Kaufberatung Mitsubishi Evolution IV (1996 - 1998)
Ehemaliger Rallye-Star mit Altersschwäche
Nicht nur Subaru errang auf den Rallye-Kursen der Welt Berühmtheit, sondern auch Mitsubishi mit seinem Lancer Evolution. Die vierte Generation des Allrad-Sportlers gab es auch bei uns. Sie wird bald zum Youngtimer. Doch der Evo IV hat neben vielen technisch herausragenden Merkmalen auch viele Mängel.
21.08.2015 Roman DomesEines vorweg: Die Modellzyklen der ersten Generationen des Mitsubishi Lancer Evolution muten heute so seltsam kurzlebig an wie die Karriere eines Castingshow-Gewinners. Der erste Evo startete seine Karriere 1992 in Japan. Wer käme denn jetzt auf die Idee, nur zwei Jahre später schon eine neue Generation vorzustellen?
BMW wohl nicht. Der Dreier der Baureihe E36 kam sogar schon 1990 auf den Markt - und wurde acht lange Jahre bis 1998 gebaut. In genau diesem Jahr stellte Mitsubishi die bereits vierte Generation des Lancer Evolution nicht vor. Sondern wieder ein.
Fast jedes Jahr ein neuer Evo - der Rallye-WM sei Dank
Die Vorstellung von Nummer 4 fand bereits 1996 statt, nur vier Jahre nach dem ersten Evo. Schuld an der wahnwitzigen Modell-Vielfalt war die Rallye-WM. Wenn Mitsubishi einen neuen Rennwagen für die Matsch-, Schnee- und Asphaltpisten der Welt einsetzen wollte, musste der erst homologiert werden. Das bedeutet, dass zunächst ein für den Straßenverkehr zugelassenes Auto in bestimmter Stückzahl gebaut werden musste. Nur dann erhielt der Wagen die Freigabe, als Rennauto eingesetzt werden zu dürfen.
Und der Mitsubishi Evo IV war auch abseits von Schotter und Kies äußerst fix unterwegs. Als RS-Modell kam er 1997 zum sport auto-Einzeltest. Die RS-Variante diente als Basis für die WRC-Version. Mit 280 PS war die vierte Version des Evo die bislang stärkste, zehn PS stärker als der Vorgänger. 353 Nm lagen bei 3.000/min an.
Sortiert wurde die Kraft des Vierzylinder Turbos mit Motorencode 4G63 mit einem 5-Gang-Schaltgetriebe, ganz klassisch. Fun Fact: Der 4G63-Motor kam in einigen Mitsubishi-Modellen zum Einsatz; der Mitsubishi Galant sowie der Eclipse nutzten den Vierzylinder, teils auch ohne Turbo. Die 280 PS bekam jedoch nur der turbogeladene Evo.
Mitsubishi Lancer Evolution IV mit ausgeklügelter Wassereinspritzung
Der Evolution IV bekam noch ein Feature, mit dem BMW gerade ebenfalls für Aufsehen sorgt: die Wassereinspritzung zur Kühlung der Ladeluft. Das sorgt für bessere Verbrennungstemperaturen in der Brennkammer, unterdrückt die Klopfneigung und erlaubt eine Anhebung des Ladedrucks ohne die sowieso schon hoch belasteten Bauteile wie Kolben oder Ventile zu gefährden.
Mit diesen Tricks gelang dem Allradler der Standardspurt auf 100 km/h in gemessenen 5,9 Sekunden (Werksangabe: 5,5 s), bei 236 km/h war eigentlich Schluss. Eigentlich? Ja, denn das von sport auto getestete Modell war nach japanischer Spezifikation gebaut worden - und deshalb nur 185 km/h schnell, mehr war nicht erlaubt. Interessant: Der Lancer wurde nicht von einer elektronischen Abregelung gestoppt, sondern vom Drehzahlbegrenzer des ultra-kurz übersetzten Getriebes. Das schlug sich auch beim Verbrauch des Turbo-Rallyestars nieder: 14,1 Liter Super Plus sind nicht nur heute für 280 PS zu viel, auch 1997.
Der erste Evo mit "Active Yaw Control"
Dafür entschädigte der Evo IV seine Fahrer mit seinem grandiosen Handling, das auch auf die "Active Yaw Control" (AYC) genannte hydraulische Steuerung des Allradantriebs zurückzuführen war. Der Evo IV war der erste Besitzer dieses Systems. Es funktioniert folgendermaßen: Mittels Sensoren für g-Kräfte sowie der Gas- und Bremspedalstellung erkennt das Fahrzeug die Fahrsituation, also zum Beispiel Anbremsen und Herausbeschleunigen aus einer Kurve.
Damit weiß das Auto, dass es in eine Kurve bewegt wird und unterstützt die Kurveneinfahrt, indem es über ein Sperrdifferenzial mehr Antriebsmoment an das kurvenäußeren Rad schickt und das Motorbremsmoment an das kurveninnere. Das Einlenken wird erleichtert, das Auto fährt sich spürbar dynamischer als mit einem konventionellen Allradantrieb, der meist nur auf Traktion setzt.
Das AYC sorgt bei einer Kurvenfahrt dafür, dass das Fahrzeug stets ein Giermoment erhält und nicht über die Vorderräder Richung Kurvenausgang schiebt. Außerdem stabilisiert das System den Evo, wie man sehr gut im unten angehängten Video (ab 1:51 Min) sehen kann. Mobile-User klicken bitte hier.
Evo IV mit langer Mängelliste
Leider hat das AYC-System auch eine Schwäche, die wir bei unserem Test nicht nachweisen konnten: Es ist anfällig im Alter. Gerade wenn die Pumpe nicht versiegelt ist, rostet sie vor sich hin und geht kaputt. Dann nutzt der ganze technologische Aufwand nichts mehr, der Evo fährt Kurven ohne AYC wesentlich schlechter. Eine Reparatur kann schnell 1.000 Euro kosten, ein Austausch heftige 3.000.
Rost ist beim Evo IV, der von 1996 bis 1998 gebaut wurde, ebenfalls ein Problem. Vor einem eventuellen Kauf sollte unbedingt die Mulde für den Tank geprüft werden - da rostet er als erstes. Auch Radläufe, Türfalze und der Kofferraumdeckel müssen unbedingt kontrolliert werden.
Ein weiteres Problem betrifft den Motor, der eigentlich einen sehr guten Ruf hat und als unkaputtbar gilt. Das gilt jedoch nicht für die Kurbelwelle, die größte Schwachstelle des Evo IV. Sie wandert. Nicht nach Tokio oder Osaka, nein, sie wandert im Kurbelgehäuse hin und her. Bis zu 0,25 Millimeter sind erlaubt, alles darüber gilt als problematisch und als Vorstufe zu einem kapitalen Motorschaden. Schuld an der Misere sind qualitativ schlechte Drucklager, die Leistung und Drehmoment des Motors auf Dauer nicht verkraften.
Der Mitsubishi Evolution IV und die wandernde Kurbelwelle
Symptome für eine wandernde Kurbelwelle sind ein Kupplungspedal, das nicht mehr ganz zurückkommt, Schwierigkeiten beim Gangwechsel oder Schleifgeräusche aus dem Motorraum. Eine Reparatur ist schwierig, meistens wird gleich der ganze Motor getauscht - aber nicht unbedingt wieder ein Evo IV-Motor eingesetzt. Bei vielen Evos der vierten Generation tut ein Motor aus der sechsten Generation seinen Dienst. Der gilt als zuverlässiger, wandernde Kurbelwellen sind da selten.
Gute Nachrichten für alle, die nun von ihrem Gedanken abgekommen sind, einen Mitsubishi Lancer Evo IV zu kaufen: Der Markt gibt sowieso nicht viel her - zumindest im Moment. Die Preise starten bei rund 5.000 Euro für Modelle mit hoher Laufleistung und der immer währenden Gefahr der besagten Kurbelwelle. Für gut erhaltene Evos sind mindestens 8.000 Euro fällig. Wichtig: Immer auf das Service-Heft achten. Die Zweiliter-Vierzylinder müssen alle 7.500 Kilometer zum Service - auch das geht ins Geld.
Mittlerweile hat Mitsubishi das Ende der Evolution-Baureihe verkündet. Zehn verschiedene Evos gab es in knapp 20 Jahren. Jetzt, wo die Japaner ohnehin schon zweistellig Generationen am Start haben, wäre auch noch für ca. 89 weitere Generationen Platz gewesen, oder?