Oldtimer-Auktion in Mailand von RM Sotheby's
Top-Preis für diesen Flop-Rennwagen
RM Sotheby's versteigerte in Mailand tolle Touren- und GT-Rennwagen. Die Höchstbeträge heimsten ein mäßig erfolgreicher Ferrari und ein technisch ausgeklügelter Alfa Romeo aus der ITC-Saison 1996 ein.
18.06.2021 Thomas HarloffNach einem Jahr im Corona-bedingten Tiefschlaf erwachte die europäische Oldtimer-Szene endlich wieder. Und das direkt mit zwei Highlights. Am 16. Juni startete die 2021er Auflage der Mille Miglia. Und am Vorabend der legendären Oldtimer-Rallye brachte RM Sotheby's in Mailand einige europäische – vor allem natürlich italienische – Autoklassiker zur Auktion. Darunter ein Rennwagen-Quintett von hoher motorsportlicher Relevanz.
1996er Alfa Romeo 155 V6 TI ITC
Der 1996er Alfa Romeo 155 V6 TI ITC mit der Chassisnummer SE065 005 (siehe obere Fotoshow) ging für satte 792.500 Euro an einen neuen Besitzer oder eine neue Besitzerin; RM Sotheby's hatte zuvor mit 700.000 und 800.000 Euro gerechnet. In jenem Jahr trat das Auto mit Fahrer Nicola Larini in der DTM-Nachfolgeserie ITC an, in der spannender und spektakulärer Motorsport geboten wurde. Allerdings beschworen die sehr freizügigen Regeln auch ein Wettrüsten herauf, das erst die Budgets der Werke stark anschwellen ließ und diese dann zum Ausstieg bewegten. Die Kombination Larini und Alfa Romeo 155 konnte zwei Rennen (Mugello und Interlagos) gewinnen; auch einige Pole Positions gingen auf ihr Konto. In der Gesamtwertung reichte es jedoch nur zu Position elf.
Die Diskrepanz zwischen vielen Einzelerfolgen, aber mäßigem Abschneiden in der Meisterschaft, verursachten zwei unterschiedliche Saisonhälften. Alfa Romeo startete schwach ins Jahr, weil der anfangs genutzte V6-Motor mit 60-Grad-Zylinderbankwinkel nicht mehr konkurrenzfähig war. Also entwickelte Alfa Corse kurzerhand das knapp 100 Kilogramm leichte Nachfolger-Triebwerk mit 90-Grad-Bankwinkel und 2,5 Litern Hubraum. Und zwar angeblich anfangs ohne Wissen oder gar Einverständnis der Führungsetage im Hauptquartier der Konzernmutter Fiat. Nachdem der "690RC"-Motor, dem 490 PS, maximal 318 Newtonmeter und eine Höchstdrehzahl knapp unter 12.000 Umdrehungen zugeschrieben werden, zur Saisonmitte debütierte, gelang den Italienern eine beeindruckende Pole Position- und Siegesserie.
Der starke Endspurt zeigte, wozu der Hightech-Tourenwagen Alfa Romeo 155 V6 TI ITC in der Lage war. Über ein zusammen mit Dallara entwickeltes Chassis aus Stahlrohr-Rahmen und Kohlefaser-Sicherheitszelle stülpte sich eine Kohlefaser-Karosserie mit teils aktiver Aerodynamik. An den vorderen Radläufen saßen beispielsweise hydraulisch gesteuerte Flaps, die einerseits die Kühlung der Bremsen und andererseits den Anpressdruck auf der Vorderachse optimierten.
Wer wissen möchte, warum die Technik der ITC-Autos zu teuer wurde (und den Ingenieuren teilweise über den Kopf wuchs), muss sich die restlichen Dreingaben des Alfa Romeos anschauen. Der Allradantrieb arbeitete mit einem elektronischen Zentraldifferential, mit dem die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse variiert werden konnte. Hinzu kamen eine Traktionskontrolle, Sperrdifferenziale an Vorder- und Hinterachse sowie ein elektro-hydraulisches sequenzielles Sechsganggetriebe. Der Motor verfügte über eine per Stickstoff betätigte pneumatische Ventilsteuerung und war als tragendes Element in die Vorderachskonstruktion integriert; das Fahrwerk arbeitete mit Push-Rod-Dämpfern. In Bezug auf die Elektronik bewegte sich der 155er auf damaligem Formel-1-Niveau.
Über all diese Technik verfügt der ITC-Alfa Romeo mit der Chassisnummer SE065 005 auch heute noch. Nach dem letzten Saisonrennen in Suzuka behielt Alfa Corse das Auto vorerst, bevor es nacheinander in den Besitz zweier Norditaliener ging. 2018 trat der Bolide seinen Weg nordwärts über die Alpen ins bayerische Irschenberg an, wo er von der Scuderia Gran Tourismo gepflegt und gewartet wurde. RM Sotheby's zufolge sollen in den vergangenen fünf Jahren bis zu 350.000 Euro in den Alfa Romeo 155 V6 TI ITC investiert worden sein – unter anderem in die Überholung von Motor (Seriennummer 690RC 14) und Getriebe (Seriennummer 21).
Rennen fuhr der in Würde gealterte Italiener übrigens auch wieder. 2019 trat er bei den Läufen der DTM-Classics-Serie an und zeigte mit einem Sieg am Norisring, dass er seit seiner aktiven Karriere nichts an Schnelligkeit eingebüßt hat. Von seiner glorreichen Zeit zeugen übrigens noch der Rennsitz und das Lenkrad – hierbei handelt es sich um jene Teile, die 1996 in Suzuka beim letzten ITC-Rennen von Nicola Larini und dem Alfa Romeo 155 V6 TI ITC eingebaut waren.
1994 Alfa Romeo 155 TS BTCC
Technisch deutlich unkomplizierter als sein ITC-Ableger kommt jener 155er daher, den Alfa Corse 1994 in der Britischen Tourenwagen-Meisterschaft BTCC einsetzte. Doch auch bei dieser Spezifikation bewiesen die Italiener ein gesundes Maß an Schlitzohrigkeit. Das Reglement schrieb vor, dass die Rennwagen auf offiziellen, mindestens 2.500-mal verkauften Serienautos aufgebaut sein mussten. Also legte Alfa Romeo den 155 als Silverstone-Edition auf, deren Besonderheit ein mächtiger, wenn auch nur im Kofferraum beigelegter Heckflügel war. Besitzer des Serienautos konnten sich also entscheiden, ob sie mit oder ohne Aerodynamik-Unterstützung durch die Gegend fahren wollten.
Das Rennteam legte die Grauzone des Reglements zu seinen Gunsten aus und setzte die BTCC-Rennwagen selbstverständlich mit Spoilern ein. Folgerichtig fuhren sie zu Beginn der Saison Kreise um die weitgehend flügellose Konkurrenz: Alfa-Pilot Gabriele Tarquini gewann die ersten fünf Rennen. Angesichts der eigenen Unterlegenheit protestierten die Gegner – mit der Konsequenz, dass die Alfas ab Saisonmitte ohne Heckflügel fahren mussten. Mit der italienischen Dominanz war es von da an zwar vorbei, aber der Vorsprung der Kombination Tarquini/Alfa Romeo aus der frühen Saisonphase reichte und die Italiener holten sich sowohl den Fahrer- als auch den Konstrukteurstitel.
Die in Mailand angebotene Chassisnummer 900800 wurde von Tarquini bei den letzten Doppelveranstaltungen in Silverstone und Donington Park pilotiert. Die Bilanz: Ein Sieg, ein Podiumsplatz, ein vierter Rang sowie ein Ausfall, was am Ende die Titel sicherte. Als Dank für seine starken Leistungen erhielt Tarquini seinen Dienstwagen ein Jahr später als Geschenk. Inzwischen gehört der Alfa Romeo 155 TS BTCC einem anderen privaten Besitzer. Bei der RM Sotheby's-Auktion sollte er 300.000 bis 400.000 Euro einbringen. Offensichtlich schlug jedoch niemand zu; das Auto steht weiterhin zum Verkauf.
2000 Ferrari 550 GT1
Mit 1,805 Millionen Euro bewegt sich dieser GT1-Rennwagen von Ferrari am unteren Ende des Schätzpreis-Spektrums, das vor der Auktion bis 2,2 Millionen Euro reichte. Dabei blieb dieser 550er mit der Chassisnummer 115811, eines von nur vier Autos in dieser Spezifikation des Rennteams Italtecnica, ein Unvollendeter: Nach mittelmäßigen Ergebnissen und einigen Aus- sowie Unfällen musste der Ferrari die 2001er-Saison der FIA-GT-Meisterschaft vorzeitig beenden. Später trat der Rennwagen unter österreichischer Regie und in jenen ikonischen Red Bull-Farben an, die er heute noch – nach einer entsprechenden Aufbereitung – wieder trägt. Erfolge blieben zwar weiterhin aus, aber in einem Rennen der Saison 2004 griff ein prominenter Fahrer ins Steuer: Vielleicht liegt es ja an Toto Wolff, dem heutigen Teamchef der Mercedes-Truppe in der Formel 1, dass der V12-Bolide für einen siebenstelligen Betrag den Besitzer wechselte.
1994 Ferrari 348 GT Michelotto Competizione
Im Gegensatz zu seinem größeren und etwas moderneren Bruder war der Ferrari 348 GT Michelotto Competizione ein echter Pokalsammler. Okay, die Erfolge stammen aus Amateur-Wettbewerben wie der Ferrari-Porsche Challenge, der Ferrari Challenge und den Ferrari Racing Days. Doch in den Händen des dänischen Amateur-Rennfahrers Peter Andersen war der 365 PS starke und 1.180 Kilogramm schwere V8-Mittelmotor-Ferrari mit der Chassisnummer 98226 schwer zu schlagen. Der Besitzer verdient(e) sein Geld übrigens als Fischhändler – daher das ungewöhnliche Renndekor dieses 348ers. Mit 241.250 Euro war er eines der günstigeren Autos der Mailand-Auktion. Und das, obwohl bei Michelotto insgesamt nur elf Ferrari 348 GT Competizione gebaut worden sein sollen.
1959 Alfa Romeo Giulietta Spider by Pinin Farina
Motorsport-Geschichte lässt sich auch in dieser Alfa Romeo Giulietta Spider atmen. Damit nahmen die Fahrer Mario Tropia und Giuseppe Parla 1961 an der berühmten Targa Florio teil. Allerdings beendete das Auto mit der Startnummer 22 die Hatz über die sizilianischen Bergstraßen nicht und schied zwischenzeitlich nach einem Unfall aus. Nach diesem unglücklichen Ereignis wurde die offene Giulietta mit der Chassisnummer AR1495 05681 wieder in ihren Originalzustand gebracht; kürzlich erhielt sie sogar ihre ursprüngliche Startnummer zurück. Der Schätzpreis von 90.000 bis 120.000 Euro war offensichtlich zu hoch angesetzt: Dieser Alfa Romeo steht weiterhin zum Verkauf.