Mitsubishi Lancer Evo VI + Subaru Impreza GT Turbo

Rallye-Legenden ab 5.000 €

Sie begannen als Langweiler und endeten als Legenden. Selten haben Autos so steile Karrieren hingelegt wie die Allradler-Rallyeautos Subaru Impreza GT Turbo und der Mitsubishi Lancer Evo VI.

Mitsubishi Lancer Evo VI, Subaru Impreza GT Turbo Foto: Arturo Rivas 23 Bilder

Mit klammer Klaue greift eine tief hängende Wolke nach den Wipfeln der Bäume am Aichelberg. Sie zieht einen langen Umhang grauer Schwaden wie eine Schleppe hinter sich her. Der Weg führt nach Süden, aber es fühlt sich an wie Norden. Der Nebel in den Tälern ist das Hellste, was dieser finstere Tag erleben wird. Man muss das Gute sehen: Das Wetter passt zum Thema. Es geht dabei nur vordergründig um zwei japanische Autos, die in der Hall of Fame des Automobils im gleichen Saal wie Porsche oder Ferrari stehen, die Wurzeln des Mythos liegen im tiefsten Britannien, und man muss zuerst von den Menschen erzählen, um sie zu begreifen.

Knaller-Kombination: Subaru und Colin McRae

50 km südlich vom schottischen Glasgow war in den frühen 90er-Jahren ein junger Mann herangewachsen, wie es auf vier Rädern keinen Furchtloseren je gegeben hatte. Schon früh besangen die Barden seine Schnelligkeit und sein Talent, aus Autos Kunst-Skulpturen zu machen.

In einem Land weit entfernt im Osten mühte sich derweil eine Firma mit dem schwergewichtigen Namen Fuji Heavy Industries, ihre Produkte auch jenseits der aufgehenden Sonne berühmt und begehrt zu machen. Nur nahm Europa die Modelle der Marke Subaru kaum zur Kenntnis, dabei bot man doch mit permanentem Allradantrieb und Boxermotoren klare Alleinstellungsmerkmale. Weil die einst ähnlich fade Marke Audi mit ihren Quattros über Rallye-Pfade ihren Weg auf die großen Boulevards geschafft hatte, stiegen auch die Japaner mit dem englischen Prodrive-Team 1990 in die Rallye-Weltmeisterschaft ein, und Prodrive nahm diesen McRae unter Vertrag.

Mittelklasse, Mittelmaß

Anfangs war der im Herbst 1992 eingeführte Subaru Impreza eine viertürige Limousine, wie es unzählige gab. Mittelklasse und Mittelmaß. Doch in der Weltmeisterschaft galt das seriennahe Gruppe-A-Reglement. Vom Allradantrieb bis zum Heckflügel – was an Gimmicks im Serienauto nicht schon eingebaut war, bekam keine Sportzulassung. Subaru baute eine 5000er-Serie des Impreza mit Zweiliter-Turbo. In Europa kam das Modell mit 218 PS auf den Markt, erkennbar am aufgesetzten Heckflügel, fetten Nebelleuchten und großer Lufthutze auf der Motorhaube. Die Nachfrage stieg mit dem Rallye-Debüt 1993 sprunghaft an.

Den ganz großen Ladedruck bekam die Geschichte im November 1995, als der junge McRae sich und der Marke in Wales die Krone des Rallye-Weltmeisters aufsetzte. Über Nacht wurde Subaru zur Kultmarke, und zur Legende gehört auch die Anekdote, dass die sportlichen WRX-Modelle zeitweilig zu den meistgeklauten Autos auf der britischen Insel gehörten, weshalb man speziell für England eine Wegfahrsperre mit ständig lospiepsender Alarmanlage einbaute. Nicht nur bei Dieben waren die Allradler beliebt. Das Reglement erlaubte alle zwölf Monate eine verbesserte Evolutionsversion, und so schoben die Japaner regelmäßig neue Ware nach. Die wilde Jugend Japans gierte danach, und so ließ sich mit den Krawallbüchsen auch Geld verdienen.

Mitsubishi angelt sich Tommi Mäkinen

Das begriff niemand besser als ein weiteres Schwerindustrie-Unternehmen, das unter dem Namen Mitsubishi auch Autos verkaufte und weitgehend unbeachtet blieb. Diese Geschichte beginnt im englischen Rugby, wo der Schotte Andrew Cowan nach seiner Fahrerkarriere eine Firma namens Ralliart gründete, die als offizielles Werksteam fungierte und 1995 den Finnen Tommi Mäkinen an Land zog.

Mäkinen war damals der einzige Fahrer, den der große McRae respektierte, der Finne löste ihn als Weltmeister ab. Sein Sportgerät war ebenfalls eine schnöde Stufenheckkiste: der Lancer, quasi ein Colt mit Stufenheck, nichts, wonach sich Automobilisten umdrehten. Aber auch dem seit Ende 1991 verkauften Lancer waren schon für sein WM-Debüt 1992 Flügel und mächtige Lufteinlässe zur Beatmung eines Ladeluftkühlers gewachsen.

Rallye-Siege steigern Nachfrage

Mit den Rallye-Siegen stieg auch hier die Nachfrage. Bei den ersten Evolutionsstufen beschränkte sich Mitsubishi noch auf die Produktion der geforderten 5.000 Exemplare, beim Evo V waren es schon 12.000. Die Seriennähe wurde zum Verkaufsargument. Jeder stolze Besitzer konnte sagen, er fahre das gleiche Auto wie Mäkinen. Jeder, der das riesige Maul und die immer monströsere Heckflosse als Unterschicht- Accessoire abtat, wurde belehrt, dass es sich hier um den genetischen Code eines Siegertyps handelte.

Und wer wollte in diesen Jahren nicht wie Mäkinen sein. Der Finne gewann vier Mal die Rallye Monte Carlo und die WM. In Folge. Die sechste Ausbaustufe seines Lancer war auch die erfolgreichste. Mit ihr bescherte Mäkinen Mitsubishi den Markentitel und machte sich selbst zum Monument. Was Arnold Schwarzenegger für den Action-Film war, war Mäkinen für den Rallye-Sport. Seit 1999 trug er den offiziellen Spitznamen "Tomminator".

Lancer Evo VI in Tommi Mäkinen Edition (TME)

Ludwig Gartenmaier ist selbst Rallye-Fahrer. Im Treppenhaus bei ihm daheim im bayerischen Burghausen stauen sich Pokale. Er ist Mäkinen-Fan, ging in den 90ern mindestens einmal im Jahr auf Pilgerreise, um den Meister bei der Arbeit zu sehen. Es war keine Frage, dass er denselben Wagentyp brauchte. Er fand seinen Mitsubishi Lancer, der hierzulande zeitweilig als Carisma firmierte, beim vierfachen deutschen Rallye-Meister Hermann Gassner. Es handelte sich um einen Lancer Baujahr 2000, eines der letzten Evo-VI-Exemplare, selbstredend die Tommi Mäkinen Edition (TME), zu erkennen am eingestickten Namen in den Recaro-Sitzen mit Aussparungen für Sechspunktgurte.

Selbst als in der WM längst ein neues Reglement ohne Homologationsserien galt, hielt Mitsubishi am Gruppe-AKonzept fest, bis der Motorsportverband FIA Ende 2001 einen Riegel vorschob. Es gab ein Übergangsmodell namens Evo 6.5, und in Anlehnung daran firmiert auch die TME-Serienversion inoffiziell als Lancer Evo 6.5.

600 PS wären kein Problem gewesen

Dessen Zweiliter-Turbo erhielt für eine bessere Motorhaltbarkeit einen größeren Ölkühler, die sonst in die Schürze integrierten Nebelscheinwerfer wichen größeren schwarzen Schlünden zur Belüftung der Brembo-Bremsanlage. Der Clou ist ein unscheinbarer Schalter auf dem Kardantunnel. Der Mitsubishi Lancer Evo VI hat für Extrabums eine Wasserbedüsung für den Ladeluftkühler. Hätte er je gedurft, wie er gekonnt hätte, wären 600 PS kein Problem gewesen, aber im Sport riegelte ein Restriktor die Atemluft ab, und in der Serie beschränken sich die japanischen Hersteller seit Jahrzehnten freiwillig auf maximal 280 PS.

Die hatte auch der Subaru Impreza ab 1994 in der letzten Ausbaustufe WRX STI. Die Rallye-Autos waren blau damals, nicht etwa weil das die Farben des Konzerns waren, sondern die des Sponsors, der Zigarettenmarke 555. Folglich hieß auch der Rallye-Impreza 555. Selbst als Subaru den Sponsor verlor, blieb das Blau. Das Exemplar, das Jens Dralle fand, war Baujahr 99, aus dritter englischer Hand, ein rostiger Rechtslenker und ein Angebot, das der auto motor und sport-Redakteur nicht ablehnen konnte. Er überwies knapp 5000 Euro für ein silbernes Exemplar, besorgte sich aber zumindest ein Nummernschild mit drei Fünfen.

Turbo mit Gedenkzehntel

Es sollte ein Auto sein, das für bezahlbares Geld maximalen Spaß bietet, und dieses Versprechen lösen beide Legenden ein. Auch wenn der Subaru nicht ganz so kräftig ist, schiebt der Turbo nach zwei Gedenkzehnteln dennoch mächtig an. Lenkung und Fahrwerk sind agil und präzise. Auf Wunsch lässt sich der Impreza auf losem Geläuf leicht zum Drift provozieren, aus dem die Visco-Kupplungen am Mittel- und Hinterachsdifferenzial den Voraneilenden aber schnell befreien. Zugegeben, gegen den Evo stinkt der im Konzept etwas ältere Subaru etwas ab. Der Lancer ist nicht nur optisch das Gerät mit weniger Kompromissen. Die Lenkung noch direkter, das Ansprechverhalten dank Schaufelrad aus leichter Titanlegierung spontaner. So viel Agilität und Antritt suchten einst für knapp 80 000 Mark ihresgleichen.

Aber wie das bei der Evolution so ist, bedeutet Stillstand Rückschritt. Gartenmaier hat 19-Zoll-Räder und unterdimensionierte Bremsen gegen die größeren vom Evo X getauscht, ein Öhlins-Fahrwerk anstelle der nicht allzu haltbaren und harten Seriendämpfer von Toyo eingebaut. Und wer in der Nomenklatur der Lancer-Versionen nicht ganz sattelfest ist, bekommt eine Lesehilfe: "EVO VI" steht in Riesenlettern auf der Flanke.

Pragmatische Sportgeräte

Auch Kollege Dralle hat Hand anlegen lassen. Per Chiptuning wurde der für Subaru typische Vierzylinder-Boxer auf 265 Pferde gebracht. Damit lässt sich der Subaru Impreza GT Turbo wie seine potenteren WRX-Varianten auf Tempo 240 beschleunigen. Der Boxer könnte dazu toll brüllen, aber das geht bei höherem Tempo in den Windgeräuschen der Lufthutze unter. So ist der Evo VI am Ende der Bolide mit dem böseren Sound.

Das Interieur des Lancer ist dagegen komplett unspektakulär, das des Subaru in seiner Eckigkeit fast schon rustikal. Dralle nennt das Landmaschinen-Charme, als wäre das Auto bei Land Rover vom Stapel gelaufen und nicht bei Fuji Heavy. Das zum Fototermin erschienene Exemplar ist auch schon ein bisschen gebrauchter und weniger behütet. Als überzeugter Spartaner muss der Impreza ohne Klimaanlage auskommen. Zum Ausgleich fehlt dafür dem Lancer neumodischer Schnickschnack wie ein ABS.

Früherer Subaru Impreza war noch eine Drecksau

Der frühere Subaru Impreza war noch eine Drecksau, die man treten konnte und musste, wie geschaffen für den wilden McRae, dessen Stern langsam zu sinken begann, als Wissenschaft und Elektronik Einzug in den Sport hielten. Statt zupackender Zureiter waren am Lenkrad plötzlich Filigranarbeiter gefragt. Aus dieser Zeit stammt der Evo VI, bei dem die Hinterachse schon mit Torque Vectoring das Einlenken verbessert und sich das Heckflügelblatt um Millimeter verstellen lässt, um bis zu 140 Newton Abtrieb auf die Hinterachse zu bringen.

Aber es sollte ja bei der Begegnung im tiefsten Bayern nicht um einen Vergleichstest gehen, sondern um das Treffen zweier Legenden. Egal ob Frodo Beutlin, Luke Skywalker oder Harry Potter, die ganz großen Geschichten handeln stets davon, wie ein unscheinbarer und überforderter Held über sich hinauswächst und das Unmögliche möglich macht. Selten waren in der Automobilgeschichte grauere Mäuse ausgezogen, und selten kamen sie mit so viel Ruhm zurück wie diese beiden.

So viel kosten Subaru Impreza GT Turbo und Mitsubishi Lancer Evo VI

Bei den aktuellen Marktpreisen zeigt sich eine klare Tendenz hin zum aggressiv auftretenden Mitsubishi Lancer Evo VI. Im guten Zustand kostet er laut Marktbeobachter Classic-Analytics rund 21.000 Euro - gegenüber 9.500 Euro für einen Subaru Impreza GT Turbo im selben Zsutand. Mäßig gepflegte Fahrzeuge sind kaum empfehlenswert, wenn sie artgerecht eingesetzt wurden. Im Zustand 4 stehen 6.900 (Lancer Evo VI) respektive 2.800 Euro (Impreza GT Turbo) in der Liste.

Subaru Impreza holt 29 Titel

Der Subaru Impreza gewann drei Marken-Weltmeistzerschaften und drei Fahrertitel (McRae, Burns, Solberg), der Mitsubishi Lancer Evo eine Marken-WM und vier Fahrertitel (Mäkinen). Beide gewannen in insgesamt 18 Jahren die Produktionswagen-WM für seriennahe Autos.