Mille Miglia 2018

Wie Carraciola im SSK durch Italien

Im Mercedes 710 SSK auf den Spuren von Rudolf Caracciola: Ellen Lohr und Birgit Priemer starten bei der Mille Miglia 2018, fuhren in vier Tagen von Brecia nach Rom, legten 1.700 Kilometer im Tross seltener Klassiker zurück.

Mille Miglia 2018 Mercedes SSK Lohr/Priemer Foto: Mercedes 20 Bilder

Brescia, wie immer Ausgangspunkt der Mille Miglia. Die Stadt brodelt am Tag des Starts, immer mehr Oldtimer vom O.M. 665 S MM Superba 2000 von 1927 als Startnummer 1 bis zum Triumph TR 3 Sport von 1956 sammeln sich in der Stadt. Die Begeisterung der Menge schon am Start ist nur ein erster Eindruck dessen, was sich auf den folgenden 1.700 Kilometern innerhalb von vier Tagen abspielt: Auch wer auf dem Weg nach Rom und wieder zurück noch so schwer am Volant kurbeln musste – die Menge dankte es mit überwältigender Unterstützung – sei es in den engen Gassen von San Marino, in den ungezählten kleinen Ortschaften Umbriens oder auf dem Weg nach Monza, wo die Pretiosen von den schweren Vorkriegsautos bis hin zu Leichtgewichten aus den Fünfziger Jahren durch die Wertungsprüfungen flogen.

Wie Carraciola: Mille Miglia im SSK

Und wenn die Autos noch so kostbar waren – geschont wurde hier gar nichts. Reifen an Reifen zog die Karawane durch das Land, nicht nur auf der Suche nach schönen Landschaften, sondern auch nach der möglichst optimalen Platzierung. Dieses Jahr ist auto motor und sport dabei – auf einem Mercedes 710 SSK von 1928, mit dem der legendäre Rudolf Caracciola 1931 (damals im Typ SSKL) mit einer Durchschnittgeschwindigkeit von 101,1 km/h das normalerweise von Italienern dominierte Rennen gewinnen konnte.

Eins von vier Damenteams

Mille Miglia 2017 Foto: ams
Eines von vier Damenteams bei der Mille Miglia 2018: Birgit Priemer (am Steuer) und Ellen Lohr.

Davon war das Damenteam in Form von Rennlegende Ellen Lohr und auto-motor-und sport-Chefredakteurin Birgit Priemer als eines von insgesamt nur vier Damenteams auf der diesjährigen Mille Miglia zugegebenermaßen ganz weit entfernt. Aber es ging auch nicht um den Sieg – es ging darum, die weiß lackierte Vorkriegslegende mit ihren gewaltigen 750 Newtonmetern Drehmoment, entwickelt aus dem 7,1 Liter Kompressor-Sechszylinder, sicher über die Schlaglöcher Italiens zu steuern – und das war eine echte Herkulesaufgabe. Schwer zu dosierende Bremsen, ein anspruchsvoll zu schaltendes Vierganggetriebe und eine Lkw-ähnliche Lenkung ohne Servounterstützung fordert in diesem Fall alles von Frau und Maschine.

589 km an einem Tag

Die Durchschnittsgeschwindigkeiten lagen in den extra dafür vorgesehenen Prüfungen eher bei 36 oder 38 km/h – über acht bis elf Kilometer, absolviert unter anderem am dritten Tag auf dem traumhaft schönen Passo della Cisa, bevor es zum Ende des mit 589 Kilometern längsten und anspruchvollstem Fahrtag durch die Toskana mit Postkarten-Sonnenuntergangs-Stimmung nach Parma ging, wo wiederum eine Menschenmenge auf das Fahrerfeld wartete.

Hunderte von Kreisverkehren – ohne Servolenkung

Die Mille Miglia, in der Vergangenheit immer mal wieder durch eine eher chaotische Organisation in die Kritik geraten, überzeugte dieses Mal mit einer wunderschönen Routenführung über Monteriggioni, San Miniato und Lucca – obwohl es wiederum galt, gefühlt Hunderte von Kreisverkehren hinter sich zu lassen – auch ein Kraftakt für das SSK-Team. Doch das ließ sich beim Aufsammeln von Punkten nicht Lumpen: Am Ende des zweiten Fahrtages wurde Team Lohr/Priemer bei der Zeitkontrolle zur Seite gebeten. Der Racedirektor warte auf die Damen. Warum? Zweimal zu schnell gefahren, hieß es. Einmal gab es eine Verwarnung, beim zweiten Mal 2.000 Strafpunkte, die sich im Gesamtergebnis niederschlugen. Pech gehabt, oder? Nein, Glück gehabt! Vier Tage im SSK ohne Blessuren außer neu gewonnenen Schwellen in den Händen und frisch gestählten Oberarmen waren jeden einzelnen Strafpunkt wert.