Mercedes Simplex 28/32 von 1904

So startet und fährt ein 120 Jahre altes Auto

Wer einen Mercedes Simplex starten will, braucht Zeit, Geschick und Kraft. So simpel, wie der Name sagt, ist es nicht. Dabei war der erste Mercedes schon recht modern.

Mercedes Simplex 28/32 PS London-Brighton-Run 2024 Foto: Mercedes-Benz 26 Bilder

Der elektrische Anlasser war 1904 noch nicht erfunden; erst 1914 baute Bosch den ersten Elektrostarter.

So startet der Simplex

Die Leerlaufdrehzahl regelt ein Handhebel am Lenkrad, ebenso den Zündzeitpunkt. Beides muss der Fahrer vor dem Start einstellen. Claus Balle, der als Mechaniker bei Mercedes-Benz Heritage für den Simplex zuständig ist, weiß, wie’s geht: "Ich gebe ein bisschen Gas und stelle die Zündung auf ganz spät." Käme der Zündfunke zu früh, könnte die Kurbel zurückschlagen und den Mann an der Kurbel verletzen.

Anschließend muss er per Hand Benzin- und Öldruck aufbauen – 1,5 bis 2 bar seien nötig, erklärt Balle. Während der Fahrt sorgen Auspuffgase für den nötigen Benzindruck. Für das Anlassen löst Balle die Kurbel, holt Schwung und dreht kräftig. Springt der Motor nicht an, kann der Simplex per Anschieben starten – oder indem er einen Hügel herunterrollt.

Doch es klappt auf Anhieb, der Vierzylinder läuft und schüttelt im Leerlauf die Kotflügel durch. Die Messinglampen schwingen mit. Beim Anfahren gibt es einen wesentlichen Unterschied zu einem modernen Auto: "Die Federbandkupplung kenn nur an und aus", erklärt Balle. Schleifenlassen gibt es nicht, weil Metall auf Metall arbeitet.

So wird der Simplex geschaltet

Und, Achtung: Der Simplex hat fünf Pedale: Das kleine Gaspedal sitzt zwischen den Pedalen, mit denen der Chauffeur Getriebeein- und ausgangswelle bremst. Das Kupplungspedal links davon, gut am dicken Gummibelag zu erkennen, muss bei jedem Gangwechsel zweimal getreten werden – das Getriebe ist nicht synchronisiert.

Zum Herunterschalten tritt der Fahrer das Pedal für die Getriebeausgangswelle, um die Drehzahl abzusenken. Das Schaltschema selbst ist einfach: die vier Gänge sind wie bei heutigen Autos im H-Schema angeordnet.

Das fünfte Pedal

Und das fünfte Pedal? Das betätigt eine Auspuffklappe. Tritt man die, gibt der Simplex einen lauten Ton von sich. Der Fahrer kann hören, ob der Motor sauber läuft und andere Verkehrsteilnehmer hören den Simplex besser kommen. Denn viele Automobilisten gab es kurz nach der Jahrhundertwende noch nicht und es waren allerlei Mensch und Tiere auf der Fahrbahn, die nicht mit einem relativ schnellen Auto rechneten. Und die Bremsen sind beim Simplex zwar schon relativ gut, wirken jedoch nur auf Getriebe und Hinterräder.

So modern ist der Simplex

Die H-Schaltung, der Bienenwabenkühler und der niedrig eingebaute Motor sind drei Merkmale, die dem Simplex im Vergleich zu damaligen Autos Vorteile brachten. Er war leichter zu bedienen, lag besser auf der Straße und hatte eine effektive Kühlung. Der aufrecht im Wind stehende Bienenwabenkühler blieb lange ein Standard, die H-Schaltung ist es heute noch – wenn auch nicht mehr mit einem außenliegenden Schalthebel.

So schnell ist der Simplex

Mit 32 PS aus einem 5,3-Liter-Reihenvierzylinder erreicht der Simplex maximal 60 km/h. Mit einem Simplex 40 PS gewann E.T. Stead 1902 das Bergrennen von Nizza nach La Turbie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 55,2 km/h. Während einer Rekordfahrt von Ablis nach Chartres erreichte William K. Vanderbilt 111,8 km/h. Eine Version mit 9,25 Liter Hubraum und 60 PS lief sogar 130 km/h. Und beim Gordon-Bennett-Cup in Irland erreichte Camille Jenatzy im Juli 1903 über 327,5 Meilen (524 km) eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 49,2 mph (78,7 km/h).