Mercedes-Sammlung Wiesenthal

5 Millionen Euro für Familiensammlung

Wiesenthal, einst ein österreichischer Autohandels-Konzern, besaß eine Sammlung feinster Mercedes. Jetzt kamen Pagode, Flügeltürer, 300er und 6.9 unter den Hammer. Die Autos stammen teilweise aus Erstbesitz.

Mercedes 450 SEL 6.9 W116 (1979) Wiesenthal Foto: Dorotheum 49 Bilder

Ein Flügeltürer, der dazu passende Roadster, je ein offener Zwei- und Viertürer vom Adenauer-Mercedes 300: Die am 1. Dezember 2018 in Wien versteigerte Sammlung Wiesenthal enthielt 13 Mercedes-Spitzenmodelle von den Fünfziger bis Ende der Achtziger-Jahre. Zu mehreren 300er-Modellen der 1950er kommen zwei frühere Direktionswagen, die ihr ganzes Fahrzeugleben in der Firma verbracht haben. „Eine derartige Sammlung haben wir noch nicht gehabt“, sagt Wolfgang Humer, der bei Dorotheum die Sparte für klassische Fahrzeuge leitet. Humer verweist auf die Historie: „Beide 300 SL sind seit 40 Jahren beim selben Besitzer“. Einige der Autos haben noch die schwarzen Nummerntafeln, die in Österreich 1990 abgeschafft wurden.

Auktionsergebnis: rund 5 Millionen Euro

Mercedes 600 Pullman (1964) Wiesenthal Foto: Dorotheum
Der Mercedes 600 Pullman diente drei Bundespräsidenten.

Die aktuellen Besitzer, die Enkelgeneration der Sammler, behält vier Autos aus der Sammlung, 13 gehen zur Auktion – und erlösten dort inklusive Aufgeld rund fünf Millionen Euro. Für das teuerste Auto, einen 300 SL Flügeltürer, bot ein Telefonbieter 1,149 Millionen Euro. Auch der 300 SL Roadster ging für über eine Million weg: 1,1 Millionen Euro inklusive Aufgeld. Für den Mercedes 600 Pullman aus ehemaligem österreichischem Staatsbesitz erhielt ein Saalbieter den Zuschlag; die sechs Meter lange Limousine erzielte 383.800 Euro. Außergewöhnlich sind die Auktionsergebnisse für die beiden ehemaligen Direktionsfahrzeuge der Firma Wiesenthal: Der 450 SEL 6.9 und der 560 SEL kamen als Neuwagen zur Firma und blieben dort. Der W 116 erzielte 89.700 Euro, der W 126 ging für 59.800 Euro weg – jeweils mehr als das Doppelte des Schätzwerts. Die Bieter honorierten sicher die außergewöhnliche Historie und die geringen Kilometerlaufleistungen der dunkelblau lackierten Limousinen. Auch ein 450 SLC ging für deutlich mehr Geld weg, als üblicherweise für einen C 107 bezahlt wird: 48.300 Euro brachte das metallicgrüne Coupé.

Mercedes 450 SEL 6.9 und 560 SEL

Einige der Autos sind aus erster Hand. So zum Beispiel ein Mercedes 450 SEL 6.9 der ab 1979 bei Wiesenthal im Dienst im war. Ihm folgte 1989 ein 560 SEL der Nachfolgebaureihe W 126. Beide treten nach außen hin ganz bescheiden auf, sind im Uni-Farbton Dunkelblau 904 lackiert. Die Ausstattung ist dafür jeweils komplett: Standheizung, Klimaanlage und Velourspolster gehören ebenso zur Ausstattung wie die hydropneumatische Federung. Diese war beim W-116-Spitzenmodell serienmäßig und beim W 126 ein aufpreispflichtiges Hightech-Extra.

Vom 220 SE Coupé bis zum 600 Pullman

Mercedes 220SE Coupé (1958) Wiesenthal Foto: Dorotheum
Das 220 SE Coupé hatte sich Wiesenthal senior als Dienstwagen bestellt.

Ein beiges Mercedes 220 SE Coupé bestellte sich Wiesenthal Senior 1958 als Geschäftswagen. Der Zweitürer war damals ein teures Statussymbol und ist heute ein rarer Oldtimer: Nur 830 Exemplare wurden gebaut. Das Coupé aus Familienbesitz hat laut Auktionshaus eine Laufleistung von 108.000 Kilometern. Bemerkenswert ist auch das Kennzeichen: S.300 war immer in der Hand der Mercedes-Vertretung. S.100 hatte das Land, S.200 Louise Piëch Das spektakulärste Auto aus der Sammlung ist nicht das Teuerste (diese Rolle hat natürlich ein Flügeltürer): Der 600 Pullman diente drei Bundespräsidenten als Staatskarosse, mit ihm holte die Republik Österreich unter anderem die Queen vom Flughafen ab. Heute soll die sechs Meter lange Hightech-Limousine zwischen 180.000 und 260.000 Euro bringen. Versteigert werden die Wagen zwar ohne Limit. Doch beim ein oder anderen Auto könnten Laufleistung, Ausstattung oder Vorgeschichte für überraschende Preise sorgen.

Günther Wiesenthal: Autohändler in Prag und Wien

Die Geschichte der österreichischen Firma Wiesenthal handelt vom Handel. Als Günther Wiesenthal in den 1920er-Jahren an den Mercedes-Benz-Vertretungen in Prag und Wien beteiligt ist, sind Autos noch selten und teuer und Mercedes gehört zum Besten, was es gibt. Die Massenmotorisierung ist auch noch ein paar Jahre entfernt, als Wiesenthal in Wien die Motor Import Gesellschaft gründet. Er wird 1932 Geschäftsführer der österreichischen Vertriebsgesellschaft, 1935 ruft ihn die Zentrale als Exportleiter nach Stuttgart. Nach dem Zweiten Weltkrieg geht Wiesenthal zurück nach Österreich, beginnt 1955 in Salzburg als Generalvertreter, Mercedes nach Österreich zu importieren. Als er 1958 als Präsident von Mercedes USA und Kanada in die USA geht, übergibt er die Salzburger Geschäfte an seinen Mitarbeiter Georg Pappas. Pappas erbt zwei Jahre später die Hälfte des Geschäfts, nachdem Wiesenthal an Leukämie verstirbt.

Die Nachfolger expandieren und sammeln

Wiesenthals Witwe Hilde führt die Geschäfte der Wiener Firma Wiesenthal & Co. KG bis 1972 ihre Tochter Susanne Sulke-Wiesenthal die Geschäftsführung übernimmt und die Firma zusammen Patrick Graf Douglas führt. Die Firma expandiert zunächst in Österreich, den USA, ab 1990 auch in der Slowakei und Ungarn. In dieser Zeit bauen Sulke-Wiesenthal und Douglas eine Sammlung auf, die von den Ponton-Mercedes des Seniors bis zum 560 SEL 17 Spitzenmodelle der Marke umfasst.