MGB GT und Triumph GT6 im Fahrbericht
Deckel drauf - Aus Roadster mach Coupé
Fast zeitgleich verwandelten MG und Triumph ihre kompakten Roadster in zwei attraktive Coupés, MGB GT und Triumph GT6. Beide haben 95 PS, unterscheiden sich jedoch gründlich im Design und in der Motorisierung.
18.03.2017 Franz-Peter HudekDie Idee, aus einem schon längst in Serie produzierten Cabrio nachträglich ein Coupé zu konstruieren, ist fast so abwegig, wie Wachsoldaten im Hochsommer mit Bärenfellmützen auszustatten oder das Frühstück mit gebratener Blutwurst anzureichern, die auch noch Black Pudding heißt. Einfach britisch eben.
MG und Triumph haben es deshalb getan. Sie machten 1965 beziehungsweise 1966 aus ihren beliebten Roadstern MGB und Spitfire die Heckklappen-Coupés GT und GT6. Nur Honda verwandelte seinen putzigen S600-Roadster zur gleichen Zeit ebenfalls in ein Schrägheck-Coupé, was auf gute Insider-Kenntnisse der britischen Automobilindustrie schließen lässt. Der Jaguar E-Type kam dagegen bereits 1963 gleichzeitig als Cabrio und Coupé auf den Markt.
Coupés viel teurer als das Cabrio
Das ist damals wie heute der übliche, weil einfachere Weg: beide Modelle parallel anzubieten, wie zum Beispiel Ford Mustang und Peugeot 504. Oder man schneidert nachträglich aus einer Kompaktlimousine oder aus einem Coupé ein Cabrio, wie im Falle des VW Golf und Porsche 911. Diese Verfahren sind in der Entwicklung und Produktion wesentlich günstiger als der spätere Blechdachaufbau. Das macht auch ein Blick auf die MG-Preisliste von 1967 deutlich, wo für das Coupé 13.250 Mark aufgerufen wurden, exakt 2.500 Mark mehr als für den identisch motorisierten MGB Roadster.
Triumph forderte für den GT6 mit 11.900 Mark sogar einen Aufpreis von 3.475 Mark. Dafür erhielt der Coupé-Pilot auch einen Zweiliter-Reihensechszylinder, der gegenüber dem 1,3-Liter-Vierzylinder des Spitfire 20 Mehr-PS produzierte. Beide Coupés waren also ganz im Gegensatz zu der sonst üblichen Praxis erheblich teurer als die fast baugleichen Cabrios. Crazy Britain eben.
Zweieinhalb VW Käfer
Damit kann man auch die Mär vom „Poor man’s E-Type“ in den River Thames schmeißen: MGB GT und Triumph GT6 waren zumindest in Deutschland sehr teuer und deshalb recht wenig verbreitet. So erhielt man 1967 zum Preis eines MGB GT fast schon eine Mercedes 230 S Heckflosse oder zweieinhalb gut ausgestattete VW Käfer. Und wer schnell und günstig in einem großen Sechszylinder-Coupé unterwegs sein wollte, der wurde bei Ford in Köln für 9.890 Mark fündig und stolzer Besitzer eines komfortablen Ford 20M TS Hardtop.
Doch jetzt ist Schluss mit dem Briten-Bashing. Denn Mirko Große und sein Triumph sowie Mike Haubrich mit seinem MG warten an der Avia-Tankstelle von Schnait auf das Motor Klassik-Team. Vergiss die 230 S Heckflosse! Vergiss Köln und die Käfer! Das sind einfach zwei fantastische Sportler, die schon im Stand so dynamisch aussehen, als hätten sie gerade die 24 Stunden von Le Mans hinter sich – wenn sie nicht so sauber geputzt und mit reichlich Chromteilen bestückt wären.
Ferrari 250 GTO als Vorbild
Eigentlich müsste man jetzt mit einem Sonett von Shakespeare schwärmen: „Solange Menschen atmen, Augen sehn, lebt mein GT6 und schützt dich vor Vergehn“. Der Triumph ist, formal betrachtet, nicht der E-Type, sondern der Ferrari 250 GTO des kleinen Mannes. Beide Coupés besitzen nämlich die gleiche Dachlinie, die in einem einzigen, sanft geschwungenen Bogen vom oberen Windschutzscheiben-Rand hinunter bis zu den kleinen Rückleuchten reicht. Auch den markanten Hüftschwung vor dem Hinterrad finden wir beim legendären Ferrari aus den Jahren 1962 bis 1964 wieder, den Triumph-Designer Giovanni Michelotti zum Vorbild genommen haben muss.
Sogar die lange Motorhaube mit den seitlichen Kotflügelauswölbungen, die vom offenen Spitfire stammen, zeigt eine zeittypische Verwandtschaft zu dem legendären Rennsport-Ferrari. Nach der Markteinführung des zunächst Spitfire 4 genannten Roadsters im Oktober 1962 stellte Michelotti bereits Anfang 1964 seine geschlossene GT-Variante vor, deren wenige, von Hand aufgebaute Exemplare nur im Rennsport zum Einsatz kamen. Triumph gelang damit 1965 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans sogar ein Klassensieg gegen den Erzrivalen MG mit dem Midget.
Als man schließlich an eine Serienproduktion des Coupés dachte, hielten die Triumph-Entwickler den 1.296-cm³-Reihenvierzylinder mit seinen 67 PS für zu schwach, um das gegenüber dem Roadster schwerere Coupé standesgemäß anzutreiben. Deshalb erhielt der 1966 eingeführte GT6 den Zweiliter-Sechszylinder aus dem Vitesse. Das war eine Power-Version der kompakten Triumph Herald Limousine, mit der sich der Spitfire und damit auch der GT6 die Bodengruppe teilten. Und übrigens: herzlichen Glückwunsch zum 50-jährigen Modelljubiläum des grandiosen GT6!
US-Markt als Entwicklungsgrund
Doch neben dem Rennsport gab es für Triumph zwei weitere wichtige Gründe, dem offenen Spitfire ein Coupé zur Seite zu stellen. Erstens den großen Konkurrenten MG, der bereits ein Jahr zuvor sein attraktives Coupé auf MGB-Basis in den Handel brachte. Auch hier wurde der komplette Vorderwagen mit Ausnahme der Windschutzscheibe vom Roadster übernommen, der ebenfalls ein Fastback-Coupédach mit Heckklappe erhielt. Dieser Entwurf mit geradem Dach und etwas steiler abfallender Heckpartie stammte von Pininfarina.
Der zweite Grund für das fast zeitgleiche Erscheinen der beiden Mikro-Sportcoupés war der nach wie vor wichtige US-Markt, auf dem kernige Roadster aus Sicherheits- und Komfortgründen nicht mehr so gefragt waren wie in den 50ern und 60ern. So gab es den Jaguar-E-Type-Nachfolger XJS und den keilförmigen Triumph TR7 zunächst nur als Coupés.
Allerdings scheint das mit dem Plus an Komfort heute an diesem schönen Herbsttag nicht so richtig zu klappen: Während man einen MGB oder Triumph Spitfire bei offenem Cabriodach praktisch stehend betreten kann, muss man sich bei den Coupé- Varianten trotz der ziemlich hoch erscheinenden Dächer wie die Assistentin eines Zauberers zusammenfalten, wenn sie in die Schwerterkiste steigt. Doch dieser beinahe schon akrobatische Akt wird durch einen sehr bequemen Fahrersitz und eine grandiose Sicht auf die Instrumente und das eigene Automobil belohnt.
Lange Motorhaube im Sichtfeld
Besonders der Triumph macht hier durch sein originales Holzarmaturenbrett mit den im Gegensatz zum Spitfire direkt vor dem Fahrer platzierten Instrumenten ein gute Figur. Dann dieser einzigartige Blick nach draußen auf die Motorhaube mit ihrer dem GT6 vorbehaltenem „Power Bulge“-Ausbuchtung und den seitlichen Kotflügel-Rundungen. Da kommt bei fast gleicher Haubenaussicht auch im etwas breiteren MG einfach Freude auf – obwohl die intime Nähe zur Windschutzscheibe, zu Schaltern und Knöpfen fast schon an einen Fiat 500 erinnert. In beiden Coupés kann man deshalb auf dem Beifahrersitz seine Frau fürs Leben finden, aber sicher nicht für eine Nacht.
Eine große Hilfe ist dabei der vertrauensvoll-kernige Klang der beiden Motoren. Der Vierzylinder des MG kontert sogar das sonore Grollen des Triumph mit einem höheren, leicht rotzigen Timbre. Beim Lenken und Schalten macht der MG eine etwas bessere Figur. Der Vorderwagen des Triumph zeigt unter dem Gewicht des Sechszylinders eine leichte Unruhe, während der MG so stabil wie der Tower of London wirkt. Richtig Laune macht im MG vor allem das Schaltgetriebe mit seinem etwas näher zum Fahrer herangerückten Hebel, der sich leicht und auf kurzen, eindeutigen Wegen – „klick-klack“ – bewegen lässt.
Wegen ihres geringen Gewichts und der hubraumstarken Motoren ist man in beiden Coupés auch ohne permanentes Schalten flott unterwegs: Vmax immerhin 170 km/h – aber nicht als Autobahn-Dauertempo. Bei höheren Drehzahlen wirkt der seidig laufende Triumph-Sechser weniger gestresst als die MG-Maschine. Somit empfehlen sich die Briten als preisgünstige Alternativen zu einem Alfa Bertone oder Porsche 356, von denen sie sich durch ihre eigenständigen und praktischen Heckklappenkarosserien deutlich unterscheiden.