Mercedes W124 (1984 bis 1997)

Gut 110 Prozent Wertzuwachs in 8 Jahren

Früher fuhr ihn Opa, heute schraubt die Jugend daran: Der Mercedes 124 kam vor 40 Jahren auf den Markt. Längst liegt er im Trend, parkt in hippen Stadtteilen und wurde vor allem als T-Modell stetig teurer. Was ist dran am Benz der 80er?

Mercedes-Benz W124 S124 T-Modell (1989-1993) Foto: Mercedes-Benz 40 Bilder

Nach neun Jahren Entwicklungsarbeit und 20 Millionen Testkilometern stellt Mercedes Ende 1984 den W124 vor. Internationale Journalisten fahren vom 26. November bis 8. Dezember das Nachfolgemodell des bisher meistgebauten Mercedes; 2,5 Millionen W 123 wurden in Sindelfingen und Bremen gebaut. Vergleichstests gewann der zum Schluss leicht barock anmutende Langzeit-Benz auch zum Ende seiner Laufzeit souverän.

Der Einarmwischer

Wie der Neue aussieht, hatte 1982 der 190 gezeigt: aerodynamischer, glattflächiger, sachlicher. "An den Vorgänger erinnert nur noch der Stern", schrieb Klaus Westrup in auto motor und sport 1/1985. Eine Innovation des W124, den Einarm-Hubwischer, erklärte auto motor und sport im selben Heft auf zwei Seiten. Dort steht zu lesen, dass der Wischer 86 Prozent der Windschutzscheibenfläche säubert und der Wischermotor beinahe doppelt so stark ist wie bei Zweiarmsystemen üblich: 55 Newtonmeter könnten heute ein E-Bike antreiben.

Der Fortschritt ist dem gesamten Auto deutlich anzusehen: "Neben seinem Vorgänger könnte beim Anblick des Neuen schon fast der Gedanke an Umsturz aufkommen", schreibt Wolfgang König in auto motor und sport 24/1984. Was neu ist, fasst er kurz so zusammen: "Weg mit dem Chrom, hoch mit dem Heck, raus mit den alten Motoren."

Leichter, schneller, sicherer

Der Neue ist leichter, aerodynamisch günstiger und sicherer. Die Fahrgastzelle bleibt auch beim versetzten Frontalaufprall gestaltfest, wie Mercedes das nennt. Ein 300E ist auch wegen des neuen Reihensechszylinder-Motors 135 Kilogramm leichter als sein Vorgänger 280E und wegen der 30 Prozent besseren Aerodynamik läuft auch der schwächste Diesel 160 km/h. Die Dieselmodelle haben einen gekapselten Motorraum und deshalb den Benzinern einen etwas besseren Cw-Wert voraus: 0,29 statt 0,30. Die Leistung der Motoren reicht anfangs von 72 bis 188 PS. Das Basismodell 200 mit 109 PS aus einem Zweiliter-Vergasermotor kostet 31.635 Mark. Für den Sechszylinder 300E sind 44.004 Mark zu bezahlen.

Ein Auto wie von Manufactum

Zeitloses Design, solide Machart, unfassbar praktisch und ein bisschen bieder – würde der Manufactum-Katalog Autos anbieten, es könnte ein Mercedes W124 sein. In Berlin und Hamburg stehen vorwiegend T-Modelle an den Straßen hipper Stadtteile, auf Treffen sind die Fahrer gut erhaltener Limousinen häufig jünger als ihre Autos. Das bei Porsche gefertigte Achtzylinder-Topmodell 500E ist längst ebenso in Sammlerhand wie die eleganten Viersitzer-Cabrios. Der Mercedes-Benz W-124-Club freut sich über das Interesse: "Schön ist, zu sehen, dass immer mehr junge Leute Gefallen an dieser Baureihe finden."

Was macht den W124 zum gefragten Klassiker?

Eine Stärke des mittleren Mercedes-Modells der 80er ist seine Vielfalt: Vom müden 200D mit 72 PS bis zum 500E mit V8, 326 PS und Porsche-Genen reicht die Palette. Doch egal, ob Limousine, Coupé, T-Modell, Cabrio oder Achtsitzer – alle eint das Gefühl unbedingter Solidität und Funktionalität. Und das Gefühl, einen der wirklich allerletzten echten Mercedes zu fahren. Weil etwa der Stern vom Fahrerplatz komplett zu sehen ist, die Tür mit leisem Plopp schließt wie ein Panzerschrank oder die Öldruckanzeige in den Nachfolgemodellen verschwand. Abseits des Philosophischen gibt es ganz praktische Gründe, die für einen 124er-Mercedes sprechen. Ein paar davon mögen auch Nostalgie sein – doch genau das ist für einige Kinder der 80er- und 90er eben ein guter Kaufgrund.

Ein Auto zum Schrauben

Ein W124 ist "das ideale Schrauber-Fahrzeug". Wer sein Auto selbst repariert, schätzt vor allem den unkomplizierten Zugang zu allen Aggregaten. Vor allem die Modelle mit den Zweiventil-Motoren M102 (Vierzylinder) und M103 (Sechszylinder) gelten als robust und auch für jene beherrschbar, die zuhause schrauben. "Ein W124 bleibt praktisch nie liegen" mag übertrieben klingen, doch es ist was dran: Die Technik ist robust und Defekte kündigen sich an. Außerdem ist das Meiste, was am W124 dran ist, leicht zu reparieren.

Ein Auto zum Fahren

Reinsetzen und Losfahren klappt bei kaum einem Auto so gut wie bei einem W124. Die Karosserie ist übersichtlich, die wenigen Schalter in der kantigen Mittelkonsole erklären sich von selbst und die Rundinstrumente sind perfekt ablesbar. Im Vergleich zu modernen Autos fällt auf, wie komfortabel so ein W124 mit seinen hochflankigen Reifen abrollt und wie beruhigend ein Cockpit ohne Bildschirm sein kann. Mit 4,77 Meter Länge und 11,3 Metern Wendekreis ist übrigens selbst ein T-Modell nicht zu sperrig für die Stadt.

Mercedes-Benz S124 T-Modell (1987-1989) Foto: Mercedes-Benz
So ein T-Modell ist ziemlich praktisch - und wurde in den vergangenen Jahren teurer.

Ein Auto zum Laden

Der "T-Limousine" genannt Kombi ist mit 530 bis 1.770 Liter Kofferraumvolumen ein echter Lastesel. Es gibt ein Werbemotiv für den Allradantrieb 4Matic, da zieht ein T-Modell einen Pferdeanhänger eine Wiese hoch. Das erscheint bei 2,1 Tonnen Anhängelast nur leicht übertrieben. Die Limousine bietet vier Personen reichlich Platz, das haben unzählige 124er-Taxis jahrelang täglich bewiesen. Coupé und Cabrio sind echte Viersitzer mit genügend Kofferraum für kleineres bis mittleres Reisegepäck.

Mercedes-Benz S124 T-Modell (1987-1989) Foto: Mercedes-Benz
Mit dem Kultextra Klappsitzbank wird das T-Modell zum Siebensitzer.

Ein Auto zum Leben

Die ersten Jahrgänge des W124 können schon längst ein H-Kennzeichen bekommen, sind damit also offiziell Oldtimer. Doch die Sicherheit, die der 80er-Jahre-Benz bietet, liegt weit über dem, was von einem Oldtimer erwartet werden kann: Das beginnt mit dem sicheren Fahrverhalten und endet noch längst nicht beim ABS, das ab 1989 serienmäßig war. Ab 1992 war ein Fahrerairbag Serie und die späten Modelle mit serienmäßigem Beifahrerairbag (ab 1995) sind nicht mehr sehr weit vom H-Kennzeichen entfernt.

Der letzte echte Mercedes

Sicher war der Wechsel vom W123 zu seinem Nachfolger für treue Mercedes-Kunden eine, tja, Umstellung: grauer Kunststoff statt Chrom, vom Windkanal geprägte Sachlichkeit statt klassischer Rundungen. Doch Mercedes kannte seine Kunden, bot gewohnte Farben und Muster an: Velours gab es noch genauso wie beim W123, ebenso einen Teil der gewohnten Farbauswahl. Rauchsilber/Creme ist eine eher harmlose Kombinationen. Später konnten Käufer mit Almandin, Beryll oder Bornit ihrem W124 einen dezent trendigen Anstrich verpassen. Eine Anzeige gehört übrigens unbedingt in einen letzten, echten Benz: Jene Nadel, die den Öldruck in bar anzeigt. Keine der folgenden E-Klassen hat mehr diese Öldruckanzeige.

Die Verbreitung

Mercedes baute in Sindelfingen 2,058 Millionen Limousinen und in Bremen 340.503 T-Modelle. Dazu kamen 141.498 Coupés, 33.952 Cabriolets und 2.342 Limousinen in Langversion. Gut 2,5 Millionen Autos in 13 Jahren – da wird in jeder Familie irgendjemand mal irgendeinen W124 gefahren haben – und sei es als Taxi.

Die Wertentwicklung

Wertentwicklung Mercedes-Benz S124 300 TE (1987-1992) Foto: Classic-Analytics
Geht steil: Wertentwicklung des Mercedes-Benz 300 TE S124.

Der Mercedes-W124-Club erhält "immer wieder Anfragen nach Kombis, die leider immer rarer werden." Die T-Modelle wurden als Arbeitstiere der Baureihe "gefahren, bis sie auseinanderfielen." Gute Autos sind in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden. Nicht ganz so stark war die Wertentwicklung bei den Coupés – Limousinen steigen meist ohnehin weniger stark im Wert.

Der Marktbeobachter Classic-Analytics bestätigt den starken Wertzuwachs bei T-Modellen in der Vergangenheit und geht weiterhin von einer positiven Wertentwicklung aus – die dann aber nicht mehr ganz so stark ausfallen wird wie in der Vergangenheit. Am stärksten war die Wertsteigerung in der Vergangenheit beim Topmodell 500E und bei den Cabrios.