Mercedes Simplex 28/32 von 1904
So startet und fährt ein 120 Jahre altes Auto
Wer einen Mercedes Simplex starten will, braucht Zeit, Geschick und Kraft. So simpel, wie der Name sagt, ist es nicht. Dabei war der erste Mercedes schon recht modern.
18.05.2024
Andreas Of-Allinger
Foto: Mercedes-Benz
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Der Mercedes Simplex beim London to Brighton Veteran Car Run im November 2023. Bei diesem Rennen sind Autos bis Baujahr 1904 zugelassen, der 120 Jahre alte Simplex gehört also zu den jüngsten Teilnehmern im Feld.
Foto: Mercedes-Benz
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Mercedes Simplex vor dem Mercedes-Benz Museum: Faszinierend, wie schnell sich schon geringe Geschwindigkeiten anfühlen, wenn keine Scheibe den Fahrtwind bremst.
Foto: Pierre Johne/Mercedes-Benz
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Bis zu 60 km/h erreicht der Doppelphaeton, das war kurz nach der Jahrhundertwende eine enorme Geschwindigkeit.
Foto: Pierre Johne/Mercedes-Benz
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Der Mercedes Simplex 35 PS von Baron Henry de Rothschild beim Bergrennen Nizza - La Turbie Ende März 1903. Am Steuer sitzt Wilhelm Werner, der später den deutschen Kaiser fuhr.
Foto: Mercedes-Benz
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Beim Bergrennen von Nizza nach La Turbie fährt E.T. Stead im Jahr 1902 mit einem Mercedes Simplex 40 PS einen Streckenrekord.
Foto: Mercedes-Benz
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Beim IV. Gordon-Bennett-Rennen in Irland gewinnt Camille Jenatzy am 2. Juli 1903 mit einem Mercedes Simplex.
Foto: Mercedes-Benz
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Das Chassis eines Mercedes Simplex in der Lackiererei der Daimler Motoren Gesellschaft in Untertürkheim im Jahr 1906.
Foto: Mercedes-Benz
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Zu seiner Zeit galt der Simplex als eines der fortschrittlichsten Autos: Nahezu gleich große Räder an beiden Achsen, schräg stehende Lenkung, Bienenwabenkühler und Kulissenschaltung gab es damals nicht in einem Auto vereint
Foto: D. Eisele
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Dass er sich deswegen führe wie ein modernes Auto, ist ein Irrtum.
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Allein das Anwerfen mittels Kurbel braucht Erfahrung, Kraft und Kondition. Nicht immer gelingt es.
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Solange der Simplex rollt, ist die fehlende Servounterstützung kein Problem.
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Bei 60 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit erreicht.
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Trotz der heute relativ geringen Geschwindigkeit ist höchste Konzentration geboten.
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Die Gänge sind nicht synchronisiert, fünf Pedale wollen im richtigen Moment getreten werden.
Foto: D. Eisele
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Tanken ist dafür relativ harmlos.
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Der Simplex ist das erste Modell mit Mercedes-Schriftzug am Kühler.
Foto: D. Eisele
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Die Daimler-Motoren-Gesellschaft beschloss am 2. April 1900, ihre Autos fortan nach der Jelinek-Tochter Mercedes zu nennen. Der Name wurde 1902 zum Warenzeichen angemeldet und gesetzlich geschützt.
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Der älteste erhaltene Mercedes, ein Simplex 40 PS von 1902, steht im Mercedes Museum.
Foto: Daimler AG
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Die schnellsten Simplex-Exemplare erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 111 km/h – damals ein Rekord. Das ist fast doppelt so schnell wie der Simplex Doppelphaeton 28/32 PS, den wir fahren durften.
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Doppelphaeton heißt: zwei Sitzreihen, keine Fenster.
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Am Lenkrad gibt es nicht nur die Lenkung zu bedienen, sondern auch die Zündung zu verstellen.
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Zum Starten wird die Zündung auf "spät" gestellt. Während der Fahrt muss der Fahrer immer wieder kontrollieren, wie der Motor läuft - und entsprechend reagieren.
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Keine Apotheke, sondern eine Art frühes Armaturenbrett. Alle fünf bis zehn Sekunden muss ein Tropfen durch jedes der Schaugläser fallen. Bei Bedarf kann über die Stellschrauben oben nachjustiert werden
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Kein antikes Musikinstrument, sondern die Hupe. Kaum vorstellbar, dass man sie beim grollenden Klang des Motors überhaupt hören konnte.
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Der Reihenvierzylinder leistet mit seinen 5,3 Litern rund 32 PS bei 1.200/min und kommt mit je einem seitlich angebrachten Ein- und Auslassventil aus.
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Zu den Anfangszeiten mussten im Falle eines Platten die Schläuche gewechselt werden. Reserveräder gab es erst ab 1908.
Foto: D. Eisele
Der elektrische Anlasser war 1904 noch nicht erfunden; erst 1914 baute Bosch den ersten Elektrostarter.
So startet der Simplex
Die Leerlaufdrehzahl regelt ein Handhebel am Lenkrad, ebenso den Zündzeitpunkt. Beides muss der Fahrer vor dem Start einstellen. Claus Balle, der als Mechaniker bei Mercedes-Benz Heritage für den Simplex zuständig ist, weiß, wie’s geht: "Ich gebe ein bisschen Gas und stelle die Zündung auf ganz spät." Käme der Zündfunke zu früh, könnte die Kurbel zurückschlagen und den Mann an der Kurbel verletzen.
Anschließend muss er per Hand Benzin- und Öldruck aufbauen – 1,5 bis 2 bar seien nötig, erklärt Balle. Während der Fahrt sorgen Auspuffgase für den nötigen Benzindruck. Für das Anlassen löst Balle die Kurbel, holt Schwung und dreht kräftig. Springt der Motor nicht an, kann der Simplex per Anschieben starten – oder indem er einen Hügel herunterrollt.
Doch es klappt auf Anhieb, der Vierzylinder läuft und schüttelt im Leerlauf die Kotflügel durch. Die Messinglampen schwingen mit. Beim Anfahren gibt es einen wesentlichen Unterschied zu einem modernen Auto: "Die Federbandkupplung kenn nur an und aus", erklärt Balle. Schleifenlassen gibt es nicht, weil Metall auf Metall arbeitet.
So wird der Simplex geschaltet
Und, Achtung: Der Simplex hat fünf Pedale: Das kleine Gaspedal sitzt zwischen den Pedalen, mit denen der Chauffeur Getriebeein- und ausgangswelle bremst. Das Kupplungspedal links davon, gut am dicken Gummibelag zu erkennen, muss bei jedem Gangwechsel zweimal getreten werden – das Getriebe ist nicht synchronisiert.
Zum Herunterschalten tritt der Fahrer das Pedal für die Getriebeausgangswelle, um die Drehzahl abzusenken. Das Schaltschema selbst ist einfach: die vier Gänge sind wie bei heutigen Autos im H-Schema angeordnet.
Das fünfte Pedal
Und das fünfte Pedal? Das betätigt eine Auspuffklappe. Tritt man die, gibt der Simplex einen lauten Ton von sich. Der Fahrer kann hören, ob der Motor sauber läuft und andere Verkehrsteilnehmer hören den Simplex besser kommen. Denn viele Automobilisten gab es kurz nach der Jahrhundertwende noch nicht und es waren allerlei Mensch und Tiere auf der Fahrbahn, die nicht mit einem relativ schnellen Auto rechneten. Und die Bremsen sind beim Simplex zwar schon relativ gut, wirken jedoch nur auf Getriebe und Hinterräder.
So modern ist der Simplex
Die H-Schaltung, der Bienenwabenkühler und der niedrig eingebaute Motor sind drei Merkmale, die dem Simplex im Vergleich zu damaligen Autos Vorteile brachten. Er war leichter zu bedienen, lag besser auf der Straße und hatte eine effektive Kühlung. Der aufrecht im Wind stehende Bienenwabenkühler blieb lange ein Standard, die H-Schaltung ist es heute noch – wenn auch nicht mehr mit einem außenliegenden Schalthebel.
So schnell ist der Simplex
Mit 32 PS aus einem 5,3-Liter-Reihenvierzylinder erreicht der Simplex maximal 60 km/h. Mit einem Simplex 40 PS gewann E.T. Stead 1902 das Bergrennen von Nizza nach La Turbie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 55,2 km/h. Während einer Rekordfahrt von Ablis nach Chartres erreichte William K. Vanderbilt 111,8 km/h. Eine Version mit 9,25 Liter Hubraum und 60 PS lief sogar 130 km/h. Und beim Gordon-Bennett-Cup in Irland erreichte Camille Jenatzy im Juli 1903 über 327,5 Meilen (524 km) eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 49,2 mph (78,7 km/h).