtheit oder Originalität.
Letztlich gelten für jeden angebotenen Klassiker individuelle Regeln. So lässt sich beispielsweise bei einem Opel Kadett C GT/E nicht anhand der Chassisnummer feststellen, ob er schon bei der Auslieferung ein Exemplar der raren schwarzgelben Serie ist oder ursprünglich als ziviles C-Coupé vom Band rollte.
"Matching numbers"
Vorsicht ist auch bei den wie ein inoffizielles "Gütesiegel" genutzten Angaben "Matching numbers" (auch Numbers matching) geboten. Die Minimaldefinition ist übersichtlich: Chassisnummer/FIN und die Nummer des Motorblocks entsprechen dem Auslieferungsstand. Im größeren Zusammenhang meint der Begriff, dass die Hauptkomponenten wie Motor, Getriebe und Hinterachse ursprünglich zu diesem Chassis gehören.
Um die Angaben zu überprüfen, müssen alle in die entsprechenden Teile eingeschlagenen Nummern und Markierungen kontrolliert werden. Diese Informationen haben im entsprechenden Umfang meist nur die Hersteller oder spezialisierte Experten. An der Stelle muss man sich die Fragen stellen: Brauche ich ein Auto mit Matching numbers mit entsprechend höherem Kaufpreis?